Unternehmensführung Plötzlich Chef – was nun?

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Wertschätzung als Schlüssel zum Erfolg

Janssen überlegte nach der schlechten Bewertung, den Job hinzuschmeißen. Vor ähnlichen Situationen stehen Chefs immer wieder: Laut der StepStone-Studie würden immerhin 27 Prozent der Führungskräfte ihren Karriereschritt am liebsten wieder rückgängig machen. Das passiert allerdings in den wenigsten Fällen – die Angst um das Ansehen im Unternehmen ist zu groß. Was also tun? „Ich hatte drei Möglichkeiten: Die Ergebnisse verschweigen, aber das hätten die Mitarbeiter ja gemerkt. Das Unternehmen zurückgeben, aber das ging nicht, weil mein Vater nicht mehr da war. Also entschied ich mich für den Angriff“, erzählt Janssen.

Alles auf Angriff

Der Ort, an dem der Unternehmer eine neue Sicht auf Führung lernte, erschien ihm zunächst ungewöhnlich. „Ich bin ins Kloster gefahren, um zu lernen, wie ich Leute einsetze, damit sie gute Leistungen für das Unternehmen bringen. Aber dann ging es darum, mich selbst zu finden“. Der Benediktinermönch Anselm Grün erklärte Janssen, dass nur jemand führen kann, der sich selbst führen kann. Mit anderen Worten: Nur wer kochen kann, kann es anderen beibringen. „In der Praxis klingt das logisch. Aber wir setzen immer voraus, dass eine gute Fachkraft auch gut führen kann. Dabei stimmt das nicht – bis ich die Meinung der Mitarbeiter erfuhr, war ich der festen Überzeugung, dass ich einen guten Job mache und ich bin sicher, dass es vielen Führungskräften so geht“, sagt Janssen.

Klassische, wissensbasierte Seminare hält der Unternehmer für nur bedingt erfolgversprechend. Sie liefern zwar eine Grundlage, doch gerade junge Führungskräfte sind im Alltag häufig stressigen Situationen ausgesetzt – dann greifen sie eher auf Erfahrungen statt auf Wissen zurück. Um diese Erfahrung zu sammeln, ist eine gute Fehlerkultur nötig: „Man darf nichts aus Angst, etwas falsch zu machen, vermeiden. Es geht darum, neue Erfahrungen zu machen, indem man Entscheidungen trifft und die Verantwortung dafür übernimmt.“

Seine Mitarbeiter hätten weder den Mut noch das Vertrauen gehabt, ihm zu sagen, dass etwas schiefläuft. Deshalb ist eine Grundlage seines neuen Führungsstils, Fragen zu stellen, statt Antworten zu geben. Janssen ist überzeugt: Wer Antworten gibt, nimmt anderen die Möglichkeit, selbst danach zu suchen. Einen guten Chef zeichne es aus, wirklich zuzuhören: „Wenn ich die Meinung und das Wissen meiner Mitarbeiter würdige und bei meinen Entscheidungen berücksichtige, sorgt das für eine ganz andere Motivation“. Dabei sei es wichtig, nicht an den eigenen Ideen zu kleben, sondern offen für andere Sichtweisen zu sein, erläutert Janssen.

Nicht nur Führungskräfte, die neu im Job sind, sollten sich genügend Zeit zur Reflexion nehmen und darüber nachdenken, wie sich das eigene Verhalten auf die Mitarbeiter auswirkt. Dabei sei es hilfreich, sich auch zu fragen, wie die eigenen Gewohnheiten das Arbeitsklima stärken oder schwächen. „Wenn ich zum Beispiel von den Mitarbeitern kritisiert werde, kann ich mich entweder rechtfertigen und ihnen sagen, dass sie zu doof sind – damit schwäche ich aber das Team. Oder ich nehme die Kritik an und mache mir darüber Gedanken. Das ermutigt meine Mitarbeiter, mir weiterhin Feedback zu geben und stärkt die Gemeinschaft“, erklärt Janssen.



Seit der niederschmetternden Mitarbeiterbefragung sind inzwischen zehn Jahre vergangen. Heute ist Janssen einer der beliebtesten Arbeitgeber in Deutschland und Upstalsboom wurde mit zahlreichen Managementpreisen ausgezeichnet, etwa dem „Hospitality HR Award“ für Personalführung in Hotellerie und Gastronomie oder als bester Arbeitgeber mit „Top Job“, einer Auszeichnung für Mittelständische Unternehmen. Der Hotelier hält auch Vorträge über seinen Führungsstil und hat mehrere Managementbücher geschrieben. Auch wenn er gelernt hat, dass es nicht nur um Zahlen geht, untermalen sie den Erfolg seines gewandelten Führungsstils: Seit dem Kulturwandel in der Hotelkette ist die Zufriedenheit der Mitarbeiter gestiegen und die Krankheitsquote um fünf Prozent gefallen. Auch die Unternehmensumsätze sind gestiegen: Drei Jahre nach der Mitarbeiterbefragung steigerten sie sich innerhalb eines Jahres gar um 40 Prozent.

Ob Janssen auch anderen Chefs einen Besuch im Kloster empfehlen würde, wenn es mit dem Management nicht rund läuft? „Ja. Denn in der Stille des Klosters werde ich mir meiner Führungsverantwortung bewusst und entwickle ein Gefühl dafür, was mir bei der Führung von mir selbst und der Führung anderer Menschen wirklich wichtig ist“.

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