„Wir wollen im Unternehmen zu einem noch stärkeren 'Wir'-Gefühl kommen. Das hat viel mit flachen Hierarchien und der Bereitschaft zu tun, Verantwortung zu übernehmen. Der Weg zum 'Wir' geht einfacher über das Du“, begründete Otto-Chef Schrader seine Entscheidung gegenüber der WirtschaftsWoche. „Das Du ist ein äußeres Zeichen, dass etwas Neues beginnt, eine Art verbaler Startschuss für unser Projekt Kulturwandel 4.0“, sagte er. Und durch das Duzen fallen natürlich auch Barrieren weg, was zu einer produktiveren Zusammenarbeit führen kann.
Außerdem bedeutet das Du nicht zwangsläufig, dass auf einmal ein Umgangston herrscht, wie auf dem Bolzplatz. „Wie im Englischen das 'you' kann auch das 'Du' sowohl freundschaftlich als auch geschäftlich sein“, sagt Bernhard Zirkler, Trainer für Stil und Etikette aus Gießen.
Wer bei der neuen Duz-Kultur mitmachen will, braucht also Fingerspitzengefühl. „In kleinen und mittelständischen Unternehmen erlebte ich öfters, dass der Chef sich siezen lässt, aber seine Mitarbeiter duzt. Diese Ungleichheit muss unter Umständen akzeptiert werden. Grundsätzlich ist das aber eine Respektlosigkeit“, sagt Wunderer. Und Kastner ergänzt: „Die Probleme kommen immer dann, wenn man die einen Mitarbeiter duzt und die anderen nicht. Wenn muss es einheitlich sein.“ Außerdem sollte kein Duz-Zwang herrschen, damit die Mitarbeiter nicht das Gefühl haben, dass ihnen etwas oktroyiert wird. „Ich halte es für schwierig, auf Befehl eine neue Kultur etablieren zu wollen“, sagt Kastner.
Das Du lässt sich nicht rückgängig machen
Und man muss sich im Klaren darüber sein, dass sich das Du nicht rückgängig machen lässt, wie Bürgel sagt. Das ist ein Problem, was besonders in international aufgestellten Unternehmen auftritt, erzählt Kastner. Dann fliegt der Mitarbeiter mit seinem Vorgesetzten Dr. Maier für einen Geschäftstermin nach Amerika, wo er "Herrn Dr. Maier" dann wie alle anderen nur noch Peter nennt. Schließlich ist man in den USA immer beim "you".
So benehmen Sie sich in den USA richtig
Schlagen Sie keine Geschäftstermine am Abend vor. Amerikaner haben zwar kein Problem damit, lange zu arbeiten, doch danach möchten sie schnell nach Hause zur Familie. Abendtermine laufen eher informell mit den Partnern ab.
Halten Sie sich - auch abends - beim Alkoholkonsum zurück. Zum Lunch ist Alkohol sogar nahezu komplett verpönt. Trinken Sie stattdessen Eistee.
Reden Sie Frauen nicht mit „Miss“ an! Das klingt für die meisten so albern wie für uns das „Fräulein“. Meist stellen sich Amerikaner mit ihrem Vornamen vor. Dann sollte man sie auch so ansprechen. Ansonsten mit „Sir“ oder „Madam“.
Auf das obligatorische „How are you?“ nie mit Elogen über die eigene Befindlichkeiten antworten. „I’m fine, thank you” reicht. Der Händedruck ist fest, aber kurz. Wichtig sind Komplimente — etwa über den Blick aus dem Konferenzraum, die Vorbereitung des Meetings, die Stadt, das nette Hotel. Und jammern Sie nicht über Deutschland! Seien sie positiv, das kommt besser an.
Bedanken Sie sich ständig! Bei den Teilnehmern des Meetings für ihr Kommen, ihre Zeit, ihr Engagement. Beim Assistenten, beim Lieferanten. Stellen Sie Teilnehmer einer kleineren Besprechung einzeln vor und teilen Sie den anderen kurz mit, welchen Beitrag jede Person geleistet hat oder leisten wird.
In vielen Branchen - mit Ausnahme der Finanzszene an der Ostküste - geht es tagsüber wenig formal zu. Oft reicht eine Kombination, sogar ohne Schlips. Im Zweifel aber gilt: lieber zu formal als zu lässig, abrüsten geht später immer noch. Für Frauen gilt allerdings überall: nicht zu viel Haut zeigen. Die eher prüden Amerikaner rümpfen darüber die Nase.
