Unternehmenskultur In deutschen Unternehmen herrscht Kasernenton

"Jawoll, Chef!" Was der Boss sagt, ist Gesetz - Kritik unerwünscht. In jeder vierten Firma herrschen immer noch Befehl und Gehorsam. Doch mit "nicht denken, gehorchen!" kommt kein Unternehmen auf Dauer weiter.

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Stellen Sie sich bitte einmal folgende Szene vor: Der Vorgesetzte stürmt mit vor Zorn rotem Kopf und wehender Krawatte in das Büro seines Angestellten und brüllt den armen Tropf am Schreibtisch an.

"Warum haben Sie gegen meine ausdrücklichen Anweisungen gehandelt?!"

Der Mitarbeiter rechtfertigt sich: "Weil wir dadurch eine Million Euro gespart haben..."

"Wollen Sie damit sagen, dass meine Entscheidung falsch war?!"

"Ich dachte..."

"Sie sollen nicht denken, Sie sollen gehorchen!"

Zu hoch gegriffen? Unrealistisch? So geht man doch nicht mit seinen Angestellten um? Doch. Für 24 Prozent der Arbeitnehmer in Deutschland ist ein solches Szenario tägliche Realität: Anweisungen der Führungskräfte dürfen nicht hinterfragt werden. Außerdem kritisieren die Chefs kritisieren viel und loben selten.

Das sind Ergebnisse der repräsentativen Studie "Emotionale Führung am Arbeitsplatz" der Personalberatung Rochus Mummert. Demnach verstehen viele Unternehmer unter Führungsstil Befehlston - der Chef hat Recht und der Mitarbeiter zu gehorchen - und zwar unabhängig von Alter oder Geschlecht der Vorgesetzten.

Was gute Führung ausmacht

Prominentestes Beispiel war Volkswagen, wo laut Insidern unter Winterkorn immer ein Klima der Angst geherrscht habe. Der Chef gab die Marschrichtung vor, wie seine Ingenieure die Ziele umsetzten, interessierte dagegen nicht. Hauptsache, sie tun es. Die Folgen dieses Führungsstils sind bekannt, weshalb man sich in Wolfsburg mittlerweile um eine andere Unternehmenskultur bemüht. Denn Kommandos wie "Tun Sie einfach, was ich Ihnen sage!" mögen in Krisensituationen mit einer verunsicherten Belegschaft noch hilfreich sein. Aber sie motivieren die Mitarbeiter nicht. Das schafft nur ein coachender Führungsstil, der die Arbeitnehmer unterstützt, ihr Potenzial voll auszuschöpfen.

Oder, wie Carsten Vollrath, Partner der Denkwerkstatt Innovative Management Partner, sagt: "Unter Befehls- sowie Ergebnisdruck gestaltete Strukturen, Prozesse und Systeme verpuffen nach einiger Zeit meist wirkungslos, da die Veränderungen nicht in den Köpfen und Herzen der Mitarbeiter ankommen."

Wenn ein Unternehmen seine strategische Positionierung und die operative Leistungsfähigkeit nachhaltig verbessern soll, müssen Mitarbeiter und Führungskräfte an einem Strang ziehen und sich freiwillig dafür engagieren. Dafür braucht es eine offene Führungs- und Leistungskultur. Und der erste Schritt dahin ist - auch wenn es schwer fällt - die Mitarbeiter nicht anbrüllen und sich ihre Kritik zumindest anhören.

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