Wege aus dem Fachkräftemangel Warum Unternehmen jedem Mitarbeiter bei der Karriere helfen sollten

Alle Talente sollten gefördert werden, nicht nur die High Potentials. Quelle: Getty Images

Die meisten Unternehmen fördern nur die Karriere ihrer High Potentials. Dabei schlummern auch in den anderen Mitarbeitern mitunter wertvolle Talente. Ein paar wenige Firmen nehmen die Personalentwicklung für die gesamte Belegschaft ernst. Von ihnen lässt sich einiges lernen.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Fragt man einen Personalleiter, ob sein Unternehmen gut die Karrieren von Mitarbeitern zu fördern weiß, wird er wahrscheinlich mit „Ja“ antworten – und dann über die Programme sprechen, die er für Beschäftigte mit hohem Potenzial entwickelt hat. Fragt man, wie gut das Unternehmen den Rest der Belegschaft unterstützt, wird die Antwort wohl eine andere sein. Einige werden auf die Führungskräfte verweisen, die für die Entwicklung ihrer Mitarbeiter verantwortlich seien. Und andere auf die Mitarbeiter selbst, die ihre eigene Karriereentwicklung gestalten müssten. Die ehrlichsten Führungskräfte werden vielleicht noch hinzufügen, dass ihr Ansatz für einige Mitarbeiter funktioniert, aber für die meisten eher nicht.

Das ist ein Problem für Unternehmen, vor allem wenn es schwierig ist, qualifizierte Mitarbeiter zu finden – und zu halten. Die Führungskräfte müssen viel mehr tun, um den Mitarbeitern zu helfen, eine Zukunft im Unternehmen zu sehen – und ihren Weg zu finden, um diese Zukunft zu erreichen.

Glücklicherweise gibt es eine kleine, aber immerhin wachsende Zahl von Unternehmen, die die Entwicklung für alle interessierten Mitarbeiter verbessern. Das erfordert längst nicht immer hohe Investitionen. Aber moderne Tools und einen kohärenten Ansatz, der den Mitarbeitern hilft, einen Weg in die Zukunft zu sehen und auf ihrem Weg verlässliches Feedback und Coaching zu erhalten.

Zu den Autoren

In diesem Artikel geben wir Einblicke in eine Umfrage unter mehr als 1000 Arbeitnehmern und in Interviews mit Managern aus mehr als 25 Unternehmen, die sich damit befassen.

Auch Führungskräfte wissen nicht alles

Von Führungskräften zu verlangen, dass sie nicht nur die Leistung ihrer Mitarbeiter, sondern auch die berufliche Entwicklung fördern, ist der bei weitem häufigste Ansatz in Unternehmen. Leider wissen selbst die bestgesinnten Manager oft nicht, welche Entwicklungsmöglichkeiten es außerhalb ihrer eigenen Abteilung gibt. Und manche Manager schenken Mentoring nicht genug Aufmerksamkeit, betreuen nur ihre Lieblinge oder horten Talente, indem sie ihre besten Mitarbeiter davon abhalten, andere Möglichkeiten zu erkunden. Manche Mitarbeiter wiederum befürchten möglicherweise, als illoyal abgestempelt zu werden, wenn sie ihren derzeitigen Chef nach Aufgaben außerhalb ihrer Abteilung fragen.

Wenn man von den Mitarbeitern verlangt, dass sie ihre berufliche Entwicklung selbst in die Hand nehmen, klingt das für die Führungskräfte, die Investitionen in die Personalabteilung genehmigen und andere in Führungspositionen verwalten, gut. Schließlich sind diese Führungskräfte genau die Art von Menschen, die ihre Karriere selbst in die Hand nehmen konnten. Talentierte, fleißige und ehrgeizige Menschen, die bereit waren, die Extrameile zu gehen. Wenn Chefs glauben, dass ein Selbstbedienungskonzept für alle funktioniert, ist die Versuchung groß, dem Mitarbeiter und nicht dem Prozess die Schuld zu geben, wenn es nicht klappt.

