WiWo-Topkanzleien: Die besten Anwälte für Kartellrecht Warum sich bei Wettbewerbsfällen immer weniger Kronzeugen melden

Dicke Brummer: Über 13 Jahre hatten mehrere europäische Lkw-Hersteller die Preise abgesprochen. Quelle: Visum/Andy Ridder

Die Kronzeugenregelung ist der bequemste Weg fürs Kartellamt, Monopole auszuschalten. Doch nun melden sich immer weniger Mitwisser. Liegt es am Einsatz der Kartellrechtler?

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Was waren das für bequeme Zeiten: Es ist noch nicht lange her, da musste das Bundeskartellamt, wenn es erste Hinweise auf einen Machtmissbrauch hatte, gar nicht selbst ermitteln. Die Beweisführung nahmen ihm die Unternehmen ab. Möglich machte es eine im Jahr 2002 geschaffene Klausel: die Kronzeugenregelung.

Zeigte ein Unternehmen sich – und die anderen Kartellmitglieder – selbst an, konnte es die Strafzahlung drastisch reduzieren. Viele Konzerne nutzten diesen Schritt, spätestens, wenn das Kartellamt nach einem ersten Verdacht Büros und Wohnungen durchsuchte, um Beweise für verbotene Absprachen zu finden.

Nun aber ist die Zahl der Kronzeugenanträge drastisch eingebrochen: Nur noch zehn Anträge erfolgten im vergangenen Jahr, fast sechsmal so viele waren es noch fünf Jahre zuvor.

„Auf der EU-Ebene, wo es um die Verfolgung internationaler Kartelle über die Landesgrenzen hinweg geht, ist diese Entwicklung sehr ähnlich“, beobachtet Daniela Seeliger, Kartellrechtlerin bei der Kanzlei Linklaters. Aus ihrer Sicht gibt es dafür eine eindeutige Erklärung: die wachsende Zahl zivilrechtlicher Schadensersatzklagen. Kunden, die durch die verbotenen Absprachen zu hohe Preise zahlen mussten, verlangen eine Entschädigung. Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen erleichtert den Geschädigten solche Klagen seit 2017.

Das ist zwar im Prinzip im Sinne des Verbrauchers und der Kunden – aber eben nur, wenn die Kartelle überhaupt aufgedeckt werden. „Der Gesetzgeber hatte wohl unterschätzt, dass diese Schadensersatzklagen für Kartellanten meist deutlich teurer werden als die Geldbuße“, sagt Seeliger. Das aber macht die Kronzeugenregelungen unattraktiv, da die dadurch gesparten Kosten nicht mehr so stark ins Gewicht fallen. „Zumal die Zahl der Schadensersatzklagen ständig steigt“, fügt Seeliger an.

Beim Lkw-Kartell, das 2011 aufgedeckt wurde, sind allein in Deutschland über 460 Klagen anhängig. Damals hatten die Hersteller untereinander Informationen über die Bruttopreislisten für Lkw ausgetauscht, nun fordern deren Kunden Schadensersatz. Und greifen dabei auf eine regelrechte Klägerindustrie zurück, aus spezialisierten Anwaltskanzleien, Beratern und Prozessfinanzierern, wie Thorsten Mäger von der Kanzlei Hengeler Mueller beobachtet. Für 100.000 bis 200.000 Euro erstellen Spezialberatungen wie DICE, Lademann & Associates oder Alix Partners Gutachten, in denen sie die Schadenssummen für die Gerichte errechnen.

Zur Methode

Keinerlei schlechtes Gewissen

Doch in Teilen könnte die Zurückhaltung der Kronzeugen auch von einer tatsächlichen Läuterung zeugen. Zumindest bei den meisten großen Konzernen, die inzwischen Geld und Zeit investieren, um Mitarbeiter über illegale Absprachen aufzuklären, scheint es seltener zu illegalen Absprachen zu kommen als früher.

Die renommiertesten Kanzleien und Anwälte für Kartellrecht
Die renommiertesten Kanzleien und Anwälte für M&A

Thyssenkrupp beispielsweise hat seine Complianceabteilung auf ein 80 Mann starkes Team aufgestockt, das weltweit von weiteren 250 Compliancemanagern unterstützt wird. Linklaters-Partnerin Seeliger erzählt, dass sie es in den vergangenen zehn Jahren alleine auf rund 250 Schulungen in verschiedenen Konzernen gebracht hat. Die Aha-Erlebnisse, wenn dort Mitarbeiter am Rande ihr nur „mal eben eine Frage“ stellten und plötzlich ein handfestes Problem dabei herauskomme, seien inzwischen sehr viel seltener geworden.

Anders sei die Lage bei kleineren Unternehmen, meint Anwalt Sascha Dethof von Fieldfisher. Dort erfahre er nach wie regelmäßig von Kartellverstößen, begangen „oft ohne jedes schlechte Gewissen“. Oder von übergriffigen Lieferanten wie dem Elektronikhersteller Bose, der erst kürzlich eine Buße von knapp sieben Millionen Euro kassierte, weil er seinen Händlern zu niedrige Preise untersagte.

Auf der nächsten beiden Seiten finden Sie die Listen mit den renommiertesten Kanzleien und Anwälten für Kartellrecht und M&A, die die WirtschaftsWoche gekürt hat:

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