Unternehmenschefs Super-Männchen statt Alpha-Tiere

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Die Welt ist komplexer

Breuer und Kirch Quelle: dapd

Doch wie wird man eigentlich ein Beta-Bub? Wollten die neuen CEOs einfach nicht mehr Alpha sein? Oder hat sich das System zuerst geändert und mit ihm der Mensch? Das hieße, es ist einfach nicht mehr die Zeit für den Typ Weltenlenker.

Der Führungsjob ist einer, der sich immer weniger kontrollieren lässt – aus drei Gründen:

Erstens ist die Welt komplexer und weniger vorhersagbar als früher. Die Unternehmen arbeiten weltweit: neue Märkte, neue Aufgaben, neue Risiken. Das kann ein Einzelner nicht bewältigen. Der CEO muss Verantwortung delegieren, er braucht ein Team. Allein schafft er es nicht.

Zweitens steigt die Geschwindigkeit. Das erhöht den Druck, schnell zu entscheiden. Gleichzeitig stehen Unternehmenslenker heute unter laufender Beobachtung. Ein falsches Wort kann Millionen kosten. Als der ehemalige Deutsche-Bank-Chef Rolf Breuer vor zehn Jahren in einem Interview die Kreditwürdigkeit des Medienunternehmers Leo Kirch anzweifelte, löste er damit einen Gerichtsstreit aus, der bis heute währt. Es geht um Schadensersatz in Milliardenhöhe. Jede Äußerung wird sofort getwittert, gepostet, gegoogelt. Die Chefs schützen sich, indem sie vorsichtiger werden. Sie preschen nicht mehr vor.

Drittens sind die Anspruchsgruppen aufgeklärter, vernetzter und selbstbewusster als früher. Konzernchefs müssen sich vor Aktionären, Analysten, Journalisten, den eigenen Mitarbeitern, den Bürgern heute viel stärker rechtfertigen als früher. Aktionärsvertreter greifen den Vorstand auf der Hauptversammlung an, Journalisten wollen wissen, ob die Topleute ihre Millionengehälter wert sind, NGOs, ob das Unternehmen auch auf die Umwelt achtet. Der Chef muss liefern – Informationen, Argumente, Selbstverpflichtungen. Der Alleinherrscher wird so notgedrungen zum Dienstleister. Er verliert seinen Nimbus.

Patriarchen kommen nicht mehr durch

"Entzauberung von Autoritäten" nennt der Führungscoach Rastorfer das. "Die Welt verändert sich, und wir verändern uns mit ihr." Wenn die Hierarchie flacher wird, die Kommunikation direkter, die Organisation durchlässiger, dann kommen Patriarchen wie Jürgen Großmann nicht mehr durch. Sie zerschellen am System, und genau das ist Großmann bei RWE passiert. Begreift man Unternehmen als einen Spiegel der Gesellschaft, sind die Beta-Buben ein Produkt ihrer Umwelt.

Die neuen CEOs seien nette Kerle, aber "keine Rollenvorbilder", sagt der Exberater Herbert Henzler. Keine Identifikationsfiguren. Unternehmensführer werden ersetzt durch Unternehmensmarken. Das heißt, nicht Kasper Rorsted stiftet Identität, sondern Henkel. Die Deutsche Post und nicht Frank Appel. Der Chef tritt hinter die Marke zurück.

Genau darin sieht Frank Dopheide ein Problem, mit dem er heute sein Geld verdient. Früher war Dopheide Chairman der Werbeagentur Grey, heute versucht er aus Managern eine Marke zu machen. Die Manager seien austauschbar geworden, beobachtet Dopheide: alle schlank, glatt rasiert, in der Kommunikation trainiert, und in der Freizeit laufen sie Marathon. "Sie sind alle Brüder von Claus Kleber", sagt Dopheide. Es sei schwer, sie als Individuen wahrzunehmen. "Sie sind Funktionsträger geworden. Sie müssen wieder Überzeugungstäter sein."

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