Warum?
Zunächst: Sie ist Medienprofi, sie weiß um die Wirkung von Worten und Sprachbildern. Sie kennt die Mechanismen bundesweiter Kommunikation bestens. Wer mit diesem Wissen solche Aussagen tätigt, handelt bewusst und damit unanständig. Dazu kommt ihre Rolle als Leitende Geistliche und Person des öffentlichen Lebens.
Was meinen Sie damit? Wollen Sie Frau Käßmann einen Maulkorb verpassen?
Nein, aber sie hat eine Aufgabe, die sie sich selbst gewählt hat. Bischöfin. Jetzt außer Dienst, aber immer noch Leuchtturm. Die Aufgabe einer Bischöfin ist doch nicht, Menschen an den Pranger zu stellen und schon gar nicht ganze Berufsgruppen. Ihre Aufgabe ist, Wogen zu glätten, zu versöhnen statt zu spalten. Menschen zusammenzubringen und dann den reuigen Sündern beizustehen aus der Verfehlung herauszukommen und einen echten Neuanfang zu schaffen. Menschen in ihrer Sittlichkeit aus dem Glauben heraus zu stärken, das sind Aufgaben. Den Menschen einen Ausweg aus ihrer inneren Not zu zeigen. Und Individualethik zu fördern. In diesem Fall eine evangelische. Aber das geht nicht, wenn man Menschen an den Pranger stellt und mit Pauschalverurteilungen öffentlichen Beifall erzeugt. Mir kommt das vor wie im Mittelalter. Da hat das Volk auf den Marktplätzen auch gejohlt.
Was erwarten Sie dann konkret? Frau Käßmann kann doch nicht bei VW selbst für Ordnung sorgen.
In Abwandlung des Buchtitels „Kirche, wo warst Du?“, frage ich Margot Käßmann, „Schwester, wo warst Du“? Sie war Landesbischöfin in Hannover. Da ist VW. Eine Landesbischöfin hat zu allen ersten Adressen im Bereich ihrer Landeskirche direkten Zugang. Wie hat sie diesen genutzt? Es reicht doch nicht, mit dem nackten Finger öffentlich auf die Manager zu zeigen und zu rufen: „Seht, sie werden immer schlechter“. Es wäre überzeugend und zugleich ermutigend zu verstehen, was die Angebote von Frau Dr. Käßmann waren, um VW und seine Führung vor dem zu bewahren, was wir jetzt erleben. Sie selbst fordert in dem Interview Transparenz. Hier hätte sie die Chance, selbst welche zu erzeugen. Was hat sie Herrn Piech oder Herrn Winterkorn angeboten, um die Nöte der Menschen, die in die Skandale verwickelt wurden, zu lindern? Was den Managern in den Ebenen darunter? Was war die Hilfestellung, aus dem Teufelskreis der Lügen herauszukommen? Was ist der verantwortungsethische Beitrag der Hannoverschen Landeskirche unter ihrer Bischöfin Käßmann, um den Konzern VW sauber zu halten? Welche Systeme muss man wie ändern, welche Institutionen wie ausgestalten, damit kriminelle Vorfälle unmöglich werden und sich sittliches Verhalten durchsetzt? Was schlägt uns die Kirche mit ihrem 500 Jahre alten protestantischen und 2000 Jahre alten christlichen Erfahrungen vor? Was zieht sie für ethische Handlungshilfen aus der Bibel und dem Glauben und wie gibt sie diese weiter?
Fragen & Antworten: Jedes zweite Kartellverfahren wird durch Kronzeugen aufgedeckt
Der Verdacht gegen große deutsche Autobauer, ein Kartell gebildet zu haben, wiegt schwer. Sollte es zutreffen, dass sich - wie der „Spiegel“ am 21. Juli 2017 berichtet - Volkswagen, Audi, Porsche, BMW und Daimler über Jahre untereinander unter anderem über Technik und Kosten absprachen, wäre dies ein neuer, aufsehenerregender Fall. Der Kampf der Wettbewerbshüter für mehr Markttransparenz ist im 60. Jahr des deutschen Kartellrechts aktueller denn je. Zentrales Thema des Bundeskartellamts mit seinem Chef Andreas Mundt ist der Schutz der Verbraucher. Neben der Wettbewerbsaufsicht zählen auch noch die Fusionskontrolle sowie die Missbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen zu den Aufgaben der Behörde.
