Midlife Crisis Wie Sie durch die fiesen Vierziger kommen

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Am unzufriedensten zwischen 42 und 47


Was die Deutschen bei der Arbeit krank macht
Die Liste prominenter Namen ist lang: Ex-SPD-Chef Matthias Platzeck, Schauspielerin Renée Zellweger, Fernsehkoch Tim Mälzer, Skispringer Sven Hannawald, Profifußballer Sebastian Deisler und auch die Medienwissenschaftlerin Miriam Meckel. Ihre Gemeinsamkeit: Wegen völliger Erschöpfung zogen sie die Reißleine. Aber es trifft nicht nur Prominente. Psychische Erkrankungen sind der Grund Nummer eins, warum Arbeitnehmer eine Auszeit brauchen - oder sogar in Frührente gehen. Ganze 41 Prozent der Frühverrentungen haben psychische Erkrankungen als Ursache. Diese nahmen laut Krankenkasse DAK-Gesundheit 2012 um vier Prozent zu, rückten erstmals auf Platz zwei aller Krankschreibungen hinter Muskel- und Skeletterkrankungen. Und die Ursachen für diese Krankheiten der Seele liegen oft im Job. Quelle: Fotolia
Die globalisierte Arbeitswelt, die internationalen Verflechtungen der Konzerne, der Konkurrenzdruck: All das zusammen erhöht die Anforderungen an die Beschäftigten. Ihre Arbeitstage werden immer länger, auch an den Wochenenden sitzen sie im Büro oder zu Hause am Schreibtisch, überrollt von einer Lawine von E-Mails. In dieser Tretmühle sind viele dann ausgelaugt, überfordert, verzweifelt, kraftlos. Der Akku ist - salopp gesprochen - leer. Quelle: Fotolia
Die Arbeitsbelastung führe zudem auch immer öfter zu Krankheiten, heißt es weiter. Klagten 2006 noch 43 Prozent über Rückenschmerzen waren es im vergangenen Jahr bereits 47 Prozent. Während 2006 nur 30 Prozent unter stressbedingten Kopfschmerzen litten, waren es 2012 bereits 35 Prozent. Die Anzahl der von nächtlichen Schlafstörungen geplagten Arbeitnehmern stieg von 20 auf 27 Prozent. Quelle: Fotolia
Am häufigsten belastet fühlen sich die Beschäftigten - 58 Prozent - nach dem neuen "Stressreport Deutschland 2012 " der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) durch Multitasking, also das Sich-Kümmern-Müssen um mehrere Aufgaben gleichzeitig. Quelle: Fotolia
Jeder zweite der rund 18000 Befragten (52 Prozent) arbeitet unter starkem Termin- und Leistungsdruck. Laut BAuA hat sich der Anteil der von diesen Stressfaktoren betroffenen Beschäftigten auf dem relativ hohen Niveau des vergangenen Jahrzehnts stabilisiert. Jeder vierte (26 Prozent) lässt sogar die nötigen Ruhepausen ausfallen, weil er zu viel zu tun hat oder die Mittagspause schlicht nicht in den Arbeitsablauf passt. Quelle: Fotolia
Immerhin 43 Prozent klagen aber über wachsenden Stress innerhalb der vergangenen zwei Jahre. Außerdem wird fast jeder Zweite (44 Prozent) bei der Arbeit etwa durch Telefonate und E-Mails unterbrochen, was den Stress noch erhöht. Quelle: Fotolia
Insgesamt 64 Prozent der Deutschen arbeiten auch samstags, 38 Prozent an Sonn- und Feiertagen. So kommt rund die Hälfte der Vollzeitbeschäftigten auf mehr als 40 Arbeitsstunden pro Woche, rund ein Sechstel arbeitet sogar mehr als 48 Stunden. Und das ist nicht gesund: Seit Längerem weisen Wissenschaftler auf einen Zusammenhang zwischen langen Arbeitszeiten, psychischer Belastung und gesundheitlichen Beschwerden hin: Je mehr Wochenarbeitsstunden, desto anfälliger. Bei Menschen, die 48 Stunden und mehr pro Woche arbeiten, ist die Gefahr für physische und psychische Erkrankungen am höchsten. Quelle: Fotolia


