
WirtschaftsWoche: Herr Nink, nach Ihren Berechnungen erleiden die Unternehmen in Deutschland wegen unqualifizierter Führungskräfte jährlich einen Schaden von 105 Milliarden Euro. Wie kommen Sie auf diese hohe Zahl?
Marco Nink: Die volkswirtschaftlichen Kosten von innerer Kündigung entstehen durch Produktivitätseinbußen. Berechnungsgrundlage ist zum einen das Bruttoinlandsprodukt und zum anderen das durchschnittliche Jahresgehalt abhängig Beschäftigter.
Dazu kommt die Zahl der Mitarbeiter sowie die Zahl derjenigen mit hoher, geringer und ohne Bindung, die wir mithilfe von zwölf Kernaussagen zum Arbeitsplatz ermitteln. Dieser Schaden lag übrigens im Jahr 2015 nur zwischen 76 und 99 Milliarden Euro.
Sie warnen davor, dass die Innerlich-Gekündigten ihre Unternehmen verlassen wollen. Wären die nicht aber froh darüber, wenn diese Mitarbeiter weg gingen? Wenn sie doch sowieso nicht mit Hand, Herz und Verstand dabei sind?
Das ist ja genau der Denkfehler, den Unternehmen machen. Innere Kündiger werden gemacht. Unter ihnen sind Personen, die Unternehmen gar nicht verlieren wollen – Fachexperten, Leistungsträger, High-Potentials. Niemand kommt als Innerer Kündiger zu einem Unternehmen.

Vielleicht freuen sich etliche Unternehmen über Fluktuation, um dann jüngere und billigere Mitarbeiter suchen zu können? Oder dass sie Stellen erst mal unbesetzt lassen können und damit Personalkosten sparen?
Neue Mitarbeiter brauchen meist Monate, bis sie wirklich produktiv arbeiten. Außerdem bedeutet jeder Weggang den Verlust von Erfahrung, Fachwissen und Kontakten und wirkt sich zudem negativ auf Betriebsklima und Kundenbeziehungen aus. Nach Gallup-Berechnungen müssen Unternehmen im Schnitt das 1,5-fache des Jahresgehalts eines Mitarbeiters aufwenden, um ihn gleichwertig zu ersetzen – Kosten, die letztlich durch mangelnde Mitarbeiterbindung verursacht werden.
Ihrer Studie zufolge liegt die Schuld bei den Führungskräften, die durch unqualifiziertes Führungsverhalten erst dafür sorgen, dass Mitarbeiter sich nicht mehr einbringen.
Mitarbeiter steigen in aller Regel hoch motiviert ein in den Job. Aber wenn im Laufe der Zeit die grundlegenden Bedürfnisse am Arbeitsplatz nicht befriedigt werden, ziehen sich die Mitarbeiter zurück bis hin zur inneren Kündigung. Das heißt, wenn sie am Arbeitsplatz nicht als Mensch wahrgenommen werden, sie kein Feedback erhalten oder nicht in ihrer Entwicklung gefördert werden. Hier spielt die Führungskraft eine entscheidende Rolle, sie ist für bis zu 70 Prozent der Gründe hierfür verantwortlich.
Gibt es ein Gegenmittel?
Vorgesetzte müssen sich für ihre Mitarbeiter als Mensch interessieren. Beschäftigte wollen nicht als ausführende Nummer gesehen werden, sondern wahrgenommen werden – als Person. Wenn Vorgesetzte nicht mal "Gute Besserung", "Frohe Weihnachten" oder "Glückwunsch zum Geburtstag" sagen, merkt sich ein Mitarbeiter genau das und fühlt sich missachtet. Es geht aber nicht nur um selbstverständliche Gesten, sondern auch um ein klares Interesse an dem, was ein Mitarbeiter leistet, also etwa zu wissen an welchen Aufgaben und Projekten ein Mitarbeiter arbeitet und ihm Zeit für seine beruflichen Belange entgegenzubringen. Dazu gehört auch, sich Zeit für Feedback zu nehmen.
Also einmal im Jahr sich eine Stunde fürs Jahresgespräch nehmen, hilft da nicht?
Mitarbeitergespräche müssen regelmäßiger geführt und effektiver gestaltet werden. So dass Mitarbeiter aus diesen Gesprächen etwas mitnehmen können – es geht um qualitativ hochwertiges Feedback. Die Umfrage-Daten zeigen: Führungskräfte müssen hierin besser befähigt werden. In der Regel hat jeder Mitarbeiter das Ziel, die eigene Person zu entwickeln und will dabei wahrgenommen und unterstützt werden. Statt eines starren Gesprächs, das sich an einem Leitfaden entlang hangelt, ist ein maßgeschneiderter Dialog nötig. Der Mittelpunkt müssen individuelle Leistungen, Bedürfnisse und Entwicklungspotenziale im Vordergrund stehen.
Was Vorgesetzte tun können, damit ihre Angestellten zufrieden sind (und bleiben)
Für die Studie „Die Zeit ist reif. Glücklich arbeiten" hat der Personaldienstleister Robert Half gemeinsam mit dem Beratungsunternehmen Happiness works und dem Statistiker Nic Marks 23.000 Arbeitnehmer befragen lassen, rund 2400 davon aus Deutschland.
Arbeitnehmer und Arbeitgeber sind gleichermaßen für das Betriebsklima zuständig, sagen 46 Prozent der Befragten. Mehr als jeder Dritte erwartet allerdings vom Unternehmen, für das Glück am Arbeitsplatz zu sorgen. Vorgesetzte können natürlich nicht dafür zuständig sein, für jeden den persönlichen Feelgood-Manager zu geben. Für ein besseres Betriebsklima sorgen können sie aber sehr wohl.
