Vetternwirtschaft Wie Freundschaften für Unternehmen gefährlich werden

Guten Freunden gibt man einen Bonus: Eine Studie zeigt, dass Manager, die miteinander befreundet sind, ihrem Kumpel gerne mal ein Pöstchen oder eine Extrazahlung zuschustern. Darunter müssen die Angestellten leiden - oder das Wachstum.

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Befreundete Manager können ihrem Unternehmen Schaden zufügen. Quelle: Fotolia

Ein Freund, ein guter Freund: Laut einer Umfrage des Online-Jobportals Monster sind 40 Prozent der deutschen Arbeitnehmer mit ihren Kollegen zumindest oberflächlich befreundet. Und jeder Dritte arbeitet sogar mit seinem besten Freund Schreibtisch an Schreibtisch, wie eine Studie des Forschungsinstituts Gallup zeigt. Kein Wunder: Verbringen wir doch mehr Zeit am Arbeitsplatz, als mit unserer Familie, unseren Hobbies oder alten Freunden aus der Uni. Wer täglich neun Stunden neben Feinden sitzt, vereinsamt. Wer dagegen Freunde oder zumindest freundschaftliche Beziehungen zu Kollegen hat, ist nicht nur engagierter, sondern auch produktiver, wie Studien beweisen.

Ein ähnliches Ergebnis lieferte auch eine Befragung der WirtschaftsWoche unter Mitarbeitern der Targobank in Düsseldorf: Freundschaft am Arbeitsplatz ist für alle ein Thema, unabhängig von Alter, Geschlecht und Position. Wer mit seinen Kollegen auf derselben Wellenlänge liegt, hat nicht nur mehr Spaß bei der Arbeit. Auch von Vorteilen wie einander "den Rücken stärken", "mehr Hilfsbereitschaft" und damit "effizienterem Arbeiten" ist die Rede. Freundschaften am Arbeitsplatz lohnen sich also nicht nur für die Mitarbeiter, sondern auch für den Arbeitgeber.

Ist die freundliche Dame aus der Buchhaltung mit dem Controller befreundet, kann das dem Betrieb nutzen. Spielt sich eine Freundschaft jedoch in den Führungsetagen ab, kann das Risiken bergen. So zeigt eine Studie der American Accounting Association mit dem Titel "Will Disclosure of Friendship Ties between Directors and C.E.O.s Yield Perverse Effects?", dass sich Freunde auch dann noch gegenseitig Boni zuschustern, wenn sie damit das Unternehmen gefährden.

So weit gehen Manager für die Karriere
Vielen erfahrenen Managern vergeht im Laufe der Zeit die Lust an dem, was sie tun. Ihr Wunsch nach Veränderung wächst. Für den nächsten beruflichen Schritt würden sie viel aufgeben – aber längst nicht alles: Gehaltseinbußen hinnehmen wollen nur 26,1 Prozent der Befragten. Quelle: dpa
88,9 Prozent der Befragten wären theoretisch bereit, in eine andere Branche zu wechseln. Es ist ein gewagter Schritt: Bekannte Strukturen aufgeben und zu neuen Ufern aufbrechen. Der Neustart kann aber auch heilende Wirkung haben. Quelle: dpa Picture-Alliance
Den thematischen Schwerpunkt verlagern, neue Bereiche erschließen – hinter diesen staubigen Begriffen kann sich auch eine Chance verbergen. 80,2 Prozent der Befragten wären bereit, sich umzuorientieren und fachlich in eine neue Richtung zu gehen. Quelle: dpa Picture-Alliance
Die seit der Schulzeit schlummernden Französischkenntnisse auffrischen, die Sprache aufstrebender Märkte pauken – neben einer lohnenswerten Bewusstseinserweiterung birgt die Entscheidung auch größere Verdienstchancen. 70,5 Prozent der gefragten Führungskräfte sind bereit, eine neue Sprache zu erlernen. Quelle: dpa Picture-Alliance
Die Möbelpacker können kommen: 64 Prozent der Befragten können sich vorstellen, für einen neuen oder besseren Job innerhalb Deutschlands den Wohnsitz zu wechseln. Auch wenn man sich dann womöglich erst einmal entwurzelt fühlt – die Karriere könnte es einem danken. Quelle: dpa Picture-Alliance
Deadlines, Aktenordner, unbeantwortete E-Mails: Viele Deutsche erleben puren Stress am Arbeitsplatz. Da ist man froh, nach einer langen Schicht Feierabend zu machen. Doch laut Odgers Berndtson wären 56,4 Prozent der befragten Manager bereit, eine höhere Wochenarbeitszeit zu akzeptieren – wenn es sie dann auch weiterbringt. Quelle: dpa Picture-Alliance
Manchmal muss man auch mal zurückstecken können. Zu einem Rückschritt in der Hierarchieebene sind laut Umfrage 46,1 Prozent bereit. Wenn der ehemalige Abteilungsleiter plötzlich wieder einen direkten Chef über sich hat, erfordert das erst einmal Eingewöhnungszeitung. Doch die kann sich lohnen. Quelle: imago images

