Zeitmanagement Die hohe Kunst des Multitasking

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Ein kleines Büchlein verhindert Stress

Doch wie verliert man bei all dem nicht den Überblick? Heiko Freienstein setzt auf sein kleines Büchlein. Der Physiker arbeitet für den Industrieriesen Bosch am Forschungscampus in Renningen. Momentan tüftelt er an aktiven Fahrsicherheitssystemen wie automatischen Notbremsen, an passiven Sicherheitssystemen wie Airbags – und führt die Ergebnisse aus beiden Richtungen in einem Dachprojekt zusammen. „Ich habe immer mehrere Bälle in der Luft“, sagt Freienstein. „Multitasking ist für mich der Normalfall.“ Mehrmals am Tag muss er sich auf eine neue Aufgabe einstellen. In seinem Büchlein notiert er deshalb immer, für welches Projekt er wann was erledigen muss. Dringendes und Wichtiges hakt er zuerst ab. „Kurz vor einem Abgabetermin wird es auch mir manchmal zu hektisch“, sagt er.

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Doch grundsätzlich empfindet Freienstein den Wechsel zwischen den einzelnen Tätigkeiten als Bereicherung. „Es inspiriert mich, hier nicht nur im eigenen Saft zu schmoren, sondern auch aus anderen Ecken Impulse zu bekommen“, sagt er. Wenn er eine seiner Entwicklungen auf der Bosch-Teststrecke einem Härtetest unterziehen will, hat er immer auch seine anderen Projekte im Hinterkopf: „Durch die Arbeit an einem Problem fallen mir Lösungen für ein anderes ein.“

Beste Aussichten für Multitasker

Das ist einer der großen Vorteile des Multitaskings, glaubt die Psychologin Shelley Carson: Es macht kreativ. Für eine noch unveröffentlichte Studie ließ sie Probanden Anagramme lösen und einen Fachartikel über das Thema Big Data lesen. Einige sollten zwischen diesen beiden Aufgaben hin- und herspringen, andere mussten sie nacheinander bearbeiten. Zwar schnitten die Multitasker bei der Fleißarbeit wie erwartet schlechter ab. Danach testeten Carson und Moore allerdings die Kreativität der Studienteilnehmer. Sie sollten sich möglichst viele Verwendungen für eine Büroklammer überlegen. Wer zuvor zwischen den Aufgaben gewechselt hatte, bewies nun mehr Einfallsreichtum. Carsons Erklärung: Wechselt man von einem zum anderen Projekt, verarbeitet das Gehirn kurzzeitig Informationen aus beiden Aufgaben. Es kann so neue Assoziationen entstehen lassen.

Egal ob Über- oder Unterforderung: Beides macht auf Dauer krank - wenn man es zulässt. Denn Stress und Druck sind vor allem das, was man aus einer Situation macht. Das Problem: Jammern ist bequemer als handeln.
von Kerstin Dämon

Es sind oft die kreativen Genies, die interdisziplinär arbeiten. Der Psychologe Robert Root-Bernstein von der Princeton-Universität untersuchte die Forschungskarrieren von 40 Wissenschaftlern. Das Geheimnis der Erfolgreichsten: Sie arbeiteten im Schnitt in fünf Fachgebieten und sprangen ständig zwischen ihnen hin und her. Leonardo da Vinci malte nicht nur die Mona Lisa, sondern tüftelte auch Pläne für Flugmaschinen aus.

Heute arbeiten die Alleskönner zum Beispiel im Silicon Valley. Wie Elon Musk, der parallel den Elektroautohersteller Tesla, das Raumfahrtunternehmen SpaceX und gleichzeitig als Chairman beim Solarmodulbauer SolarCity fungiert. Solche Typen sind künftig noch mehr gefragt.

Glaubt man den Oxford-Forschern Carl Benedikt Frey und Michael Osborne, werden 47 Prozent aller Jobs, die im Jahr 2010 in den Vereinigten Staaten noch existierten, 20 Jahre später mit großer Wahrscheinlichkeit automatisiert sein. Computer und Roboter können eines sehr gut: eine klar festgelegte Tätigkeit möglichst fehlerfrei in kurzer Zeit erledigen. Vor der Konkurrenz durch Computersysteme müssen sich deshalb zum Beispiel Taxi- oder Busfahrer fürchten.

Für einige Berufsgruppen geben Frey und Osborne jedoch Entwarnung: „Kreative Berufsgruppen sind besser gegen zunehmende Automatisierung und Computerisierung abgesichert“, schreiben sie. Und für die muss man vor allem eines können: Multitasking.

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