Ein Veganer wird beim Schlachter nicht glücklich. Auch nicht, wenn er nur im Büro arbeiten muss. Wer dauerhaft zufriedene Mitarbeiter möchte, sollte nur Leute einstellen, die mit Ihren persönlichen und fachlichen Skills gut zum Unternehmen passen. Ihnen fällt es leichter, sich anzupassen, einzugewöhnen und gute Leistungen zu bringen. Das lohnt sich doppelt: Ein ungeeigneter Mitarbeiter kann die Arbeitsmoral eines gesamten Teams schwächen.
Mitarbeiter wollen Verantwortung übernehmen: Wer das Gefühl hat, selbstständig wichtige Entscheidungen im Job zu treffen, wächst an dieser Herausforderung. Vorgesetzte sollten deshalb Verantwortung abgeben und ihren Mitarbeitern vertrauen. Wer sich sinnvoll in das Unternehmen einbringen kann, fühlt sich diesem auch stärker verbunden.
Wer gute Arbeit leistet, will und soll auch gelobt werden. Zeigen Sie Ihren Mitarbeitern, dass Sie ihre Arbeit und ihren Einsatz schätzen. Echte Anerkennung für gezeigte Leistungen schafft ein positives Arbeitsklima und motiviert Ihre Mitarbeiter zu weiteren Höchstleistungen.
Mitarbeiter, die ihre Aufgaben als sinnvoll erachten, sind stolz auf das, was sie tun – und sie sind stolz auf ihr Unternehmen. Die Studie zeigt, dass sinnstiftende Arbeit einer der wichtigsten Treiber für Freude im Job ist: Angestellte, die einen Sinn in ihrem Tun erkennen, sind 2,4 Mal zufriedner als andere. Machen Sie Ihren Mitarbeitern deshalb klar, wie wichtig ihr Beitrag für den Erfolg des Unternehmens ist.
Leben Sie Fairness im Job vor und lassen Sie Ihre Angestellten an Ihren Entscheidungen teilhaben. Dazu gehört eine transparente Kommunikation: Sprechen Sie mit Ihren Mitarbeitern offen über Gehalt, Karrierechancen und Projekte – ohne dabei ein Teammitglied auszuschließen. Zeigen Sie Ihren Mitarbeitern, dass sie sich jederzeit an Sie wenden können, wenn sie sich ungerecht behandelt fühlen.
Teamgeist, Kollegialität und gelebter Zusammenhalt sind der soziale Klebstoff in jedem Unternehmen. Führungskräfte müssen deshalb mit gutem Beispiel voran gehen: Wenn Sie einen positiven Umgang vorleben, beeinflussen Sie damit Ihr Team, Ihre Kunden und sogar die Kunden Ihrer Kunden.
Gefragt, wann sie im Berufsleben zufrieden oder glücklich sind, sagten Teilnehmer unter anderem: „Ich fühle mich wohl, wenn ich und meine Arbeit geschätzt werden. Wenn meine Meinung ernst genommen wird und ich mich einbringen kann.“ Oder: „Ich habe mich da am wohlsten gefühlt, wo nur Rahmenbedingungen angegeben wurden und ich mich selbst und meine Gedanken einbringen konnte.“ Ein anderer war dann besonders zufrieden, „als wir nach einem sehr stressigen und anstrengenden Vormittag eine Runde Eiscafé von der Chefin spendiert bekommen haben und diesen gemütlich zusammen genießen konnten.“
…in der Praxis heißt das was?
Wie im Coaching müssen sich die Gespräche an den Stärken des Einzelnen orientieren. Chefs sollten ihren Blick in die Zukunft richten, und dabei die Erwartungen, Erfolge und Hürden des Mitarbeiters in den Mittelpunkt stellen. Daraus lassen sich dann individuelle und zielgerichtete Schulungen und Entwicklungsprogramme ableiten.
Um regelmäßig Feedback geben zu können bedarf es einer überschaubaren Anzahl an Mitarbeitern, idealerweise sollte eine Führungskraft nicht mehr als maximal zehn Mitarbeiter führen. Führung erledigt sich nicht einfach nebenbei, sie kostet Zeit. Empfehlenswert sind zwei bis vier Mitarbeitergespräche im Jahr sowie ein regelmäßiger kurzer Austausch zwischendrin. Feedback zur Arbeitsleistung ist ein Ausdruck von Wertschätzung – es signalisiert ich beschäftige mich mit Dir und Deiner Arbeit.
Und die Jahresmitarbeitergespräche laufen derzeit so richtig schief?
In vielen Unternehmen dienen die jährlichen Mitarbeitergespräche einzig und allein dem Zweck, um Gehalts- und Beförderungsentscheidungen zu treffen. Führungskräfte bewerten und ranken ihre Mitarbeiter und vergleichen Sie mit anderen, um zu ermitteln, wer eine Gehaltserhöhung bekommt oder auf der Karriereleiter den nächsten Schritt machen darf. Mit diesem Fokus liegt das Augenmerk des Mitarbeiters allerdings auf dem Gehalt und der Frage nach dem Vermögen der Führungskraft richtig bewertet und gerankt zu haben und weniger darauf, gemeinsam zu erörtern, was der Mitarbeiter geleistet und hervorragend gemacht hat und wie er sich in seiner derzeitigen Rolle oder im Unternehmen weiterentwickeln kann. Dementsprechend verlassen Mitarbeiter die Gespräche häufig mit dem Eindruck `gerichtet‘ worden zu sein statt für ihren weiteren beruflichen Werdegang im Unternehmen Unterstützung und Anregung erfahren zu haben.