Weibliche Führungskräfte „Top-Managerinnen gehen ihren Karriereweg unbeirrt von gesellschaftlichen Normen“

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Welches Rezept gilt für eine erfolgreiche weibliche Karriere?

Mit dem Wechsel in Teilzeit setzen sich Frauen nach der Geburt ihrer Kinder in Deutschland der Karriere oft ein Ende. Gibt es andere Nationen, die Teilzeitarbeit für Mütter ebenso intensiv praktizieren wie die Deutschen?
Keine der anderen vier Nationen, die ich untersucht habe. In Frankreich nimmt zwar seit einiger Zeit das Teilzeitmodell bei Frauen mit mehreren Kindern zu. Aber die gesellschaftliche Norm ist, dass beide – Männer wie Frauen – in Vollzeit arbeiten. Trotzdem wollen mehr und mehr Frauen nicht mehr die Doppelbelastung in Kauf nehmen. Aber man muss dazu wissen, dass Frauen in Frankreich oftmals die ganze Last allein stemmen. Viel Hilfe von den Vätern oder Großeltern bekommen französische Karrierefrauen nicht. Außerdem diskutieren Franzosen die übliche, frühkindliche Fremdbetreuung in den vergangenen Jahren kritischer. Das war in Frankreich bisher eher ein Tabu – Frau sprechen nicht über die Belastungen nach einer Geburt oder über ihre Probleme, Job und Kinder unter einen Hut zu bringen.

Einer deutschen Expat in Paris, die beim Elternabend zugab, nur Hausfrau zu sein, konnte es passieren, fortan geschnitten zu werden. Weil sie in den Augen der Französinnen ein schlechtes Vorbild für die Töchter abgab?
In Russland und China haben die Frauen Mütter und Großmütter als Rollenvorbilder, die voll berufstätig und teilweise den Vätern im Erfolg voraus waren. Hier fällt es Frauen auch leichter, von Anfang an ihr Ziel, Chefin zu werden zu definieren, weil das Umfeld diese Möglichkeiten im großen Stil vorlebt. Der Himmel für künftige Chefinnen ist sozusagen unbegrenzt. In Deutschland, Japan und Frankreich sind unter Müttern eher auch mal Hausfrauen zu finden. Das heißt, Frauen müssen sich gegebenenfalls länger damit beschäftigen, was sie eigentlich wollen, wenn ihnen die Option Hausfrau vorgelebt wurde. Der Himmel ist sozusagen zweigeteilt, Frauen werden sozialisiert mit der Option „Ich kann wählen“. Die Top-Managerinnen in diesen drei Ländern wurden aber durch ihre Mütter angespornt und haben erfolgreiche Väter als Vorbilder.

Was ist mit Frauen, die keine Kinder haben: Sprechen Deutsche von Frauen im Job, machen sie regelmäßig aus jeder Frau eine Mutter und drücken ihr das Klischee auf. Ist das anderswo ähnlich?
Auffällig ist jedenfalls, dass die meisten Karrierefrauen in Russland, China oder Frankreich durchaus Kinder haben. Hierzulande hat nur jede dritte Top-Managerin Kinder. Über 70 Prozent sind kinderlos, zeigen Untersuchungen. Dass Kinder eine zusätzliche Belastung auf dem Weg an die Spitze bedeuten, darin sind sich alle Nationalitäten einig. Allerdings gibt es Riesenunterschiede bei den Unterstützungssystemen in den verschiedenen Ländern. Chinesinnen haben es hier sicher am besten von allen.

Welches Rezept gilt für eine erfolgreiche weibliche Karriere?
Erstens brauchen Frauen einen Partner, der bereit ist, karrieretechnisch eher mal zurückzutreten. Zweitens müssen sie viele Unterstützungsbausteine nutzen, nicht nur auf den Staat hoffen, sondern delegieren, delegieren, delegieren. Vor allem den deutschen Frauen sitzt das Schreckensbild der Rabenmutter im Nacken. Das hindert viele, freier zu denken. Sie wollen alles miteinander vereinbaren. Anders als die Chinesinnen, die einfach sagen: „Balance war nie mein Ziel“. Die Französinnen bemitleiden sogar ihre deutschen Kolleginnen, die meinen, Kind und Karriere würden sich ausschließen. Immer dort, wo Frauen sich nicht von stereotypen Erwartungshaltungen an die Mutterrolle lösen können, wird es schwierig.

Sind Top-Managerinnen solidarisch? In welchen Nationen befördern Frauen vor allem andere Frauen?
Die Französinnen haben starke Netzwerke und Verbindungen zu Mentoren. Die gehen bei vielen tief in die typischen inneren Zirkel der französischen Elite- und Machtkreise, die meistens überwiegend Männer- und keine Frauenkreise sind. Das hilft ihnen vor allem am Anfang der Karriere und bei Arbeitgeberwechseln. Den Chinesinnen wird das Geben und Nehmen schon kulturell in die Wiege gelegt. Frauen wie Männer verlieren ihr Gesicht, wenn sie auf einen Gefallen hin nicht selbst ebenso Hilfe gewähren. Das läuft ganz automatisch. Die deutschen Top-Managerinnen bezeichnen sich als lernende Netzwerkerinnen. Die müssen erst noch lernen, dass netzwerken nicht nur bedeutet, zu einem Netzwerktreffen zu gehen und Visitenkarten auszutauschen, sondern auch gezielt zu nehmen und zu fördern.

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