Quelle:dpa
Definiert ist es als Zusammenschluss von Unternehmen, die rechtlich und wirtschaftlich weitgehend selbstständig bleiben, aber etwa durch Preisabsprachen den Wettbewerb ausschalten. Tatsächlich ist es das erklärte Ziel des Bundeskartellamts, den Wettbewerb gegen jede Beschränkung zu schützen. Dabei kann es um rechtswidrige Absprachen über Preise zwischen einzelnen Unternehmen oder in ganzen Branchen gehen. Hintergrund ist die Überzeugung, dass Kartelle den Wettbewerb aushebeln und damit den „Motor der Marktwirtschaft“ zum Schaden von Kunden und Verbrauchern zum Stottern bringen. Dies kann etwa durch künstlich hoch gehaltene Preise oder beschränkte Mengen geschehen.
Kartellstrategien werden in der Regel im Geheimen besprochen, sie sind daher nur schwer aufzudecken und nachzuweisen. Bei seinen Ermittlungen ist das Bundeskartellamt daher weitgehend auf Hinweise von Eingeweihten angewiesen. Auf ihrer Internet-Seite fordert die Behörde offensiv: „Melden Sie sich bei uns, wenn Sie Hinweise auf illegale Absprachen haben!“ Dabei werden auch anonyme Hinweise telefonisch oder schriftlich entgegengenommen. Eine Rückverfolgung derartiger Hinweise ist dabei technisch ausdrücklich ausgeschlossen. Dazu kommen eigene Ermittlungen etwa auf der Grundlage anderer Verfahren, wenn die Verhältnisse in einem Markt verdächtig scheinen.
An einem Kartell Beteiligte haben so die Chance, im günstigsten Fall durch die sogenannte Kronzeugenregelung straffrei zu bleiben. Etwa jedes zweite Verfahren wird so ins Rollen gebracht. Derartige Anträge können jedoch nicht anonym gestellt werden. Es gilt dabei eine abgestufte Bonusregelung: Nur wer sich offenbart, bevor auch nur der leiseste Anfangsverdacht besteht, kann auf die vollen 100 Prozent hoffen. Eine spätere Kooperation wird nur noch mit abgestuften Abschlägen an einem späteren Bußgeld honoriert.
Das Bundeskartellamt verhängt Bußgelder, es vertritt aber nicht die möglichen Schadenersatz-Forderungen von Betroffenen. Kartell-Geschädigte müssen ihre Ansprüche daher in separaten Verfahren notfalls vor Gericht durchsetzen. Dabei steigen die Chancen jedoch deutlich, wenn die Wettbewerbsbehörde zuvor ein offizielles Kartellverfahren eingeleitet und vielleicht schon abgeschlossen hat.
Das Bundeskartellamt ermittelt in den unterschiedlichsten Branchen. In der jüngsten Zeit hatten unter anderem Verfahren gegen Zuckerhersteller und Bierbrauer für Schlagzeilen gesorgt. Aber auch Autozulieferer sind ins Visier der Bonner Kartellwächter geraten.
Aber ist das wirklich die Aufgabe von Kirche?