Eher kündigen als nachfragen

Und so hat es uns nicht überrascht, dass viele Arbeitnehmer der Meinung sind, dass sie eine bessere Unterstützung für ihre berufliche Entwicklung benötigen. Die von uns befragten Einzelpersonen gaben viel häufiger als Führungskräfte und Manager an, dass ein Mangel an guter Beratung ihrer Karriere geschadet hat (49 % gegenüber 35 %). Zwei Drittel (67 %) sagten, dass die Förderung ihrer Karriere sehr wichtig ist – und ein Viertel glaubt, dass sie dazu eher zu einem anderen Arbeitgeber gehen würden.

Ein schlechter Befund für Unternehmen, die versuchen, Talente zu finden und an sich zu binden. In einer Umfrage von Pew Research gaben 63 Prozent der Personen, die im Jahr 2021 den Arbeitsplatz wechselten, fehlende Aufstiegsmöglichkeiten als Grund an. Und eine McKinsey-Untersuchung aus dem Jahr 2022 kam zu dem Schluss, dass fehlende berufliche Entwicklung und Aufstiegsmöglichkeiten der häufigste Grund für die Kündigung waren.

Lesen Sie auch, warum sich junge Menschen bei ihrer Kündigung filmen

Die Ansprüche sind bei vielen Menschen gestiegen: Sie legen viel mehr Wert auf seitliche oder diagonale Möglichkeiten – also auf ein Karrieregitter – als auf das Erklimmen einer bestimmten Karriereleiter. Mehr als ein Drittel (35 %) der Teilnehmer an unserer Umfrage gab an, dass ihr nächster Job sie von ihrem derzeitigen Karriereweg abbringen wird. Laut einer Studie von Willis Towers Watson haben jedoch nur 29 Prozent der Arbeitgeber Quereinstiegsmöglichkeiten aufgezeigt, und nur 33 Prozent der Arbeitgeber boten die Möglichkeit, sich über den Job hinaus weiterzuentwickeln, etwa durch Hospitationen und Rotationseinsätze.

Dreiklang der beruflichen Entwicklung

Die meisten Unternehmen wissen, was für die berufliche Entwicklung erforderlich ist: Sie tun es bereits in ihren Programmen für Führungskräfte mit hohem Potenzial. Diese oft kostspieligen Programme bieten in der Regel detaillierte Beurteilungen, spezielle Schulungsmöglichkeiten, anspruchsvolle Aufgaben, den Aufbau von Netzwerken und regelmäßiges Coaching. Zusammen bilden sie ein sich gegenseitig verstärkendes System aus drei Schlüsselelementen: Sichtbarkeit von Möglichkeiten und Wegen, die Möglichkeit zu lernen und zu üben, und reichhaltiges Feedback und Coaching.

Tipps für das Kündigungsgespräch

Wir sind nur auf wenige Unternehmen gestoßen, die alle drei Elemente dieses Dreiklangs der beruflichen Entwicklung anbieten – und zwar nicht nur für High Potentials. Wir haben jedoch mehrere Beispiele von Unternehmen gesehen, die bei jedem der drei Elemente Fortschritte machen, und wir werden beschreiben, wie Sie die Elemente in ein Karriereentwicklungssystem integrieren können, das in großem Maßstab funktioniert.

Mitarbeiter können keine Entwicklungsmöglichkeiten erkunden, die sie nicht sehen können. Oft wissen nicht einmal die Personalverantwortlichen, was verfügbar ist oder was für die Arbeitnehmer möglich ist – insbesondere über Regionen oder Geschäftsbereiche hinweg. Der Personalleiter eines Unternehmens brachte es auf den Punkt: „Wenn wir Fähigkeiten für bestimmte Positionen benötigen, gehen wir nach außen. Es gibt Tools und Ressourcen, um extern nach einer Qualifikation zu suchen. Das ist einfacher, als intern zu suchen.“

Fast vier von zehn Deutschen können sich vorstellen, 2023 den Arbeitgeber zu wechseln. Besonders die Gen Z ist auf dem Sprung. Doch eine Sache hat sich in diesem Jahr geändert.
von Jannik Deters

Sichtbarkeit allein genügt nicht. Interne Stellenausschreibungen können auf Fähigkeiten hinweisen, über die ein Mitarbeiter nicht verfügt, ohne dass klar wird, wie die Lücken geschlossen werden können. „Sie müssen diese Arbeit wirklich gut runterbrechen, damit Sie die Geschichte erzählen können: „Hey, das ist der Grund, warum diese Rolle tatsächlich übertragbar ist“, sagt Christopher Lind, Vice President und Chief Learning Officer bei ChenMed.

