Zeitmanagement Die hohe Kunst des Multitasking

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Die Sache mit den Supertaskern

Wie das geht, erforscht David Strayer schon seit mehr als 20 Jahren. Der 58-jährige Psychologe von der Universität Utah wollte verstehen, wie das Gehirn arbeitet, wenn es so viel auf einmal machen muss. Und in einem seiner Experimente traf er dabei auf eine besondere Spezies: Er nennt sie „Supertasker“. In seinem Labor, dem Applied Cognition Lab, setzte der Amerikaner 50 Probanden vor einen anspruchsvollen Aufmerksamkeitstest. Dabei mussten sie sich abwechselnd Wörter merken und Rechenaufgaben lösen, während sie in einem Fahrsimulator einen Wagen unbeschadet von A nach B fahren sollten. Er erinnert sich noch genau an den Tag, als eine Testkandidatin dabei sein Verständnis vom menschlichen Denkvermögen veränderte. „49 von 50 Menschen im Labor waren furchtbar überfordert, eine war es nicht“, sagt Strayer. „Sie machte sogar weniger Fehler, wenn sie parallel arbeiten musste.“

Einige Tipps zum Umgang mit Unterbrechungen und Multitasking

Der Psychologe war ratlos, so etwas hatte er noch nie gesehen. Seitdem haben weitere Untersuchungen gezeigt, dass die Gehirne der Supertasker effizienter arbeiten, also weniger Energie für die gleiche Aufgabe aufbringen müssen. In einer aktuellen Studie schätzt der Psychologe, dass aber nur rund zwei Prozent der Bevölkerung über diese Fähigkeit verfügen.

Und die restlichen Menschen? Auch die sind zum Multitasking in der Lage. „Das Gehirn kann grundsätzlich Aufgaben gleichzeitig erledigen“, sagt Ferdinand Binkofski, der den Lehrstuhl für Klinische Kognitionsforschung an der Universitätsklinik Aachen leitet. Im Bewusstsein sei dabei zwar immer nur eine Hauptaufgabe, während die anderen im Hintergrund bleiben. Doch auch an den im Unbewussten gespeicherten Aufgaben arbeite das Gehirn weiter. „Diese Fähigkeit kann man durchaus trainieren“, sagt Binkofski.

Acht Tipps zum Stressabbau

Ökonom Souitaris rät, Multitasking wie einen Termin zu planen und sich entsprechende feste Zeitfenster zu suchen. Das können zum Beispiel drei Stunden sein, in denen man die Tür offen lässt, mit Kollegen spricht und ans Telefon geht. Dabei sollte man aber darauf achten, die Unterbrechung trotzdem kurz und zielorientiert zu halten, um danach wieder mit der eigentlichen Arbeitsaufgabe anzufangen. Mit der Zeit komme es zu einem Trainingseffekt, und das Gehirn schaffe die Abwechslung zwischen Unterbrechung und Hauptaufgabe immer besser.

Viele Aufgaben gleichzeitig zu erledigen funktioniert am besten, wenn man möglichst unterschiedliche Aufgaben mischt, sagt Psychologe Andreas Zimber: „Nach einem anstrengenden Gespräch würde ich nicht auch noch ein langes Teammeeting einplanen.“ Auch Zimber selbst ist inzwischen bekennender Multitasker. Zwischendurch aber sorgt er immer wieder für Ruhe, stellt E-Mail und Handy ab. „Und an der Tür habe ich eine Besucherampel aufgehängt: Rot heißt nicht stören, gelb bedeutet nur im Notfall, grün heißt, ich bin erreichbar.“

Hektik und Termindruck sind schädlich? Von wegen. Ja, Stress kann krank machen, aber eine Reihe neuer Studien zeigt: Mit der richtigen Attitüde macht Stress auch produktiv.

Ein gutes System, weil die Kunst der Gleichzeitigkeit immer wichtiger wird. „In vielen Berufen muss man heutzutage vor allem Informationen schnell bewerten und danach handeln“, sagt Vangelis Souitaris, „und dabei hilft Multitasking.“

Die Ökonomen Dennis Snower und Dennis Goerlich vom Kieler Institut für Weltwirtschaft haben anhand von historischen Daten rekonstruiert, wie sich der Berufsalltag in den vergangenen Jahrzehnten verändert hat. Im Jahr 1986 waren deutsche Arbeiter im Durchschnitt mit knapp zwei Aufgaben betraut, im Jahr 2006 waren es mehr als sechs. Den Grund für die wachsende Aufgabenlast sehen die Ökonomen vor allem darin, dass Arbeitgeber heute auf flachere Hierarchien setzen. Arbeitnehmer haben dadurch mehr Eigenverantwortung und deshalb mehr zu tun. Der Austausch mit Kollegen ist zudem wichtiger, auch das erhöht die Zahl der zu erledigenden Aufgaben.

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