Das klingt nach Fortschritt: Drei der zehn bestverdienenden CEOs der USA waren im vergangenen Jahr Frauen. Das konnte das „Wall Street Journal“ in einer aktuellen Untersuchung der wichtigsten 500 Unternehmen herausfinden. Meg Whitman von HP, Ginni Rometty von IBM und Indra Nooyi von Pepsi kassierten höhere Gehaltsschecks als der Großteil ihrer männlichen Konkurrenten.
Und es kommt noch besser: Denn auch im Durchschnitt verdienten alle Chefinnen der untersuchten Unternehmen mehr Geld als ihre männlichen Kollegen. So erhielten sie ein Vergütungspaket von 13,8 Millionen Dollar –die Chefs dagegen nur 11,6 Millionen Dollar.
Doch auch wenn Frauen an der Konzernspitze besser verdienen als Männer, ist es immer noch extrem unwahrscheinlich, dass sie dort überhaupt landen. In den S&P500-Unternehmen stehen die 21 weiblichen CEOs 382 männlichen Kollegen gegenüber.
In Deutschland sieht das nicht besser aus. Die obersten Führungspositionen sind hierzulande nur zu knapp zwölf Prozent mit Frauen besetzt, wie eine gerade erschienene Studie der Initiative Chefsache, einem Zusammenschluss von 21 Unternehmen und Behörden zur Förderung von Frauen in Führungspositionen, zeigt. In Leitungspositionen mit Personalverantwortung liegt der Frauenanteil immerhin bei 29 Prozent. Das klingt zunächst ganz gut. Ist aber immer noch viel zu wenig, wenn man bedenkt, dass Frauen fast die Hälfte aller Beschäftigten ausmachen.
Frauen in der Teilzeit-Falle
„Leadership Gap“ nennen die Autoren der Studie dieses Phänomen. Doch woher kommt diese Lücke zwischen dem Ist-Zustand und dem, was eigentlich möglich wäre? Christina Greenidge, Partnerin bei der Unternehmensberatung McKinsey, sieht eine wichtige Ursache dafür in der Arbeitszeit. „Viele Frauen bleiben in der Teilzeitfalle stecken“, sagt Greenidge, die für die Erarbeitung der Chefsache-Studie verantwortlich war.
In welchen Branchen sich Teilzeitarbeit für Frauen lohnt - und in welchen nicht
In der Energieversorgung in Teilzeit zu arbeiten lohnt sich für Frauen: Gegenüber einem durchschnittlichen Bruttomonatsverdienst von 3962 Euro (Vollzeit) verdienen Sie immerhin 2529 Euro in Teilzeit - das sind gerade einmal 36 Prozent weniger.
Quelle: Adzuna-Studie, basierend auf einer Analyse der Verdienste und Arbeitskosten - Fachserie 16 Reihe 2.1, Statistisches Bundesamt, Wiesbaden 2015
Wer in den genannten Branchen des öffentlichen Dienstes arbeitet, hat als Frau bei einer Teilzeitstelle gegenüber einer Vollzeitstelle ebenfalls nur Verdiensteinbußen von 36 Prozent zu erwarten. (Vollzeit: 3335 Euro im Monat, Teilzeit: 2128 Euro im Monat).
Frauen in der industriellen Produktion verdienen in Deutschland in Vollzeit im Schnitt 3062 Euro, in Teilzeit 1895 Euro.
Auch in der Informations- und Kommunikationsbranche ist der Unterschied im Verdienst zwischen Voll- und Teilzeitangestellten nicht größer als 39 Prozentpunkte. In Vollzeit verdient eine Frau dort 3838 Euro im Monat, in Teilzeit 2360 Euro im Monat.
Auch Frauen in der Wasserversorgung und Abfallentsorgung bekommen in Teilzeit nur 39 Prozent weniger Gehalt als in Vollzeit (1953 Euro im Monat gegenüber 3203 Euro im Monat).
Lehrerinnen und Erzieherinnen in Teilzeit können damit rechnen, 40 Prozent weniger zu verdienen als ihre in Vollzeit angestellten Berufsgenossinnen. (Vollzeit: 3920 Euro im Monat, Teilzeit: 2336 Euro im Monat).
In Verkehr und Lagerei verdienen Frauen in Teilzeit 1697 Euro, in Vollzeit 2854 Euro.
Das Gesundheits- und Sozialwesen bietet Frauen in Teilzeit 1837 Euro, in Vollzeit 3095 Euro.
In der Finanzdienstleistungs- und Versicherungsbranche erhalten Frauen in Vollzeit im Schnitt 3924 Euro, in Teilzeit 2317 Euro.