Ein Online-Tool zeigt nötige Kompetenzen

GE Digital bietet ein Online-Tool namens Career Discovery an. Nachdem die Mitarbeiter ihre Fähigkeiten und Interessen dort eingegeben haben, zeigt es ihnen andere Aufgaben im Unternehmen, die für sie in Frage kommen könnten. Das Tool listet auch auf, welche Kompetenzen die Mitarbeiter möglicherweise noch erwerben müssen und wo sie nach Schulungsmöglichkeiten suchen können.

„Wenn Sie jemand sind, der keine Fragen stellt und vielleicht etwas passiver ist, werden Sie wahrscheinlich anfangen, sich extern umzusehen, wenn die Optionen im eigenen Unternehmen nicht transparent sind“, sagte Lyndsey Havill-Cochrun, Area Vice President für People Insights bei BetterUp.

Im University of Pittsburgh Medical Center (UPMC), einem 24-Milliarden-Dollar-Gesundheitsdienstleister und Versicherer mit 92.000 Mitarbeitern, arbeitet die Personalabteilung eng mit den Führungskräften zusammen, um Dutzende von Karrierewegen festzulegen. „Ein Großteil dieser Informationen wurde jedoch innerhalb der Personalabteilung aufbewahrt“, so Tony Gigliotti, Senior Director of Talent Management and Organizational Development. Vor kurzem hat UPMC das Tool „Explore Careers“ für jeden Mitarbeiter eingeführt. „Die Mitarbeiter können sich einloggen und sehen: Wohin sind die Leute gegangen, die in meiner Rolle waren? Welche Rollen gibt es in meiner Jobfamilie, und wer hat diese Rollen inne? “ So können die Mitarbeiter Kollegen in bestimmten Rollen kontaktieren, um mehr zu erfahren, oder sie können verfügbare Stellenausschreibungen für diese Rollen überprüfen.

Lesen Sie auch: So bauen Sie das ideale Team

Unilever bietet Workshops namens „Discover Your Purpose“ an, in denen die Mitarbeiter ihre Erfahrungen und Ziele reflektieren und anschließend Entwicklungspläne für die nächsten sechs bis 18 Monate erstellen können. Auf der Grundlage ihrer Pläne können die Mitarbeiter auf eine Vielzahl interner und externer Ressourcen zugreifen, um ihre Fähigkeiten auszubauen und ihr Fachwissen zu zertifizieren.

Netzwerke im eigenen Unternehmen fördern


Wenn Mitarbeiter Menschen in anderen Funktionen kennenlernen, können sie besser entscheiden, was in ihrer eigenen Karriere möglich ist. Sie können einen Arbeitsplatzwechsel auf Zeit organisieren und so ausloten, wie ihre Fähigkeiten und Interessen zusammenpassen. Und sie können so einen Beitrag dazu leisten, dass sich ein Vorgesetzter mit dem Gedanken anfreunden kann, einen internen Mitarbeiter einzustellen, der sich weiterentwickeln möchte, anstatt einen externen Bewerber zu beschäftigen, der die erforderlichen Fähigkeiten bereits zu besitzen scheint.

Unternehmen sollten daher ihren Mitarbeitern helfen, ein breiteres Netzwerk aufzubauen – so wie sie es auch mit den Teilnehmern an High-Potential-Programmen tun. Accenture unterrichtet in globalen Klassenzimmern, in denen Manager aus zahlreichen Ländern gemeinsam an Fallstudien, Simulationen und Gruppenprojekten arbeiten. Bei der DBS Bank werden die Mitarbeiter ermutigt, ihr Fachwissen in Peer-Learning-Sitzungen weiterzugeben, und sie knüpfen neue Verbindungen durch die Sitzungen, die sie lehren und besuchen. Da viele Mitarbeiter inzwischen auch an entfernten Standorten arbeiten, sind solche gezielten Möglichkeiten der globalen Zusammenarbeit in praktisch jedem Unternehmen möglich geworden.

