Manfred Gentz "Männer haben nur noch Alibi-Funktion"

Der Aufsichtsratschef der Deutschen Börse über Hausmänner und Frauen in Führungspositionen.

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Manfred Gentz ist Aufsichtsratschef der Deutschen Börse

Herr Gentz, im Aufsichtsrat der Deutschen Börse sitzt mit Birgit Bokel als Vertreterin der Arbeitnehmerseite eine Frau unter 17 Männern. Ganz schön mager, oder?

Gentz: Wir wollen das auch ändern: 2012 soll mindestens eine Frau als Vertreterin der Kapitalmarktseite dazukommen, 2015 eine weitere – es können aber auch gern doppelt so viel sein.

Selbst damit wären Sie von einer Frauenquote von 30 Prozent, mit der Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen kokettiert, noch ein gutes Stück entfernt.

Gentz: Ich würde mich zwar auch freuen, mehr Frauen in Aufsichtsräten und Vorständen deutscher Unternehmen zu sehen. Im Moment allerdings ist klar: Bis wir Führungspositionen zu 30 oder 40 Prozent mit Frauen besetzen können, werden eher zehn als fünf Jahre ins Land ziehen. Wir haben derzeit in Deutschland weder genügend Frauen, die ausreichend auf diese Posten vorbereitet sind. Noch gibt es genügend Kandidatinnen, die bereit sind, die Belastungen auf sich zu nehmen, die diese Funktionen im Hinblick auf ihre Familien mit sich bringen. Das führt zurzeit zu absurden Konstellationen.

Welchen?

Gentz: Unternehmen, die derzeit nach neuen Aufsichtsräten suchen, interessieren sich fast ausschließlich für Frauen. Auch auf den Empfehlungslisten der Headhunter sind Frauen längst in der Überzahl. Die Männer haben dort mitunter nur noch Alibi-Funktion. Selbst wenn sie besser qualifiziert sein sollten als ihre Konkurrentinnen, ist davon auszugehen, dass derzeit meistens die Frauen den Vorzug erhalten. Das könnte man als umgekehrte Diskriminierung bezeichnen – und ist rechtlich nicht in Ordnung.

Viele Unternehmen haben in den letzten Wochen gezielt Frauen in Aufsichtsräte oder operative Führungspositionen geholt. Wollen Sie die alle vor Gericht zerren?

Gentz: Natürlich nicht. Rechtsverstöße sind in diesem Zusammenhang auch nur schwer nachzuweisen. Für wie qualifiziert man jemand hält, ist Ermessensfrage.

Sprechen Sie Frauen die Qualifikation ab?



Gentz: An der hohen fachlichen Qualifikation vieler Frauen habe ich keinen Zweifel. Was vielen sehr gut ausgebildeten Frauen allerdings oft fehlt, ist Erfahrung im Management komplexer Organisationen. Und anders als viele Männer sind Frauen häufig weniger bereit, Zeit und Energie bedingungslos in ihre Karriere zu stecken. Die Erfahrung lehrt: Über die klassische Ochsentour durch die Hierarchiestufen bleiben zu viele Frauen auf der Strecke, weil ihnen die Familie wichtiger ist. Das müssen wir ändern.

Wie?

Gentz: Indem wir die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern, wenn sie zwischen 30 und 40 eine Weile beruflich pausieren, um mehr Zeit für Kinder und Familie zu haben. Diese Unterbrechungen, vor allem wenn sie sich bei mehreren Kindern summieren, sind unter Karriereaspekten bisher schwer aufholbar gegenüber Konkurrenten, die diese Unterbrechungen nicht haben. Das gilt auch für Männer: Unsere Gesellschaft akzeptiert Hausmänner viel zu wenig. Übrigens haben gerade Frauen oft Schwierigkeiten mit diesem Rollenbild. Ein gesellschaftspolitisches Problem, an dem wir ebenso arbeiten müssen wie an einer besseren Kinderbetreuung.

Daniela Weber-Rey, Ihre Kollegin in der Corporate Governance Kommission, hat drei Kinder großgezogen und es trotzdem bis zur Partnerin in der britischen Kanzlei Clifford Chance gebracht. Auch weil sie zum Teil bereits wenige Stunden nach der Niederkunft wieder am Schreibtisch saß.

Gentz: Aus meiner Aufsichtsratstätigkeit in der Schweiz kenne ich eine ähnlich beeindruckende Geschichte. Aber das sind Einzelfälle – und diese werden von vielen Frauen auch oft nicht als Vorbild gesehen, weil sie der Betreuung ihrer Kinder den Vorrang geben.

In den USA gibt es Quoten für Minder-heiten aller Art. Wie wird sich die beabsichtigte Fusion der Deutschen Börse mit der New York Stock Exchange auf die Quotendiskussion in Ihrem Unternehmen auswirken?

Gentz: Wahrscheinlich kaum. Unabhängig davon wird sich in Deutschland die Diskussion um Quoten verschiedener Diversity-Gruppen aber eher noch verstärken.

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