Das Experiment

Für die nicht repräsentative Studie wurden 56 Geschäftsführer verschiedener Unternehmen in Gruppen eingeteilt. Im Schnitt hatten alle 30 Jahre Berufserfahrung und saßen bereits in mehreren Aufsichtsgremien. Ein Viertel von ihnen war bereits in einem Prüfungsausschuss eines Betriebs aktiv gewesen. Diese erfahrenen Geschäftsleute nahmen nun an einem Rollenspiel teil: Sie alle sollten sich vorstellen, Vorstandsmitglied eines Biotechnologie-Unternehmens zu sein, das demnächst seine Jahreszahlen veröffentlicht.

Freundschaft im Management ist bares Geld wert

Die Ausgangssituation: Ursprünglich hatte das fiktive Unternehmen mit einem Gewinn von 805 Millionen Dollar gerechnet, tatsächlich wurden es nur 800 Millionen Dollar. Bei einem Gewinn von 810 Millionen Dollar winkt dem Vorstandsvorsitzenden ein Bonus. Jetzt sollten sich zwei Drittel der Studienteilnehmer vorstellen, sie wären eng mit dem Vorstandsvorsitzenden befreundet, der aufgrund des unerwartet niedrigen Gewinns ohne Bonus würde nach Hause gehen müssen. Wiederum die Hälfte dieser Gruppe sollte davon ausgehen, dass ihre Freundschaft sowohl dem Management als auch den Aktionären bekannt ist. Die übrigen Teilnehmer haben dem Szenario nach keine freundschaftliche Bindung zum Vorstandschef.

Die Herausforderung: Die Geschäftsführer haben eine Möglichkeit, trotz der Gewinnzahlen ihrem Freund im Vorstand einen Bonus zukommen zu lassen. Allerdings müssen sie dafür das 40 Millionen Dollar schwere Forschungsbudget des Unternehmens angreifen. Zwacken sie von diesem Etat eine Million Dollar ab, steigt allerdings auch das Risiko, von der Konkurrenz überholt zu werden, um ein Prozent. Bei zwei Millionen sind es zwei Prozent, bei drei Millionen drei Prozent und so weiter und so fort.

Die Fragestellung: Bekommt der Vorstandsvorsitzende einen Bonus und falls ja, wie hoch wird er ausfallen?

46 Prozent der Geschäftsführer, die mit dem Vorstandschef befreundet waren, wollten das Forschungsbudget um mindestens ein Viertel kürzen, um ihrem Kumpel seinen Bonus zu ermöglichen. Von der Vergleichsgruppe, die keine freundschaftliche Beziehung hegte, wollten dies nur sechs Prozent tun. Einem guten Freund gibt man eben auch mal einen unverdienten Bonus.

Erstaunlich ist aber, dass auch diejenigen aus der Gruppe, die ihre Freundschaft publik gemacht haben, am Budget für Forschung und Entwicklung säbeln würden. 62 Prozent aus dieser Gruppe sagten, sie würden den Etat um zehn Millionen Dollar oder mehr kürzen, um ihrem Golfkumpel seinen Bonus zukommen zu lassen. Und das, obwohl sie wissen, dass damit das Risiko von der Konkurrenz überholt zu werden um zehn Prozent steigt.

Aus der Gruppe, die eine heimliche Freundschaft hegen sollte, entschieden sich nur 28 Prozent für eine Budgetkürzung zugunsten ihres Freundes.

Das Team um Studienautor Jacob M. Rose von der Bentley University war mehr als überrascht, dass so viele erfahrene Geschäftsführer bereit gewesen wären, die Zukunft ihrer Firma zu riskieren, nur um einem Freund einen Gefallen zu tun. "In der Realität ist dieser Freundschaftseffekt wahrscheinlich viel, viel größer als im Labor", fürchtet er.

Dass besonders diejenigen, die ihre Freundschaft zum Vorstandschef öffentlich gemacht haben, in die Kasse greifen würden, erklärt er so: "Viele Geschäftsführer scheinen zu glauben, dass die Offenbarung ihrer Freundschaft zum Vorstandsboss ein Freifahrtschein dafür ist, dass sie sein Interesse über das der Firma stellen".

Allein das Zugeben dieser persönlichen Beziehung sorge für Transparenz. "Wenn man solche Dinge mitteilt, hat man das Gefühl, seinen Verpflichtungen nachgekommen zu sein", so Rose. Sorgen darüber, wegen Vetternwirtschaft aufzufallen, machten sich nur wenige. "Schließlich war jeder gewarnt."

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