Es braucht die Möglichkeit dazuzulernen

Aber der Einblick in potenzielle neue Aufgaben reicht nicht aus. Die Mitarbeiter müssen die Möglichkeit haben, die verschiedenen Fähigkeiten zu erlernen, die für ihre neuen Aufgaben erforderlich sind.

Unternehmen sollten ihren Mitarbeitern helfen, ein breiteres Netzwerk zu entwickeln – so wie sie es auch mit Kohorten in High-Potential-Programmen tun.

Die Allianz nutzt eine Lernplattform, um die für bestimmte Positionen erforderlichen Fähigkeiten mit den bereits vorhandenen Kenntnissen eines Mitarbeiters abzugleichen. „Unsere Lernplattform empfiehlt unseren Mitarbeitern Schulungen und andere Lernmöglichkeiten auf der Grundlage ihrer individuellen Fähigkeiten und Lernpräferenzen, unterstützt durch KI“, sagt Renate Wagner, Vorstandsmitglied für die Region Asien-Pazifik, Mergers & Acquisitions und Human Resources. „Dies trägt auch dazu bei, Schlüsselkompetenzen und -fähigkeiten in der Allianz zu stärken, zum Beispiel in Bezug auf Daten und IT.“

Die UPMC hat Lernpfade für fünf Arten von Mitarbeitern definiert: neue Mitarbeiter, die sich effektiv in ihre Rolle einarbeiten müssen, bestehende Mitarbeiter, die zusätzliches Fachwissen erwerben wollen, angehende Führungskräfte, neue Führungskräfte und aktuelle Führungskräfte. Jeder Weg konzentriert sich auf die Entwicklung beruflicher Fähigkeiten. Jessica Buechli, Senior Director of Learning and Development, erklärt: „Die Technologie bündelt die einzelnen Lernpfade, und die Mitarbeiter können sich einfach für einen Pfad anmelden und ihn in ihrem eigenen Tempo durchlaufen.“

Die meisten haben sich bei der Arbeit schon mal gefragt: „Was um Himmels Willen tue ich hier eigentlich?!“ Diese spontane Verzweiflung kann ein wichtiges Signal dafür sein, über eine berufliche Veränderung nachzudenken.
von Marcus Werner

Die Mitarbeiter müssen ihre neuen Fähigkeiten aber auch in der Praxis erproben, insbesondere bei Tätigkeiten außerhalb ihrer derzeitigen Aufgaben – und sie müssen ihre Erfahrungen reflektieren. Die Mitarbeiter von UBS und der DBS Bank üben das Lernen durch Spiele, Simulationen oder Projekte. Kundenbetreuer bei Fidelity Investments können morgens eine neue Fähigkeit erlernen, sie nachmittags in Live-Kundengesprächen (unter Beobachtung eines Managers) üben und dann die Erfahrungen mit anderen, die dieselbe Fähigkeit erlernen, reflektieren. Die Northeastern University führt ein Pilotprogramm mit Arbeitgebern durch, um reale Unterrichtsprojekte zu entwerfen, die für den jeweiligen Kontext des Studenten oder Arbeitnehmers relevant sind. Ein Student der Buchhaltung kann beispielsweise Budgetierungsaufgaben für seinen Chef übernehmen, oder ein Student des maschinellen Lernens kann ein Problem für eine andere Abteilung des Unternehmens lösen, was ihm die Möglichkeit eröffnet, in eine neue Rolle zu wechseln.

