Bezos ficht die Kritik bislang wenig an. Es sei schließlich sein Job, „kühne Wetten“ einzugehen, sagte er einmal. Von kühn zu größenwahnsinnig ist es nicht weit. Das bestätigt auch Experte Frey. Er sagt: „Oft ist die chronische Überschätzung verbunden mit Narzissmus („I, Myself and Me“), wo Leute sich im Rampenlicht sehen, und sie werden eben eher mehr bewundert, wenn sie großartige Dinge ankündigen.“ Und je mehr Macht jemand hat, desto größer die Selbstüberschätzung.
Die beiden Ökonomie-Nobelpreisträger Daniel Kahneman und Amos Tversky sprechen in dem Zusammenhang vom Overconfidence-Effekt.
Ohnehin hält sich demnach jeder für den Klügsten, den besten Autofahrer, den besten Chef. Und je schwieriger die Aufgabe, desto größer die Selbstüberschätzung. Wer dann noch die Macht hat, mit seinen Mitarbeitern umzuspringen, wie es ihm passt oder Geld zu verbrennen, der wird es tun. Und zwar, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen. Denn wer sich über die Regeln hinweg setzt, gilt in der allgemeinen Wahrnehmung als durchsetzungsstark, ein echter Entscheidungsträger eben. Das hat zumindest der Sozialpsychologe Gerben van Kleef von der Universität von Amsterdam belegt. „Regelbrecher wirken mächtiger“, sagt van Kleef, „weil sie den Eindruck machen, sie könnten sich alles erlauben.“
Führungstipps aus dem Buch "Die Macht der Macht"
Einen praktischen Leitfaden zum Umgang mit Macht hat in diesem Sommer Reiner Neumann herausgebracht. Der Berater erklärt in „Die Macht der Macht“, worauf Führungspersönlichkeiten achten müssen, um ihre Macht zu steigern und vor allem zu erhalten. Hier einige Auszüge.
Gesten mit beiden Händen wirken sehr viel stärker und dynamischer als die mit einer Hand. Vermeiden Sie Gesten mit negativem Gehalt wie erhobene Zeigefinger oder vor der Brust verschränkte Arme.
Vermitteln Sie Souveränität durch ruhiges Sprechtempo und gut gewählte Pausen. Das zeugt davon, dass Sie keine Angst vor Unterbrechungen haben. Betonen Sie maximal zwei Wörter pro Satz und passen Sie die Lautstärke der Größe des Raumes an.
Menschen mit Macht unterbrechen, Menschen ohne werden unterbrochen. Es ist nicht höflich, aber wirkungsvoll. Sorgen Sie dafür, wenn man Sie mal unterbricht, dass Sie Ihren Gedanken zu Ende bringen können.
Macht hat, wer die Regeln definiert. Übernehmen Sie keine Normen blind vom Vorgänger. Regeln schaffen Sicherheit und Vertrauen, schränken bisweilen aber auch zu stark ein. Ideal ist es, wenn nicht der Chef, sondern die Allgemeinheit Verstöße ahndet.
Macht und Dominanz strahlt man – bisweilen auch zu viel – aus durch entspanntes Zurücklehnen, gespreizte Beine, weit geöffnete Augen und hochgezogene Brauen. Bemühen Sie sich um flüssige Bewegungen und vermeiden Sie keinen Blickkontakt – das ist ein Zeichen von Schwäche.
Geben und Nehmen: Der beste Einstieg ist eine Investition von Ihrer Seite – gehen Sie in Vorleistung. Pflegen Sie Beziehungen durch regelmäßiges Kontaktieren und zeigen Sie Interesse für den Anderen. Und seien Sie verlässlich, auch wenn es mal schwer fällt.
Mal ist es ein eigenes Büro, bei einigen ein Firmenwagen oder die Zahl der Sekretärinnen: Symbole zeigen, wie mächtig ein Manager ist. Nutzen Sie diese Symbole und setzen Sie sie geschickt ein.
Kämpfen Sie um die Projekte, mit denen Sie glänzen können: Überschaubares Risiko, hohes Prestige und die Aufmerksamkeit des Top-Managements sind die wesentlichen Kriterien.
Den Glaube, sich alles erlauben und alles erreichen zu können, hatte auch Wendelin Wiedeking verinnerlicht – am Ende führte es aber zu seinem Scheitern. In über einem Jahrzehnt beharrlicher Arbeit hatte der gebürtige Westfale den kurz vor der Pleite stehenden Autobauer Porsche zu einer wahren Ertragsperle gemacht. Selbst anfangs kritisch beäugte Projekte wie der Einsteiger-Porsche Boxster oder das SUV Cayenne – ein wahrer Frevel für die Sportwagen-Jünger – schlugen am Markt ein und erweckten bei dem Porsche-Chef wohl das Gefühl, aus allem einen Erfolg machen zu können.
Dann wagte sich Wiedeking an sein Meisterstück: Der kleine Sportwagenbauer aus Zuffenhausen sollte den Riesenkonzern Volkswagen übernehmen. Nicht, weil es eine betriebswirtschaftliche Notwendigkeit war und er einen kühlen Logik folgen würde – wie weithin von einem Unternehmenslenker erwartet –, sondern weil er es konnte. Mit gewagten Finanzgeschäften, Optionsscheinen und Krediten formte Wiedeking zusammen mit seinem talentierten Finanzchef Holger Härter aus Porsche einen Hedgefonds mit angeschlossener Autofabrik. Er wollte es allen zeigen.
Doch statt auf der Überholspur endete der Übernahme-Versuch für Wiedeking im Abseits. Die Finanzkrise brachte das Transaktions-Kartenhaus zum Einstürzen. Die genauen Umstände des Scheiterns beschäftigen die Gerichte bis heute, Porsche ist längst Teil des VW-Konzerns und Wiedeking wurde – allen Verdiensten in seinen 17 Jahren als Porsche-Lenker zum Trotz – vom Hof gejagt.
Einsicht kam bei Wiedeking erst, als es bereits zu spät war. Im Januar 2009, als die Banken die Schlinge bereits langsam zuzogen, sagte Wiedeking auf der Porsche-Hauptversammlung: „Die Krise macht uns mit messerscharfer Eindringlichkeit bewusst, dass der Erfolg von gestern Geschichte ist. Und sie lehrt und, was wir zwar wissen, aber im Erfolgsrausch allzu gerne verdrängen, dass er jeden Tag neu erarbeitet werden muss.“
In den Ohren mancher Spekulanten, die bei dem Debakel Milliarden verloren haben, mag das wie Spott klingen. Hinterher ist man halt immer schlauer. Aber mit Demut hat es noch selten einer zum Weltstar geschafft.