Wahlkampf-Strategen Die Zutaten zum Erfolg - so gewinnt man Wahlen!

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„Meistens finden Sie das Geheimnis des Wahlsiegers beim Verlierer“

Was erwarten Sie? Ganz neue Akzente?

Stauss: Neue Akzente? Wenn diese Topagentur die Wahlkampagne für die Kanzlerin macht, dann muss das natürlich die beste Wahlkampagne unserer Zeit werden. Ich erwarte nicht weniger als das!

Sind Politiker eigentlich anstrengendere Kunden als Firmenbosse?

Stauss: Oh nein, das würde ich nicht unterschreiben.

Riegel: Ich auch nicht.

Ludwig: Wir beraten keine klassischen Unternehmen. Ich glaube aber auch, dass die Markenführung sich mittlerweile sehr ähnelt. Politische Brands müssen Sie heute so führen wie Produkte.

Volker-Ludwig Quelle: Werner Schuering für WirtschaftsWoche

Was unterscheidet denn nun den Wahlkampf 2017 von einem – sagen wir – aus dem Jahr 2005?

Ludwig: Das Internet natürlich. Im Grunde aber bleibt der Aufbau einer Kampagne gleich. Das ist dem Parteiensystem und den vielen Freiwilligen geschuldet, die den Wahlkampf in die Republik tragen müssen. Vieles findet in Deutschland vor Ort statt, in Wahlkreisen, auf Marktplätzen, daran haben Facebook und Twitter nichts geändert.

Aber die Geschwindigkeit muss doch brutal zugenommen haben.

Riegel: Das ist meines Erachtens der größte Unterschied. Ich bin seit 2009 dabei ...

Stauss: ... wie süß ...

Riegel: (lacht) ... Sie müssen sich für Ihr fortgeschrittenes Alter nicht entschuldigen, Herr Stauss. Seitdem ich Kampagnen plane, hat sich alles extrem beschleunigt. Mehr Geschwindigkeit bedeutet, selber viel reaktionsschneller zu werden, und das übersetzt sich in höheren Druck auf Politikerseite. Das alles potenziert Social Media dann auf immer mehr Kanäle, die Sie nicht mit demselben Stoff zukleistern können.

Verschieben sich die Gewichte weg von den Kreativen hin zu den IT-Magiern, die die smarten Datenlösungen haben?

Ludwig: Wir sind ja ohnehin nur zehn Leute. Da sitzt kein Team aus Big-Data-Nerds, die uns 20 Prozent der Wählerstimmen herzaubern. Analog bleibt wichtig.

Riegel: Für mich wäre Folgendes eine zeitgemäße Jobbeschreibung des Wahlkämpfers: Zielgruppen identifizieren, dann ausdifferenzieren, Daten analysieren, die Kanäle organisieren.

Ludwig: Ja, gut. Aber wir haben 2005 auch schon Wählergruppen gezielt angesteuert.

Kommen Sie heute online denn nicht trotzdem viel näher an Ihre potenziellen Wähler?

Ludwig: Vielleicht könnten wir das. Aber wir haben das Geld dafür einfach nicht.

Riegel: Dem schließe mich an.

Stauss: 2017 sind Big Data und Data Mining zwar die heißen Buzzwords. Aber da ist sehr viel PR dabei. Ja, die Geschwindigkeit heute ist eine ganz andere als noch vor zehn Jahren. Ja, die Orchestrierung ist viel komplexer. Andererseits hängt ein Wahlerfolg immer noch nicht von Technologie ab, sondern von Substanz. Wer keine Botschaft hat, den wird ein fettes Facebook-Budget nicht retten.

Frank-Stauss Quelle: Werner Schuering für WirtschaftsWoche

In den USA dachte man lange, Donald Trump habe gar keine organisierte Kampagne.

Riegel: Wer das glaubt, hat nicht richtig hingeschaut. Trump hatte mit „Make America Great Again“ eine sehr durchdachte Botschaft.

Stauss: Und wir sind zu sehr auf den Gewinner fixiert. Meistens finden Sie das Geheimnis des Wahlsiegers beim Verlierer. Hillary Clinton war extrem schwach.

Stauss: Die Überhöhung der Datenanalyse, der Rummel um Firmen wie Cambridge Analytica, die angeblich Trumps Sieg online herbeigeführt haben, sind vor allem eins: nachträgliche demokratische Versuche, das eigene Versagen zu verdecken.

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