Mit diesem Phänomen haben sich in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche Psychologen auseinandergesetzt. Seitdem gilt es als erwiesen, dass die meisten Menschen im vierten Jahrzehnt ihres Lebens tatsächlich unzufriedener sind. Oder anders formuliert: Unser persönliches Wohlbefinden verläuft in Form einer U-Kurve.

Zu dieser Erkenntnis gelangten im Jahr 2008 zum Beispiel die beiden Forscher David Blanchflower (Dartmouth College) und Andrew Oswald (Universität von Stirling). Für eine Studie (.pdf) werteten sie verschiedene Umfragen aus. Darin hatten mehr als 500.000 Personen aus 72 Ländern über Jahrzehnte hinweg ihr seelisches Befinden kundgetan.

Und dabei entdeckten Blanchflower und Oswald: In der Jugend ging es den Menschen gut, doch dann fiel das Wohlbefinden plötzlich bis zur Mitte des Lebens. Den Tiefpunkt erreichte die persönliche Zufriedenheit etwa zwischen dem 42. und 47. Lebensjahr – und danach stieg sie wieder an.

Doch noch verblüffender war: Dieser vorübergehende Sinkflug und anschließende Anstieg war unabhängig davon, es sich um Männer oder Frauen handelte, Europäer oder Amerikaner, Reiche oder Arme, Ledige oder Verheiratete. Aber warum?

In acht Schritten zum Burn-Out


Eine mögliche Erklärung liefert die sozioemotionale Selektivitätstheorie der US-Psychologin Laura Carstensen. Sie ging davon aus, dass Menschen ihr Handeln bewusst danach ausrichten, wie viel Zeit ihnen noch auf der Erde bleibt. In der Kindheit und der Jugend schmieden sie Pläne, träumen von einer schnellen Karriere, wollen ein Haus bauen, Länder besuchen und Bäume pflanzen.

Doch in der Lebensmitte realisieren sie, was sie bislang noch nicht erreicht haben – und vielleicht auch nie erreichen werden. Gleichzeitig steigt ihr Bedürfnis nach Sicherheit und Geborgenheit, da die Uhr des Lebens langsam abläuft. Und dieser Zustand verursacht Stress.

Auch bei Affen. Das zumindest legte im vergangenen Jahr Alexander Weiss von der Universität Edinburg nahe. Für eine Untersuchung befragte er Pfleger und Wissenschaftler, die 155 Schimpansen und 172 Orang-Utans in Nordamerika, Asien und Australien betreuten. Die Experten gaben einerseits an, wie alt die Affen waren und andererseits, wie sie gelaunt waren, ob sie gerne mit Artgenossen spielten, wie gut sie gehorchten und wie glücklich sie ihnen vorkamen.
Kaum zu glauben: Auch bei den Affen entdeckte Weiss die U-Kurve. In jungen Jahren waren die Tiere glücklich und zufrieden, dann wurden sie bis zur Mitte des Lebens missmutiger, danach stieg ihre Laune wieder.
Offenbar liegt uns die Midlife-Crisis also teilweise in den Genen. Und ihre Auswirkungen sind mitunter ziemlich drastisch – zumindest auf der Leinwand. Das prominenteste Beispiel lieferte im Jahr 1999 der Film „American Beauty“. Kevin Spacey spielte darin die Rolle des Lester Burnham, der seinen gut bezahlten Job kündigte, in einem Imbiss anheuerte, plötzlich Drogen nahm, einen Sportwagen kaufte und sich in die beste Freundin seiner Tochter verliebte.
Nun muss die Midlife Crisis nicht immer so dramatisch verlaufen. Doch auch die harmlose Variante ist im Berufsleben spürbar – heute mehr denn je.

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