Übergeswapt
Waschbecken, wie sie an einem Lebensmittelmarkt in Kolumbien montiert sind, wären in Banken gar nicht nötig. Anständiger Umgang mit Kunden geht nämlich auch ganz ohne Wasser und Seife. Quelle: dpa

Banken in der Coronakrise: Händewaschen für Anfänger

Ausgerechnet die Banken, die in der Finanzkrise 2008 gerne unter staatliche Rettungsschirme geschlüpft sind, verweigern vielen Unternehmern nun die dringend notwendige Solidarität.

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Sicher, die meiste Aufmerksamkeit (und Dankbarkeit) erntet derzeit der Finanzminister, der nahezu täglich staatliche Programme präsentiert, welche die wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise abmildern sollen. Medial besonders wirkungsvoll ist die Soforthilfe für Solo-Selbstständige und Kleinunternehmen, die zum Teil nicht rückzahlbar, aber auch nicht wirklich existenzsichernd ist.

Für die Wirtschaft wichtiger sind jedoch die staatlichen Kreditsicherungen. Über die KfW wird Unternehmen mit mehr als zehn Mitarbeitern, die im vergangenen Jahr oder im Durchschnitt der vergangenen drei Jahre einen Gewinn ausgewiesen haben, ein Schnellkredit zur Verfügung gestellt. Zuerst garantierte der Bund nur 80 bis 90 Prozent des Kredits via KfW, doch inzwischen sind es 100 Prozent. Die Kreditvergabe erfolgt nämlich durch die Hausbanken, und die hatten sich geweigert, selbst ein noch so geringe Restrisiko ohne Prüfung zu tragen.

Jetzt ist das Verfahren maximal beschleunigt: unbürokratisch, praxisnah und präzise.

Bei diesen sogenannten Weiterleitungskrediten sind grundsätzlich alle regulatorischen Anforderungen, insbesondere auch an die an das Liquiditätsmanagement der Banken, einzuhalten. Die BaFin sucht hier einen möglichst pragmatischen Ansatz, um es den Banken leichter zu machen, die Anforderungen einhalten zu können. So müssen beispielsweise Darlehen, die von Schuldnern in Folge der Corona-Krise nicht mehr bedient werden können, von den Banken nicht automatisch als ausgefallen eingestuft werden. Aber auch sonst räumt die BaFin für ihre Verhältnisse gewaltigen Spielraum ein. So verfolgt sie selbst Verstöße bei den Verhaltens- und Informationspflichten im Wertpapiergeschäft, die etwa bei Wertpapierdienstleistungen auftreten, die aus dem Homeoffice erbracht werden, bis auf weiteres nicht.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz empfahl, die Banken müssten bei der Vergabe von Corona-Krediten ein bisschen Fünfe gerade sein lassen. Doch statt in dieser Krise uneingeschränkt solidarisch aufzutreten, zeigte sich die Finanzbranche leider von ihrer kleinkarierten Seite. Der Branchenverband Deutsche Kreditwirtschaft (DK) wehrte sich gegen die den Banken zugewiesene neue Aufgabe, schob den schwarzen Peter der BaFin zu und versteckte sich hinter den vermeintlich „von der Aufsicht vorgegebenen Anforderungen“. Man könne nicht die „kaufmännische Sorgfalt über Bord werfen“. Solche Ausreden sind spätestens mit der 100%-Garantie Makulatur, wären aber auch schon vorher fragwürdig. Auch im normalen Kreditgeschäft kann eine Bank risikoreiche Kredite ausgeben, wenn sie sich der Risiken bewusst ist und diese Risiken entsprechend absichert. Eine 80–90-prozentige Garantie durch den Fiskus hätte die BaFin sicher nicht als übertriebenen Wagemut gewertet. Auch sonst haben Banken keineswegs nur Kredite mit guter Bonität in ihren Portfolien. „Non-Performing Loans“, notleidende Kredite, gibt es zum Teil sogar in großem Ausmaß. Das gehört einfach dazu.

Alle sind in der Pflicht

Die DK-Erklärung zeugt von einem Mangel an gesellschaftlicher Verantwortungsbereitschaft. Covid-19 stellt uns als komplette Gesellschaft moralisch auf eine Bewährungsprobe. Wir sind ohne Ausnahme alle direkt betroffen – gesundheitlich, finanziell, emotional. Und so sind wir alle in der Pflicht zu tun, was wir können – auch die Banken.

Unternehmen, große wie kleine, Selbständige und Freiberufler sind wirtschaftlich in existenzieller Not. Manche greifen auf ihre finanziellen Reserven zurück, um ihr Unternehmen und ihre Belegschaft über die ungewisse Zeit zu tragen. Manche spenden sogar Geld, Zeit, Produktionskapazitäten oder Knowhow für nun dringend benötigte Dinge wie Atemschutzmasken und Beatmungsgeräte.

Von den Banken wird derzeit nicht viel mehr verlangt, als sich operativ „auf die Vergabe von Krediten an die Realwirtschaft zu fokussieren“ und „von Aktienrückkäufen Abstand zu nehmen“ sowie „Ausschüttungen von Dividenden, Gewinnen und Boni sorgfältig abzuwägen“, wie es der Bafin zusammenfasst. Das ist keine wirklich große Herausforderung. Und trotzdem jammert die Branche. 

Sicher, wenn jetzt in Not geratene Verbraucher einen dreimonatigen Zahlungsaufschub für ihre Darlehen bekommen – ohne dass für den Stundungszeitraum weiterhin Zinsen anfallen, dann bedeutet das einen Verlust von Zinserträgen für die Banken. Aber bitte: Warum wollen ausgerechnet die Finanzinstitute, die in der Krise von 2008 staatliche Rettungsschirme selbstverständlich in Anspruch genommen haben, jetzt als einzige Branche Geschäfte machen, als wenn nichts wäre? Solidarität geht anders. Gerade lernen wir ja alle das richtige Händewaschen. Die Grundregel, liebe Banken, ist einfach: Eine Hand wäscht die andere.

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