Unternehmenskultur Misstrauen zerstört die Produktivität der Mitarbeiter

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Weltmeister im Optimieren, Kreisklasse bei Innovationen

Auch bei den Betrieben, die schon längst smarte Fabriken haben, falle die Unternehmenskultur ins Gewicht: „Industrie 4.0 hat zwei grundlegende Funktionen“, so Geissbauer. „Zum einen sorgt sie für zusätzlichen Umsatz durch neue, digitale Produkte und Dienstleistungen. Und zum anderen sorgt sie für eine effizientere Fertigung und geringere Kosten. Beim Thema Effizienz sind wir Deutschen Weltmeister, da machen uns auch Japan und die USA nichts vor.“ Optimieren - schneller, besser, billiger – können die Unternehmen gut. Beim Entwickeln neuer digitaler Produkte sind sie unkreativ.

Geissbauer spricht von großem Nachholbedarf. „Die meisten neuen digitalen Produkte, Geschäftsmodelle und Services kommen aus den USA.“ Auch vor China habe er sehr großen Respekt, da die dortigen Betriebe ihre Effizienz rasant steigerten und über eine sehr große, digital affine Arbeitnehmerschaft verfügten. Das Problem in einem Satz: Bei den Innovationen graben die Amerikaner den Deutschen schon heute das Wasser ab und bei der Effizienz könnten die Deutschen ihren Titel morgen an die Chinesen verlieren.

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Von den Umsätzen einmal abgesehen, macht die Unternehmenskultur Betriebe auch als Arbeitgeber attraktiv oder unattraktiv: Zahlreiche Studien zeigen, dass für Bewerber ab einer gewissen Einkommensklasse das Arbeitsklima und die Kultur deutlich wichtiger sind als Gehalt und Boni.

Die Unternehmenskultur nachhaltig zu verändern, ist allerdings nicht leicht. Denn jeder versteht etwas anderes unter dem schwammigen Begriff. Die von Pwc befragten Industrieunternehmen interpretieren digitale Kultur als die Offenheit ihrer Mitarbeiter gegenüber Veränderungen. Diejenigen, die eine fehlende digitale Unternehmenskultur beklagen, sagten dass die Belegschaft digitalen Veränderungen ablehnend gegenüber stünde. Industrie-4.0-Experte Geissbauer versteht darunter hingegen die Einstellung der Führungskräfte. Digitale Kultur könne nur entstehen, wenn Chefs lebenslanges Lernen etablierten, ihren Mitarbeitern den Nutzen der Veränderung verständlich machen könnten, Begeisterung für die Vernetzung weckten und selbst mit gutem Beispiel vorangingen.

Ein Tischkicker macht noch keine Kultur

Stephan Penning, ein auf Change-Management spezialisierter Berater, bezeichnet die Unternehmenskultur als die Summe der Gewohnheiten einer Organisation. Dürfen Mitarbeiter frei entscheiden, wie sie ihre Arbeit machen? Gehört Transparenz zum Unternehmen oder herrscht Geheimniskrämerei? Wie ist der Umgang mit Kunden und Lieferanten? Wie arbeiten Teams miteinander und wer organisiert sie? Schleppen sich die Angestellten mit Fieber ins Büro oder schicken die Chefs ihre Leute nach Hause, wenn sie nicht fit sind? Was passiert, wenn jemand einen Fehler macht?

Deswegen ließe sich eine Unternehmenskultur nicht durch einen Tischkicker oder mit einer pompösen Veranstaltung verändern. "Die Unternehmenskultur ist immer das Resultat der formalen Strukturen", so Penning. Diese gelte es zu verändern.

Er spricht von neuralgischen Knoten im Unternehmen. Das Management müsse sich also fragen: "Was in unserer Kultur behindert zum Beispiel exzellente Performance?", so der Berater. Man solle sich im Klaren sein, dass diese Fragen beziehungsweise die Antworten darauf unweigerlich zu Konfliktsituationen führten.

Penning spricht außerdem von einem Prozess der kleinen Schritte. "Veränderungsansätze müssen ausprobiert und die Wirkung genau beobachtet werden." Die gute Nachricht: "Die Konflikte mit dem höchsten Leidensdruck lassen sich auch am schnellsten lösen" sagt er.

Beteiligung: So viel wie nötig, so wenig wie möglich

Dafür sei es aber wichtig, dass schnelle Entscheidungen getroffen werden. Allgemein ist Penning – entgegen des Trends – kein Freund von allumfassender Beteiligung. "Partizipation gilt es funktional einzusetzen. Sie muss stets einen konkreten Zweck erfüllen. Sonst ist sie wirkungslos oder eher hinderlich." Wer das komplette Unternehmen vom Pförtner bis zum CFO darüber abstimmen lasse, ob die Expansion nach China eine gute Idee ist, lähme sich nur selbst. "Gerade in der Kulturentwicklung ist es die zentrale Aufgabe der Top-Führungskräfte, die Veränderungen ganz bewusst zu steuern", sagt Penning. "Dazu bedarf es einer klaren Linie."

Ob das Unternehmen letztlich Top down oder Bottom up geführt werde, oder ob es flache Hierarchien mit einem Entscheider an der Spitze gebe, sei dagegen egal, sagt Penning. "Auf den Mix kommt es an. Manche Situationen erfordern das eine oder andere Modell."

 

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