Weibliche Führungskräfte „Top-Managerinnen gehen ihren Karriereweg unbeirrt von gesellschaftlichen Normen“

Bettina Al-Sadik-Lowinski hat die Karrieren von Topmanagerinnen in fünf Ländern untersucht. Wo herrschen die besten Aufstiegschancen? Quelle: imago images

Bettina Al-Sadik-Lowinski ist Coach für Führungskräfte. Sie hat dadurch viele Frauen in Spitzenpositionen getroffen. Ein Interview über die Frage, worin sich Top-Managerinnen aus verschiedenen Ländern unterscheiden.

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Bettina Al-Sadik-Lowinski ist Wirtschaftswissenschaftlerin, Autorin und Coach für Führungskräfte. Nach mehrjährigen Erfahrungen im Management multinationaler Unternehmen arbeitet sie als internationaler Coach und forscht zur Vielfalt in der japanischen, chinesischen und deutschen Wirtschaft. 2014 gründete sie das Global Women Career Lab, eine weltweit aktive Forschungs- und Trainingsinitiative für Frauen in Führungspositionen. Sie lebt mit Mann und zwei Kindern in Frankreich und Köln.

WirtschaftsWoche: Frau Al-Sadik, Sie haben die Karrieren von Top-Managerinnen in fünf Ländern untersucht. In welchem dieser Länder steigen Frauen eher auf?
Bettina Al-Sadik-Lowinski: In Russland gibt es die meisten Top-Managerinnen. Der Frauenanteil an Senior Management Positionen liegt bei 47 Prozent. Auf Platz zwei liegt China mit 38 Prozent und Frankreich mit 31 Prozent, Deutschland kommt grade mal auf 18 Prozent und das Schlusslicht bildet Japan mit nur sieben Prozent. Der Weltdurchschnitt lag 2017 bei 25 Prozent – und verändert sich kaum. Die USA überflügeln die Deutschen übrigens entgegen dem landläufigen Vorurteil kaum, ihr Frauenanteil im Top-Management liegt bei 22 Prozent.

Haben Sie Gemeinsamkeiten zwischen den Spitzen-Managerinnen ausgemacht – egal ob aus Russland, China, Japan, Frankreich oder Deutschland?
Sie alle definieren früh ihren Erfolgswillen und der ist auch stark ausgeprägt. Sie machen ihren Karriereweg ins Management unbeirrt von gesellschaftlichen Normen. Sie machen sich innerlich frei von den Bewertungen anderer Leute. Diese Frauen warten nicht darauf, dass sich Unternehmensumfelder ändern. Sie treffen bewusst eine Unternehmensauswahl und gehen direkt dahin, wo sie ihre Chancen sehen. Herausforderungen nehmen sie positiv an und Rückschläge begreifen sie als Lernchance. Dabei hilft ihnen ihre hohe Flexibilität und Veränderungsbereitschaft.

Dr. Bettina Al-Sadik-Lowinski ist Wirtschaftswissenschaftlerin, Autorin und Coach für Führungskräfte. Quelle: PR

Und wo liegen die Unterschiede im Verhalten und Auftreten von Top-Managerinnen?
Russinnen lassen sich unterschätzen, um erstmal lange nachzufragen – und dann am Ende mit ihrer Sachkompetenz die Männer zu übertrumpfen. Französinnen dagegen nehmen den umgekehrten Weg, sie gehen Situationen direkt an und greifen bei Konflikten sofort an. „Ich bin im Konflikt wie ein Pitbull“, bekannte eine französische Karrierefrau freimütig. Sie sind extrem selbstbewusst, wie übrigens auch die Chinesinnen. „Ich bin die beste Personalleiterin im Land“ – solche Superlative habe ich in China des Öfteren von Top-Frauen gehört. Und sogar Sätze wie „Frauen haben hier mehr Chancen als Männer“. Die Chinesinnen bestechen durch extreme Flexibilität als Führungskräfte und durch ihre Fähigkeit, zwischen den Kulturen zu wandern. Sie passen auch ihren Führungsstil verschiedenen Kulturen an: Deutsche führen sie anders als Chinesen. Die Japanerinnen sind leiser, aber extrem willensstark und innerlich frei. „Ich bin eine Ausnahmeerscheinung“, sagte die Präsidentin eines japanischen Pharmakonzerns über sich selbst. „Und ich nutze das“. Kurz: Die wissen genau, was sie wollen, dafür stellen sie sich allen sozialen Normen entgegen. Sie definieren ihren eigenen Erfolg über die Förderung ihrer Mitarbeiter, die sie geschickt nach oben ziehen.

Das ist bei deutschen Top-Managerinnen anders?
Die sind extrem kompetent, aber vielleicht etwas zögerlich. Deshalb lesen wir ja gerade auch viel über den Mut, den sie hierzulande noch brauchen.

Wenn Russinnen in Verhandlungen von den Männern unterschätzt werden, scheint es dort mit der Gleichberechtigung ja auch nicht zu stimmen? Sonst würden sie doch gleich ernst genommen?
Die Gleichberechtigung in Russland wurde von den Frauen als U-Kurve beschrieben, historisch hoch in der Sowjetunion, während der Perestroika am Boden und nun geht es wieder aufwärts. Fragt man sie nach ihrer Chancengleichheit, klaffen bei Russinnen subjektive Wahrnehmung und Fakten auseinander. Sie selbst sehen ihr Umfeld nur im Mittelfeld, was an kulturellen, gesellschaftlichen Normen liegt. Eine faszinierende Erkenntnis meiner Untersuchungen: Russinnen leben in einer Ambivalenz. Einerseits gibt es sehr, sehr viele Frauen im gehobenen Management. Andererseits ist die gesellschaftliche Norm, dass Frauen ihrem Mann den Rücken stärken, dass sie zuerst Ehefrau und Mütter sind und toll aussehen. Trotz dieses Spagats positionieren sich die Karrierefrauen geschickt. Sie holen die Männer dort ab, wo sie stehen und überrumpeln sie in Verhandlungen aus der Position der vermeintlich schwächeren, unterlegenen Frau.

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