Flexibilität heißt also, alles einmal ausprobiert zu haben?
Ein Indikator für Erfolg ist für mich, wenn jemand auch mal auf die Nase gefallen, gescheitert ist - und wieder aufgestanden ist. Wenn der sich dann dreimal geschüttelt hat und dann bereit ist, weiter zu kämpfen, ist mir das lieber, als der glatte Lebenslauf. Unternehmen leben schließlich auch von der Vielfalt.
Ist Scheitern per se gut?
Schwierig wird es nur, wenn Bewerber das verstecken oder beschönigen wollen. Manche denken, sie müssten sich irgendeine Begründung ausdenken, um mich zufrieden zu stellen. Aber es geht mir darum, dass Menschen authentisch sind. Und dass Bewerber reflektieren, warum es mit dem Studium oder dem Job nicht geklappt hat.
Ein weiterer Indikator für Erfolg ist nämlich zweifellos die Selbstreflektion. Nicht, mir eine Geschichte zu erzählen, die bei der zweiten Nachfrage in sich zusammen fällt, sondern zu wissen wer man ist und was man kann oder auch nicht, das ist die Voraussetzung, um sich stetig weiter zu entwickeln.
Apropos Weiterentwicklung: Wie halten Sie es mit der Frauenförderung?
Wir schauen uns die Studiengänge an. Wenn wir wissen, dass 50 Prozent der Absolventen der wirtschaftswissenschaftlichen Studiengänge weiblich sind, dann ist unser Ziel, auch zu 50 Prozent weibliche Wirtschaftswissenschaftler einzustellen. In der IT sind solche Zahlen natürlich nicht realisierbar. Da liegt der Anteil der Hochschulabsolventinnen bei 16 Prozent und wir sind nicht so vermessen, zu glauben, dass 17 Prozent der IT-Absolventinnen bei uns arbeiten wollen. Bei der Besetzung unserer Ausbildungsplätze achten wir darauf, dass es 50 Prozent Männer und 50 Prozent Frauen sind.
Wie geht es dann im Berufsleben mit der Förderung weiter?
Wir führen das weiter, was wir derzeit auch schon tun: Es gibt Mentoring- und Förderprogramme für weibliche Nachwuchskräfte. Man muss sich immer fragen: Verliere ich unterwegs Frauen, weil sie eine andere Lebensplanung haben oder sich eine Führungsposition nicht zutrauen.
Die schüchternen Frauen also...
Es ist schon so, dass Männer oftmals weniger zögern und sich auch einen Schuh anziehen, der ihnen gegebenenfalls drei Nummern zu groß ist, wogegen Frauen sehr genau überlegen, ob ihnen der angebotene Schuh auch wirklich passt. So etwas sind gesellschaftlich verankerte Probleme. Bei unseren Standorten in Mexiko oder Russland gibt es das gar nicht. In Russland beispielsweise sind 70 Prozent unserer Führungspositionen mit Frauen besetzt.
Hinterfragen Sie sich selbst: Stimmen diese Klischees über Frauen und Männer im Job?
Studien zeigen: Schon kleine Mädchen bevorzugen flache Hierarchien – keiner soll sein Gesicht verlieren. Chefinnen-Gehabe wird abgestraft. Jungs aber testen schon früh Hierarchien – und bleiben im Job dabei: Arbeit ist Wettkampf, Karriere heißt Konkurrenten killen.
Viele Frauen lehnen Machtgerangel ab, streiten lieber um der Sache willen. Männer kämpfen oft nicht um Inhalte, sondern um die Deutungshoheit.
Frauen landen oft entweder auf unwichtigen oder sehr wackeligen Stühlen, auf denen die Gefahr des Scheiterns besonders groß ist. Nicht, weil sie besonders gute Krisenmanager wären – sondern weil Männer Frauen eher ranlassen, wenn der Karren tief im Dreck steckt.
Auch unfähige Männer treten oft mit breiter Brust auf. Fähige Frauen machen sich oft klein, nehmen Dinge persönlich, haben Angst vor zu viel Verantwortung.
Kann man dagegen als Unternehmen etwas tun?
Sie müssen mit den jeweiligen Frauen reden. Wir sagen dann: Wenn wir glauben, dass Sie die richtige sind, warum glauben Sie denn nicht an sich?
Sie können Programme aufstellen, wie Sie wollen, wenn Sie nicht im Einzelgespräch immer wieder sagen: Trau dich, geh den nächsten Schritt.
Haben Führungskräfte denn die Lust und die Zeit dazu, Frauen in höhere Positionen hinein zu quatschen?
Wir reden ganz viel mit unseren Führungskräften darüber, dass sich Männer und Frauen im Berufsleben unterschiedlich verhalten und dass sie damit umgehen müssen. Wenn Sie einer Frau einen neuen Job anbieten, erbittet sie sich ein, zwei Tage Bedenkzeit - auch um mit Freunden und Familie zu sprechen. Männer sagen: Jo, mach ich.
Wir sagen unseren Führungskräften deshalb immer wieder: Verwechselt diese Bitte um Bedenkzeit nicht mit Unsicherheit, richtet euch darauf ein, dass Frauen diese Zeit fordern werden und gewährt sie ihnen. Es kann nicht das schlechteste sein, wenn sich jemand etwas gut überlegt.