Freiberuflerinnen in den genannten Dienstleistungsbranchen können bei einer Vollzeit-Tätigkeit mit 3382 Euro im Monat rechnen, arbeiten sie freiberuflich nur eine Teilzeit-Stundenzahl, können sie mit Brutto 1993 Euro im Monat rechnen.
Hier verdienen Frauen in Vollzeit 2720 Euro im Monat, in Teilzeit 1574 Euro im Monat.
Im Gastgewerbe bekommen Frauen in Vollzeit im Schnitt einen Bruttoverdienst von 1935 Euro im Monat, in Teilzeit 1094 Euro im Monat.
Im Grundstücks- und Wohnungswesen gibt es für weibliche Mitarbeiter 1837 Euro in Teilzeit und 3286 Euro in Vollzeit.
Im Bergbau verdienen Arbeiterinnen in Vollzeit 3790 Euro im Monat, in Teilzeit 2086 Euro im Monat.
1489 Euro gibt es für Frauen in Teilzeit im Handel, in Vollzeit 2741 Euro.
Im Baugewerbe lohnt es sich für Frauen nicht, in Teilzeit zu arbeiten. Sie verdienen dann 51 Prozent weniger als Vollzeitarbeiterinnen. (Vollzeitbeschäftige bekommen 2912 Euro, Teilzeitbeschäftigte bekommen 1437 Euro).
Knapp die Hälfte der Frauen arbeitet in Deutschland nicht in Vollzeit. Die Gründe dafür sind vielfältig – sie kümmern sich etwa um ihre Kinder oder pflegen Angehörige. Dieses Argument lässt Greenidge aber nicht einfach gelten. Denn auch wer zu 70 oder 80 Prozent arbeitet, könne Führungsaufgaben übernehmen, so Greenidge. Bloß seien die Unternehmen derzeit noch nicht darauf eingestellt.
Hürden für die Top-Positionen
Dazu müssten sie flexiblere Arbeitsmodelle entwickeln, sodass etwa weniger Präsenz im Unternehmen erwartet wird oder Führungspositionen als Jobsharing von zwei Mitarbeitern geteilt werden. „Frauen hätten es einfacher, in Führungspositionen aufzusteigen, wenn Unternehmen örtlich und zeitlich flexibler werden würden“, sagt Greenidge, „Momentan ist das aber weit weg von der Realität.“
Das alles ist nicht neu. Doch kaum einer ist bereit, die dafür nötigen Investitionen zu tätigen. Etwa in Hard- und Software oder Kommunikationsinfrastruktur, damit Mitarbeiter von überall arbeiten können. Dabei kann sich der Aufwand lohnen, wie die Studie zeigt: Die Unternehmen mit den meisten Frauen im Vorstand erwirtschafteten in den Jahren 2010 bis 2015 Gewinnmargen, die um 44 Prozent höher lagen, als die der übrigen Unternehmen.
Für die Gleichberechtigung in Chefetagen gibt es aber noch weniger greifbare Hürden, findet Robert Scholz vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. „Für die Top-Positionen in Unternehmen gibt es neben den objektiven auch noch andere Selektionskriterien“, sagt der Forscher aus der Abteilung „Ungleichheit und Sozialpolitik“.
Ein wichtiger Punkt sei das Netzwerken auf den höchsten Führungsebenen. Offene Positionen werden gerne mit bekannten Gesichtern besetzt. Und die sind eben selten weiblich bei denen, die über die Besetzung entscheiden. Das ist für Scholz aber nicht die einzige Erklärung. „Vorstandsberufungen sind sehr komplex, da entscheiden viele Instanzen mit“, so der Forscher.
Bei seiner Analyse der Zusammensetzung im Vorstand von börsennotierten Unternehmen war er trotzdem geschockt: „Frauen sind nicht einfach nur unterrepräsentiert in den obersten Führungsetagen“, sagt Scholz „Vielfach gibt es sie überhaupt nicht.“ Der geringe Anteil weiblicher Top-Manager ist für ihn ein „systemisches Problem“.
Und auch wenn er Quotenregelungen alleine nicht für ein Allheilmittel hält, könnten staatliche Eingriffe doch die Gleichberechtigung vorantreiben. „Die Selbstverpflichtung der Wirtschaft, Frauen ins Top-Management zu holen, hat nicht funktioniert“, sagt Scholz, „Durch medialen und regulatorischen Druck hat sich aber etwas verändert.“
Und glaubt man der Studie der Initiative Chefsache, hat der Staat durchaus ein Interesse daran: Durch eine ausgeglichene Teilhabe von Frauen und Männern an der Arbeitswelt, schätzen die Autoren, könnte das Bruttoinlandsprodukt bis 2025 um 422 Milliarden Euro höher liegen, als wenn alles so bleibt wie es heute ist.