Einfach mal rotieren

Formale Rotationsprogramme können zudem eine nützliche Rolle spielen – und einige Unternehmen bieten sie für Neueinstellungen oder im Rahmen von Programmen für Führungskräfte mit hohem Potenzial an. Für die meisten Mitarbeiter ist diese Art der gezielten Unterstützung beim Rollenwechsel jedoch weit weniger üblich. Dabei liegt im ureigensten Interesse eines Unternehmens, seine Mitarbeiter bei der Erkundung neuer Möglichkeiten zu unterstützen. Es mag zwar einfacher erscheinen, bestimmte Talente von außen zu holen, als das Risiko einzugehen, einen internen Kandidaten weiterzuentwickeln. Doch wenn interne Kandidaten strukturell ignoriert werden, schrumpft der Pool potenzieller Bewerber für offene Stellen – und die derzeitigen Mitarbeiter haben das Gefühl, dass sie sich außerhalb des Unternehmens nach Möglichkeiten umsehen müssen. Beides hat in Zeiten des Fachkräftemangels fatale Folgen.

Lesen Sie auch: Ein Überblick zum Fachkräftemangel

UPMC geht diese Herausforderung an: Das Unternehmen hat kürzlich die Selbsteinschätzung der Mitarbeiter, die Teil der jährlichen Leistungsbeurteilung ist, um Fragen erweitert, die darauf abzielen, die Karrierewünsche der Mitarbeiter besser zu verstehen. Jetzt können sie ihre Ziele sowie die Ressourcen, Werkzeuge und die Ausbildung, die sie zum Erreichen dieser Ziele benötigen, darlegen. Dieses Feedback eröffnet letztlich einen sicheren Raum für die Mitarbeiter, um ihre Karrieremöglichkeiten innerhalb des Unternehmens zu erkunden.

Kennenlernen in Kurzzeitprojekten

Andere Unternehmen nutzen Technologien, um Mitarbeiter, Manager und Aufgaben auf einem internen Marktplatz zusammenzubringen. Schneider Electric listet für seine Belegschaft seit 2018 Möglichkeiten für Kurzzeitprojekte, Vollzeitstellen oder Mentorenprogramme auf. Manager nutzten diesen Marktplatz vor allem während der Pandemie, als sie nicht in der Lage waren, Mitarbeiter für Projekte einzustellen, die erledigt werden mussten. Der interne Marktplatz senkt auch das Risiko für Manager, da sie Zugang zu einer Vielzahl von Mitarbeitern erhalten, die sie in Kurzzeitprojekten kennenlernen können, bevor sie sich zu einer langfristigen Einstellung verpflichten.

Feedback ist ein wesentlicher Bestandteil des Lernens. Mitarbeiter haben die Möglichkeit, ihre Fähigkeiten zu verbessern, wenn sie klar erkennen können, was sie gut machen und wo sie sich verbessern können.

Pernod Ricard führte 2018 ein Programm namens Let‘s Talk Talent ein. Dabei steht der Mitarbeiter im Mittelpunkt, die Führungskräfte fungieren als Coaches. Die Mitarbeiter können ein Talentprofil erstellen, das „ihren beruflichen Werdegang, ihre Erfolge und ihre Ziele“ enthält, so Lani Montoya, Senior Vice President of HR bei Pernod Ricard NA. Sowohl der Vorgesetzte als auch das globale Talentmanagementteam können dieses Profil einsehen und die Zukunft der betreffenden Person mit ihnen besprechen. Es wird erwartet, dass solche Gespräche regelmäßig stattfinden, „aber wir wissen mit Sicherheit, dass sie jährlich im Rahmen unseres Leistungsmanagementprozesses stattfinden“. Und wenn der Mitarbeiter von seinem Vorgesetzten nicht genügend Ratschläge für seine berufliche Laufbahn erhält, kann er sich an das globale Talentteam wenden, um sich beraten zu lassen.

„Gute Unternehmen stellen sicher, dass die Personalmanager sich darüber im Klaren sind, dass es zu ihren Aufgaben gehört, mit ihren Mitarbeitern Karrieregespräche zu führen“, so Dervin. Dazu gehört auch, dass sie die Wünsche ihrer Mitarbeiter verstehen und anleiten können, wie sie die erforderlichen Fähigkeiten entwickeln können – „entweder um in ihrer aktuellen Rolle effektiver zu sein oder um Fähigkeiten aufzubauen, die sie für ihre nächste Rolle fit machen“, so Dervin.