Wenn Sie privat nach Hause eingeladen werden, bleiben Sie nicht länger als drei Stunden. Bringen Sie Blumen und eine gute Flasche deutschen Wein mit und referieren Sie kurz über das Anbaugebiet. Vergessen Sie keinesfalls die Dankeskarte am nächsten Tag.
Viele Amerikaner schneiden Fleisch oder Fisch erst in mundgerechte Portionen und essen dann mit der rechten Hand, während die linke im Schoß liegt. Unsere beidhändige Variante wird aber akzeptiert.
Bitte nie Kommentare zum Aussehen einer Person – weder positive noch negative! Das wird oft als sexuelle Belästigung verstanden und hat schon manchen Job gekostet. Loben Sie lieber Leistung und Teamwork.
Machen Sie auf Stehempfängen die Runde. Es ist normal, sich wildfremden Leuten vorzustellen und sich nach kurzem Augenkontakt zu einer Gruppe zu stellen, um diese in ein Gespräch zu verwickeln: Woher kommen Sie? Was machen Sie? Für wen arbeiten Sie? - Dieses „working the crowd“ gilt nicht als aufdringlich, sondern kontaktfreudig. Wundern Sie sich aber nicht, wenn Sie ihr Gesprächspartner nach wenigen Minuten einfach stehen lässt. Auch er nutzt die Zeit zum Networking.
Mit offener Kritik können Amerikaner schlecht umgehen. Selbst wenn die Ergebnisse unterdurchschnittlich sind: Geben Sie zu verstehen, dass der andere sein Bestes gab. Loben Sie kleine Fortschritte und versuchen Sie, kritische Anmerkungen positiv zu kleiden: „That was great, but next time we will even be better.“
Seien Sie pünktlich, auch wenn Amerikaner das laxer handhaben – in großen Städten gibt es nun mal Staus und Verspätungen. Aber erscheinen Sie, andererseits, nie zu früh! Das gilt als extrem unhöflich, vor allem bei privaten Einladungen.
Niemals den US-Präsidenten kritisieren! Politische Themen sind tabu. Lassen Sie sich auch nicht von Fragen wie „Gibt Ihre Kanzlerin eine gute Figur ab?“ zu politischen Vorträgen provozieren. Die Antwort „Ich glaube, sie hat insgesamt ganz gute Presse“ reicht. Weitere Tabuthemen sind Religion, Rasse und Sex. Vorsicht bei Vorträgen über unseren Fußball (der in den USA Soccer heißt)! Das könnte als despektierliche Äußerung über „American Football“ missverstanden werden.
Verteilen Sie Ihre Karten nicht einfach. Fragen Sie lieber nach der Business Card des anderen. Sagt der, seine seien ihm ausgegangen, hat er kein Interesse an weiterem Kontakt. Die eigene Karte bieten Sie nur an, wenn Ihr Gespräch über Höflichkeitsfloskeln hinaus ging.
Kaum sind die Geschäftspartner aus dem Raum, wird das gute alte Sie wieder hervorgeholt. Spätestens aber im Flugzeug zurück nach Hause. Hier hilft nur, vor Abflug zu klären, wie man in beiden Kulturkreisen miteinander umgehen will.
Trotzdem: Das Du wird sich durchsetzen, wenn auch nicht in allen Branchen. Innerhalb gleicher Hierarchiegruppen ist das Duzen ohnehin seit gut 30 Jahren üblich, wie Wunderer sagt. Dass der Chef jetzt duzt und geduzt wird, ist also nur die Konsequenz. „Die Kultur ändert sich, junge Leuten duzen und wollen geduzt werden“, sagt er. Das sehe man ja an Otto. „Das Unternehmen Otto war bei solchen Themen immer schon eher großzügig - und es hat einen vergleichsweise jungen Chef.“
Auch Kastner glaubt an einen durchschlagenden Erfolg des Berufs-Dus über die Hierarchiestufen hinweg. „Das Duzen liegt auch an der Globalisierung und dem Englischen. Dann wollen sicher einige Unternehmen ein junges, dynamisches Image. Insofern kann ich mir schon vorstellen, dass sich das verbreitet.“
Es wird also offenbar Zeit, dass der distanzierte Durchschnittsdeutsche seine Dienst-ist-Dienst-und-Schnaps-ist-Schnaps-Mentalität ab- oder sich ein dickes Fell zulegt. Für den Fall, dass morgen der Azubi sagt: „Hey Chef, kannst du mir mehr Urlaub geben?“