Zeitmanagement Die hohe Kunst des Multitasking

Parallel E-Mails beantworten, Dokumente sichten und dabei Gespräche führen: Das gilt als unrealisierbar und ineffektiv. Multitasking genießt aber zu Unrecht einen schlechten Ruf. Warum gleichzeitig manchmal gut ist.

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Bei diesen Berufen gibt es die meisten Arbeitsausfälle
Bauarbeiter auf einem Gerüst Quelle: AP
Reinigungskraft Quelle: AP
Medizintechnik Quelle: dpa
Logistik Quelle: dpa
Busfahrer Quelle: dpa
Fliesenproduktion Quelle: ZB
Mitarbeiter des Sicherheitsunternehmens Securitas Quelle: dpa

Oliver Vins macht alles falsch. Sofort nach dem Aufstehen checkt er seine E-Mails, immer denkt er an alles gleichzeitig: Marketingkonzept planen, Vertriebskanal testen, Produktentwicklung prüfen. Kaum ist er an seinem Schreibtisch angekommen, wird er mit Informationen zugeschüttet. Und wenn einer seiner Mitarbeiter fragt „Hast du mal fünf Minuten?“, sagt er meistens: „Klar, schieß los!“

Ernsthaft, wie kann man so arbeiten? Management-Coaches, Psychologen und andere Lebenshelfer sagen doch seit Jahren: Wer alles gleichzeitig macht, macht nichts richtig. Forscher der Uni Michigan wollen sogar herausgefunden haben, dass das Gehirn um bis zu 40 Prozent weniger leistungsfähig ist, wenn gleichzeitig statt nacheinander gearbeitet wird.

Bei Oliver Vins ist das jedoch anders. „Indem ich multitaske, arbeite ich effektiver“, sagt der ehemalige McKinsey-Berater, der im Oktober 2014 zusammen mit Thomas Bloch das Fintech-Start-up Vaamo gegründet hat. Sie arbeiten an einer Plattform, über die Privatpersonen ihr Geld fast vollautomatisch anlegen können. „Als Vorstand habe ich ganz unterschiedliche Themen auf der Platte“, sagt Vins. Täglich muss er Entscheidungen zur Produktentwicklung, zum Marketing und zum Vertrieb treffen. „Wenn ich nicht vieles gleichzeitig bearbeiten würde“, sagt er, „käme das Geschäft zum Erliegen.“

Damit ist Vins nicht allein. In einer Umfrage der Unternehmensberatung Accenture gaben 96 Prozent der Arbeitnehmer an, einen Teil ihres Tages mit dem gleichzeitigen Erledigen mehrerer Aufgaben zu verbringen. Und das ist auch gar nicht schlimm, findet Andreas Zimber. Der Psychologe der SRH Hochschule Heidelberg glaubt, dass Multitasking gar nicht so schlecht ist wie sein Ruf.

Viele der Studien, die in den vergangenen Jahren zu dessen negativen Effekten veröffentlicht wurden, hätten mit dem Arbeitsalltag nur wenig zu tun, sagt Zimber. „Dort wurden grundsätzlich die Grenzen der Fähigkeit zur Informationsverarbeitung getestet“, sagt der Psychologieprofessor. „Die Resultate sind deswegen oft überhaupt nicht praxisnah.“

Was stimmt, ist: Bei reinen Denkleistungstests, wie sie in Studien häufig gestellt werden, macht Multitasking langsamer und fehleranfällig. Im Arbeitsleben muss man sich aber eher selten Wörter merken und gleichzeitig Zahlen zusammenrechnen. Psychologe Zimber schlägt deshalb eine andere Definition vor: „Wer an einem Arbeitstag mehrere Aufgaben in begrenzter Zeit erledigen muss, der multitaskt.“

Arbeiten sie mit dieser Definition, kommen auch Forscher zu anderen Ergebnissen. Der Ökonom Vangelis Souitaris von der Cass Business School veröffentlichte vor fünf Jahren ein Papier. Er befragte rund 200 CEOs und Führungskräfte von britischen Technologiefirmen zu ihrer Arbeitsweise und ordnete sie in unterschiedliche Gruppen ein: Auf der einen Seite echte Multitasker, auf der anderen die, die lieber alles schön der Reihe nach machen. Das Ergebnis: Die Unternehmen, in denen besonders viele Multitasker arbeiteten, waren deutlich erfolgreicher und erwirtschafteten mehr Umsatz.

Ob das tatsächlich mit der Arbeitsweise der Manager zu tun hat, lässt sich nach nur einer Studie zwar noch nicht definitiv sagen. Doch Souitaris ist sich sicher: „Wer bereit ist, mehrere Dinge gleichzeitig zu tun, bleibt offen für neue Informationen und kann mithilfe dieser Informationen bessere Entscheidungen treffen“, sagt der Ökonom. Multitasking lohne sich daher. „Und man kann es lernen.“

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