Braden Wallake ist CEO der US-Marketingagentur HyperSocial und musste kürzlich einige Mitarbeiter entlassen. Dabei kämpfte er offensichtlich mit großen Schuldgefühlen, denn der Manager konnte seine Tränen nicht zurückhalten. Dieser Fall hat in den USA für großes Aufsehen gesorgt und ist auch für deutsche Führungskräfte interessant. Denn der richtige Umgang mit emotionalen Situationen fällt auch ihnen schwer. Das weiß auch Heike Cohausz aus ihrer langjährigen Beratungspraxis. Als Coach unterstützt sie Unternehmen bei Veränderungsprozessen, die eben genau solche schwierigen Momente mit sich bringen.
WirtschaftsWoche: Frau Cohausz, haben Sie einen ähnlichen Fall, wie den des weinenden US-CEOs in Ihrer Beratungspraxis schon mal erlebt?
Heike Cohausz: Einen weinenden CEO habe ich noch nicht erlebt. Leider gehören Restrukturierungen und Trennungen zum Leben eines Top-Managers. Und dennoch, Entlassungen gehen nicht spurlos an Geschäftsführern und Managern vorüber. Vielen fallen solche Gespräche sehr schwer. Gerade gute Führungskräfte zeichnen sich ja durch ihre Empathie und klare Werte aus.
Haben Sie schon Manager erlebt, die diese Schuldgefühle nicht mehr ertragen haben und daraufhin zum Beispiel in eine besser laufende Branche wechselten oder ihre Führungsposition zugunsten einer Fachkarriere aufgegeben haben?
Nein. Inzwischen gibt es in jeder Branche Höhen und Tiefen, so dass Manager nie vermeiden können, irgendwann harte Entscheidungen zu treffen und schlechte Botschaften zu überbringen. Wenn ein Manager eine Führungskarriere zu Gunsten einer Fachkarriere aufgibt, hat das andere Gründe.
Brauchen Top-Manager selbst Unterstützung, wenn sie Mitarbeiter entlassen müssen?
Unterstützung wäre in vielen Fällen sicher angebracht. Das beginnt schon beim Ablauf. Weil größere Entlassungen Chefsache sind, die Erstkommunikation durch das Top-Management erfolgen und die Entscheidung überzeugend begründet sein muss, vergeht oft viel Zeit bis zur Kommunikation. Der Flurfunk ist dann oft schneller und es kommt zu Verunsicherung. Das sollte auf jeden Fall vermieden werden. Trennungen müssen fair und mit Anstand umgesetzt werden. Verbleibenden Mitarbeitern muss erklärt werden, warum es zu den Kündigungen kam. Nur so kann die Basis für einen Neuanfang geschaffen werden.
Das Schwierigste sind dabei sicherlich die Entlassungsgespräche selbst.
Ja, die Führungskräfte sind dann unmittelbar mit den Emotionen der ausscheidenden Mitarbeiter konfrontiert. Das ist extrem schwierig, auch weil oft eine größere emotionale Nähe besteht, da man seit vielen Jahren eng miteinander gearbeitet hat. Manchmal bestehen auch private Freundschaften.
Tipps für das Kündigungsgespräch
Verwenden Sie keinesfalls Sätze wie: „Es wird schon nicht so schlimm werden!“, „Mach Dir keine Sorgen!“ oder „Das Leben geht doch weiter!“
Floskeln vermitteln dem Gekündigten nur, dass Sie mit seinen Emotionen nicht zurechtkommen. Sie wirken dadurch verunsichert. Ihre möglicherweise gute Absicht, Trost zu spenden, wird jedenfalls nicht erreicht.