Was denn sonst? Es kann doch nicht nur um Nachsorge gehen. Wenn dann erst der Gefängnispfarrer sich der Seele des verurteilten Kriminellen annimmt, ist es doch bereits passiert. Es geht nicht um göttliche Trostpflaster. Margot Käßmann hat bei ihrem Rücktritt von ihren Ämtern Arno Pötzsch aus dem Evangelischen Gesangbuch (EG 533) zitiert: Du kannst nicht tiefer fallen als in Gottes Hand. Ohne Frage gilt das auch für Herrn Winterkorn und die beteiligten Führungskräfte und Ingenieure. Aber was tun wir, damit diese Hand nicht als Trampolin missverstanden wird, dessen Reißfestigkeit man beliebig testen kann? Es ist die Aufgabe der Evangelischen Kirche zu zeigen, wie man evangelisch erfolgreich wirtschaften kann. Die Soziale Marktwirtschaft ist ein Produkt des Protestantismus. Da hatte Bonhoeffer am Konzept seine Finger dran. All das gehört zu den Aufgaben der Kirche.
Sie haben auch Kritik an den Äußerungen zur Rolle der Mitarbeiter. Was stört Sie daran?
Frau Dr. Käßmanns Aussagen zu den Möglichkeiten, sich als Mitarbeiter einzubringen sind hanebüchen. Woher zieht Sie dieses „Un“-Wissen? Ihre Aussagen erlauben nur zwei Hypothesen. Die eine heißt: Frau Dr. Käßmann berichtet aus ihrem eigenen Führungsalltag und ihren eigenen Führungserfahrungen in der Evangelischen Kirche. Das gäbe uns einen erschreckenden Einblick in die Führungsstrukturen und Organisation der Kirche, weil offenbar würde, dass die Kirche in den 50er bis 70er Jahren des letzten Jahrhunderts steckengeblieben wäre, wenn dieses Bild stimmen würde. Das hieße, in Führung und Organisation wäre die Kirche 40 – 60 Jahre hinterher.
Und die andere?
Die andere lautet: Frau Dr. Käßmann hat sehr lange kein Unternehmen besucht oder mit Mitarbeitern gesprochen. Wem in Zeiten von townhall meetings, Reviewboards, Corporate Governance Initiativen, anonymen Whistleblower Systemen in den Unternehmen, 360Grad Bewertungen innen und Bewertungsportalen außen und an Prozessen orientierten Arbeitsabläufen als erstes einfällt, die Einbringung von Themen und das Bekämpfen von Missständen sei Mitarbeitern im Jahresgespräch, oder gegenüber ihrem Betriebsrat oder den Gewerkschaften möglich, dessen Bild stimmt einfach fundamental nicht mit der Realität in deutschen Unternehmen überein, und zwar vom Dax-Konzern bis zum Handwerksbetrieb. Täglich kann man sich einbringen. Frau Dr. Käßmanns Bild vom Mitarbeitenden stammt definitiv eher aus dem Zeitalter der frühen Industrialisierung und den ersten Tagen der Mitbestimmung als aus dem 21. Jahrhundert. Wer als Führungskraft seine Mitarbeiter nicht ernst nimmt, ist schlichtweg keine Führungskraft. Angesichts des Fachkräftemangels gäbe es zudem eine Abstimmung mit den Füßen und die würde in den Unternehmen schnell auffallen.
Aber Sie stimmen ihr doch wenigstens zu, dass Menschen besser arbeiten, wenn sie sich wohlfühlen und Vertrauen haben.
Vertrauen ist das Grundkapital der Wirtschaft. Nach innen wie nach außen. Es ist die Basis für Erfolg. Schon Robert Bosch hat gesagt, er verliere lieber Geld als Vertrauen und hat damit ein Unternehmen groß gemacht. Zum Glück zeigen ja auch all die Umfragen zur Mitarbeiterzufriedenheit, Absolventenbefragungen, Kundenbefragungen, dass das Vertrauen im Durchschnitt gut ist und weiterhin besser wird. Und sie zeigen, dass Mitarbeiter wie Kunden zwischen den illegitimen oder gar kriminellen Handlungen Einzelner oder von Seilschaften einerseits und der ethischen Basis eines Unternehmens andererseits unterscheiden. Die Menschen sind lebensklug. Die Welt ist eben nicht schwarz weiß.