Coaching auch für die Coaches

Den Managern zu sagen, dass sie es tun sollen, und dafür zu sorgen, dass sie es gut tun, sind zwei verschiedene Dinge. Es ist Aufgabe der Personalabteilung, nicht nur die Richtlinien festzulegen, sondern auch sicherzustellen, dass die Manager in der Lage sind, diese umzusetzen. Die Personalabteilung sollte die Mitarbeiter deshalb auch fragen, wie sie die Unterstützung durch ihre Vorgesetzten bewerten.

Während die Mitarbeiter Feedback und Coaching für ihre Karriere benötigen, brauchen die Manager möglicherweise Feedback und Coaching für ihre eigenen Coaching-Fähigkeiten. „Selbst die besten Führungskräfte brauchen Hilfe und Unterstützung“, sagte Gigliotti von UPMC. Das Unternehmen hat Check-in-Tools eingeführt, um den Feedback-Prozess zu erleichtern. Mit dem sogenannten Anytime Check-in kann jeder Mitarbeiter jederzeit Feedback an andere im Unternehmen senden, etwa nachdem er mit jemandem an einem Projekt gearbeitet hat oder einen Kollegen gesehen hat, der einen bemerkenswerten Beitrag geleistet hat. Die Kommentare können nur für den Mitarbeiter oder auch für dessen Vorgesetzten sichtbar gemacht werden. Darüber hinaus können Vorgesetzte mit Anytime Check-in ihre eigenen privaten Notizen pflegen und diese dann bei der jährlichen Überprüfung einsehen. In der Zwischenzeit können die Mitarbeiter ehrliches Feedback in Echtzeit von Kollegen und Vorgesetzten erhalten.

Lesen Sie auch: Wenn das Coaching nach hinten losgeht

Unsere Untersuchung hat gezeigt, dass viele Unternehmen Teile des Karrieredreiklangs implementieren, aber nur wenige die drei Elemente in ein erfolgreiches System zur Mitarbeiterentwicklung in großem Umfang integriert haben.

Ein Unternehmen, das dies getan hat, ist Amsted Industries, ein globaler Hersteller von Industriekomponenten für den Schienenverkehr, Nutzfahrzeuge, Automobilbau sowie Bau- und Gebäudetechnik. Der Rahmen für die Karriereentwicklung des Unternehmens ist so konzipiert, dass jeder Angestellte regelmäßig zwei Arten von Beurteilungen erhält. Bei der ersten handelt es sich in der Regel um ein Gespräch zwischen dem Mitarbeiter und seinem Vorgesetzten über die Leistung in der aktuellen Position. Die zweite ist ein formelles Entwicklungsgespräch und ein Mentoring-Prozess, der von einem Senior Business Manager geleitet wird, der mit dem Vorgesetzten des Mitarbeiters gleichgestellt ist, aber nicht zur direkten Führungskette des Mitarbeiters gehört.

Ein Ausschuss für die Karriereplanung

Das Unternehmen nimmt diesen Prozess sehr ernst; die Führungskräfte werden nicht nur nach der Leistung ihres Teams bewertet, sondern auch nach der Entwicklung bestimmter Personen außerhalb ihres Teams. Zusätzlich zu den regelmäßigen informellen Gesprächen mit ihrem Entwicklungsmanager haben die Mitarbeiter jedes Jahr ein formelles Entwicklungsgespräch mit einem Ausschuss, dem ihr direkter Vorgesetzter, ihr Entwicklungsmanager und die Chefs dieser Manager angehören. Der Mitarbeiter bespricht seine Karriereziele, seinen Entwicklungsplan, was er im Hinblick auf seinen Plan erreicht hat und welche Unterstützung er für seine nächsten Schritte benötigt.

Der Ausschuss entwickelt einen Entwurf für einen Karriereplan, den der Entwicklungsmanager dem Mitarbeiter vorlegt. Der Mitarbeiter hat die Möglichkeit, den Plan abzulehnen oder anzunehmen. Wird der Plan angenommen, weisen die Führungskräfte gegebenenfalls Coaches und Mentoren zu und arbeiten mit dem Mitarbeiter an den letzten Details.