Sagen Sie nicht: „Wenn ich hätte wählen können, hätte ich den Müller rausgeworfen, nicht Dich!“ oder „Was soll ich denn machen? Ich habe das ja nicht entschieden!“
So vermitteln Sie nur Hilflosigkeit und verdrehen das Geschehen auf eine fast unlautere Art und Weise: Sie zwingen den Anderen, Sie als „Opfer“ mit seinem berechtigten Schmerz zu verschonen. Außerdem müssten Sie damit rechnen, dass der betroffene Mitarbeiter seinen Gefühlen bei den Kollegen freien Lauf lässt.
Gehen Sie nicht lax oder fahrlässig mit den Gefühlen Ihrer verbliebenen Mitarbeiter um! Sparen Sie sich scheinbare Aufmunterungen wie „Ihr könnt Euch freuen, Euch betrifft es ja nicht!“
Erkennen Sie stattdessen deren Emotionen an. Es ist für niemanden einfach, wenn Kollegen entlassen werden – die Gefühle bewegen sich von Hilflosigkeit, Scham und schlechtem Gewissen gegenüber den gekündigten Kollegen bis hin zu Sorge und Ärger aufgrund der neuen Mehrarbeit.
Machen Sie grundsätzlich keine Aussagen über anstehende Entlassungen. Falls aber einer Ihrer Mitarbeiter nachfragen sollte, geben Sie ihm kleine Bissen Information. So vermeiden Sie, dass die Gerüchteküche erst richtig brodelt und möglicherweise unter den Mitarbeitern ein Hauen und Stechen beginnt.
Bleiben Sie bei der Wahrheit! Geben Sie den Bleibenden keine anderen Begründungen für die Kündigung als dem Gekündigten. Wenn auch nur einer der entlassenen Kollegen über die wahren Hintergründe spricht, haben Sie Ihr Image nachhaltig geschädigt. Das Vertrauen in Sie als Vorgesetzter ist dann verloren. In so einem Fall ist es sehr schwer, eine Mannschaft wieder in die Spur zu bringen.
Wie kann in solchen Fällen jemand Externes helfen?
Ein Kommunikationsberater etwa kann ihnen helfen, klare Botschaften zu formulieren. Denn nichts ist schlimmer als ein verunsicherter Mitarbeiter, der am Ende eines Trennungsgesprächs gar nicht sicher ist, was ihm nun bevor steht. Aber auch ein Coach, der auf verschiedene Reaktionstypen in Kündigungsgesprächen vorbereitet oder als Gesprächspartner zur Verfügung steht, um die eigenen Emotionen besser zu verarbeiten, kann helfen.
Daimler hatte vor einigen Jahren Spezialisten beauftragt, die den Führungskräften beibrachten, sie sollten die Mitarbeiter möglichst schnell abfertigen und nicht auf deren Alternativvorschläge eingehen. Gehört das zum Programm, um Schuldgefühle gar nicht erst entstehen zu lassen?
Da geht es nicht darum, Gefühle zu vermeiden. Sondern darum, die Trennungsbotschaft ganz klar zu senden. Seit 20 Jahren erlebe ich es immer wieder, dass betroffene Mitarbeiter die Kündigung gar nicht wahrnehmen oder sie verdrängen, obwohl mir die Führungskraft versichert, dass sie es nicht hätte deutlicher formulieren können.
Was raten Sie Unternehmen, wenn sie Entlassungen nicht vermeiden können?
Dass sie diese Abgänge verstärkt für ihr Employer-Branding nutzen sollen.
Das hört sich hört sich widersinnig an. Das müssen Sie erklären.
Die größte Angst eines Mitarbeiters, der entlassen wird, ist sich nicht am Arbeitsmarkt zurecht zu finden, weil ihm die richtigen Kontakte fehlen. Unternehmen sind deshalb gut beraten, die eigenen Netzwerke zu Kunden und Lieferanten aktiv einzusetzen, um ihren Ehemaligen Anschlusspositionen zu besorgen. Damit schaffe ich mir nicht nur Freunde im Markt, sondern erziele auch eine starke Innenwirkung. Die verbleibenden Mitarbeiter sehen, dass sie sich für ihre Belegschaft einsetzen.
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