Von gläsernen Decken zu gläsernen Klippen Ein Leitfaden für den perfekten Sprung

Wenn Frauen Karriere machen, droht nicht nur die gläserne Decke, sondern auch gläserne Klippen Quelle: Getty Images

Wenn ein Unternehmen kriselt, werden oft Frauen zur Rettung geholt. Das kann eine enorme Chance sein. Doch es ist alles andere als einfach. Worauf Sie achten sollten, damit Sie mit einem Sanierungsfall Ihre Karriere fördern – statt sie zu riskieren.

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Einiges deutet darauf hin, dass die gläserne, manchmal auch als Bambus- oder Betondecken bezeichnet, schwächer werden. Dass der Aufstieg verschiedener Fachkräfte einfacher geworden ist. Aus einem Bericht aus dem Jahr 2021 geht hervor, dass der Anteil von Frauen in Führungspositionen weltweit auf beispiellose 31 % gestiegen ist, während 90 % der Unternehmen weltweit mindestens eine Frau in einer Führungsposition haben.

Doch der Anteil von Mitarbeitern mit unterschiedlichen Hintergründen in der Belegschaft nimmt weiter ab, je höher wir auf der Unternehmensleiter steigen. Forscher von McKinsey und Lean In fanden heraus, dass im vergangenen Jahr nur 26 % der Führungspositionen auf C-Level von Frauen und nur ein winziger Teil, nämlich fünf Prozent von farbigen Frauen besetzt waren.

Eine besondere Hürde für aufstrebende Kandidaten unterschiedlicher Herkunft ist das Phänomen der gläsernen Klippe, bei dem Frauen und andere Vertreter von bislang kaum in der Wirtschaft vertretenen Gruppen in Krisenzeiten bevorzugt für Führungspositionen ausgewählt werden, wodurch sie einem erhöhten Risiko des Scheiterns ausgesetzt sind. Dieses Phänomen tritt branchen- und länderübergreifend auf, und zwar sowohl für Frauen als auch für ethnische Minderheiten. Es wurde festgestellt, dass schlecht abschneidende Fortune-500-Unternehmen mit größerer Wahrscheinlichkeit einen weiblichen Vorstandsvorsitzenden ernennen als gut abschneidende Unternehmen. Eine andere Studie ergab, dass Vorstände nach einem Rückgang der Aktienperformance eher weibliche Vorstandsmitglieder einstellten.

In Krisenzeiten werden Führungspersönlichkeiten - unabhängig davon, wer sie sind - oft als ineffektiv und Teil des Problems angesehen. Wenn es sich bei der Führungskraft um eine berufliche Minderheit handelt, wird jegliches Versagen oder jede mangelnde Verbesserung eher auf ihre persönlichen Schwächen als auf die Situation zurückgeführt. In einem Phänomen, das als Retter-Effekt bezeichnet wird, wird die Führungskraft aus der Minderheit dann durch eine demografisch typischere Führungskraft ersetzt, die "den Tag rettet". Dadurch werden sowohl Führungsstereotypen in der Organisation aufrechterhalten als auch die Zukunftschancen verschiedener Kandidaten eingeschränkt.

Der Retter soll einen Neuanfang symbolisieren

Forscher weisen auf drei Gründe hin, warum berufliche Minderheiten häufiger vor diesen gläsernen Klippen stehen. Erstens werden diese Führungskräfte zum Teil deshalb in Krisenzeiten ausgewählt, weil sie sich demografisch von ihren Vorgängern unterscheiden und somit untypisch sind. Insbesondere in Unternehmen mit geringer Vielfalt in ihren Reihen signalisiert das Anheuern solches Spitzenpersonals, dass entschiedene Maßnahmen ergriffen werden, um die Situation zu verbessern.

Der zweite Grund liegt ebenfalls in der Identität des Bewerbers oder der Bewerberin. Frauen und einige ethnische Minderheiten sind die erste Wahl, wenn es um die Lösung von Krisen in Bezug auf die Arbeitsmoral oder das Engagement geht, da diesen Führungspersönlichkeiten die stereotype "weibliche Note" zugeschrieben wird, die sich durch partizipative Führung, Verständnis, Intuition, Hilfsbereitschaft sowie soziale und emotionale Intelligenz auszeichnet. Erfordert die Krise dagegen eine so genannte männliche Eigenschaft wie Entschlusskraft oder betrifft sie stereotypische Männerdomänen wie Finanzen oder IT, werden männliche Kandidaten aus ethnischen Minderheiten bevorzugt.

Der dritte Grund: Diese Positionen sind unsicher - und das Scheitern und anschließende Ausscheiden des Kandidaten ist sehr wahrscheinlich. In solchen Fällen können diese Manager als notwendige, aber akzeptable Opfer der Krise angesehen werden, wenn die Dinge weiterhin schieflaufen.

Schnelle Reaktion gefragt

Die Entscheidung, wie man eine gläserne Klippe umschifft, beginnt mit der Erkenntnis, dass man vor einer solchen steht. Unabhängig davon, ob die Krise auf eine Naturkatastrophe oder einen Industrieunfall, einen Managementskandal, eine unzureichende finanzielle Leistung oder etwas ganz anderes zurückzuführen ist, entscheidend ist, dass wichtige Unternehmensziele bedroht sind – und folglich schnell reagiert werden muss. Wenn Menschen wie Sie in Führungspositionen deutlich unterrepräsentiert sind und wenn Sie sich demografisch von Ihrem Vorgänger unterscheiden, ist es möglich, dass Sie als Symbol für den Wandel dienen - oder schlimmstenfalls als Opferlamm.

Eine sehr anspruchsvolle Aufgabe kann durchaus verlockend sein, vor allem, wenn Sie aufgrund Ihrer Herkunft das Gefühl haben, dass Sie nur begrenzte Aufstiegschancen haben. Sie können solch einen Posten nutzen, um sich als außergewöhnliche Führungspersönlichkeit und Sanierungsexperte zu etablieren, müssen aber dem Drang widerstehen, die Aufgabe einfach anzunehmen und loszulegen.

Warum? Weil außergewöhnliche Führungskräfte ihre Leistungsziele erreichen, und zwar innerhalb des Budgets und des Zeitplans. Genau das aber macht eine gläserne Klippe aus: Niemand im Unternehmen hat bislang bewiesen, dass dieses Ziel zu erreichen ist. Es gibt nicht einmal ausreichende Informationen, um dies in etwa abzuschätzen. Obwohl die Aufgabe weder unmöglich noch zum Scheitern verurteilt sein soll, müssen Sie bestimmte Schritte unternehmen, um das Risiko zu minimieren - und sich für den Erfolg zu positionieren.

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