Viele Beschäftigte haben innerlich schon gekündigt. Vorher lohnt sich ein letzter Versuch, doch noch Forderungen durchzusetzen. Expertinnen verraten, wie man das klug anstellt und was sich wirklich lohnt.
von Nina Jerzy

Dieser Prozess erleichtert auch den Austausch von Talenten, da die Kollegen der Führungskraft einbezogen werden. Wenn ein Mitarbeiter sein Interesse an einer anderen Funktion bekundet, hat eine andere Führungskraft vielleicht ein Projekt, an dem er sich beteiligen kann. Dies geschieht nicht aus reinem Altruismus: Die Peer-Manager profitieren davon, dass jemand von außerhalb ihrer Abteilung seine Hilfe bei einem Projekt anbietet. Darüber hinaus stellt das Unternehmen sein Engagement für den Prozess sicher, indem es die Mitglieder des Entwicklungsausschusses zur Rechenschaft zieht und die Entwicklungsleistung zu einem wichtigen Bestandteil der Leistungsbewertung jedes Managers macht, neben der Leistung seiner Abteilung.

Nach sechs Monaten noch mal nachfragen

Das Beth Israel Deaconess Medical Center (BIDMC) in Boston wiederum entwickelt routinemäßig Mitarbeiter aus gering qualifizierten nichtmedizinischen Positionen in höher qualifizierte und besser bezahlte medizinische Positionen, die schwer zu besetzen sind, aber keine jahrelange akademische Ausbildung erfordern. Das BIDMC ermittelt interne Kandidaten, die sich als besonders leistungsfähig erwiesen haben, und bietet ihnen eine Chance auf eine besser bezahlte Stelle mit einer besseren Karriereleiter, etwa als medizinischer Labortechniker oder medizinischer Programmierer. Das BIDMC arbeitet mit einer örtlichen Volkshochschule zusammen, um eine auf die Arbeitszeit des Mitarbeiters abgestimmte Ausbildung zu ermöglichen. Es übernimmt auch die Kosten für die Ausbildung und hilft bei der Betreuung und Unterstützung des Mitarbeiters.

Großaktionär des Brokers Flatex „Ich habe möglicherweise zu lange zugesehen“

Der Unternehmer Bernd Förtsch ist Großaktionär von Deutschlands wichtigstem Broker Flatexdegiro: In beispielloser Offenheit seziert er jetzt die Fehler des Konzerns. Und kündigt Konsequenzen für den Vorstandschef an.

Goldhandel Bekommt das Finanzamt von meinem Goldverkauf etwas mit?

Ein Anleger fragt sich, ob er Gold auch steuerfrei verkaufen kann, wenn er keinen Nachweis zum Kauf hat. Würde das Finanzamt überhaupt etwas mitbekommen, wenn er einen Verkauf nicht meldet?

Geldanlage Wie lege ich 100.000 Euro renditestark an?

Eine Anlegerin will eine sechsstellige Summe investieren. Soll sie alles auf Aktien setzen oder besser eine Wohnung zur Vermietung kaufen? Und was ist mit Gold?

 Weitere Plus-Artikel lesen Sie hier

Es ist eine Win-Win-Situation für Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Das BIDMC hat diesen Ansatz nun auf noch verfeinert – mit dem Ziel, dass kein Mitarbeiter in einem Job festsitzt, der zu nichts führt. Sechs Monate, nachdem ein Mitarbeiter seine Arbeit bei BIDMC aufgenommen hat, erhält er eine E-Mail, in der er aufgefordert wird, sich Gedanken über seine Karriere bei der Organisation zu machen. Darin werden alle Möglichkeiten aufgelistet, die es gibt, und der Mitarbeiter wird aufgefordert, sich mit dem Büro für Personalentwicklung in Verbindung zu setzen, um mehr zu erfahren.


Dieser Beitrag ist zuerst bei unserem Kooperationspartner MIT Sloan Management Review erschienen.
Übersetzung: Varinia Bernau

Lesen Sie auch: Geschäftsmodell Fachkräftemangel

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%