Früher gab es in vielen Unternehmen noch eine Art ungeschriebenen Vertrag, dass Mitarbeiter bei entsprechendem Einsatz aufsteigen und nicht gekündigt werden. Doch dieser Vertrag existiert heute in vielen Branchen nicht mehr. Die einen Mitarbeiter fallen Umstrukturierungen und Kündigungswellen zum Opfer, sprich: Sie müssen sich neu orientieren. Die anderen wollen das freiwillig.
„In der Midlife Crisis realisieren Menschen vor allem, dass ihr Leben endlich ist“, sagt auch der Psychologe Roland Kopp-Wichmann. Was vorher eine verstandesmäßige Erkenntnis war, werde nun auch emotional begriffen. Hier stockt die Karriere, dort nähern sich gesundheitliche Probleme. Kurzum: Alles kommt auf den Prüfstand, auch der Job. Und die Prioritäten verschieben sich. Finanzielle Anreize allein befrieden nicht mehr, die Menschen stellen Fragen nach dem Sinn der Tätigkeit und auch der Nachhaltigkeit: „Findet der Mitarbeiter darauf keine gute Antwort, ist er heute eher bereit zu wechseln“, sagt Kopp-Wichmann.
Natürlich könnte man daran verzweifeln und sich darauf fokussieren, was man alles verpasst hat. Aber wirklich besser gehen würde es einem dadurch nicht. Deshalb lässt sich die Midlife Crisis auch als Chance begreifen. Damit ist nicht zwangsläufig die überstürzte Kündigung gemeint. Zuvor sollten sich die Betroffenen Fragen beantworten: Wollen Sie Ihre Stelle wirklich wechseln? Oder flüchten Sie womöglich vor vorübergehenden Problemen? Wer gut abwägt, verhindert eine allzu spontane Handlung, die er im Nachhinein womöglich bereut.
10 Orientierungsfragen: So kommen Sie aus der Midlife Crisis
Was will ich in meinem Leben (noch) erreichen?
Welche berufliche Erfahrung möchte ich unbedingt noch machen?
Was möchte ich noch lernen?
Was muss passieren, damit ich am Ende meines Lebens sagen kann: Das war gut!
Was kann ich gut?
Was fällt mir leicht?
Bei welchen Tätigkeiten bin ich „im Fluss“?
Welche Ziele motivieren mich?
Wann bin ich im Job am glücklichsten?
Wie kann ich mehr solcher Situationen erleben?
Außerdem sollten sie sich unbedingt mit Freunden, Kollegen oder auch Coaches beraten. Die können zum Beispiel dabei helfen, eine Art Kosten-Nutzen-Rechnung aufzustellen. Was müsste man aufgeben? Was riskiert man? Und was kann man gewinnen?
Wichtig ist ebenfalls, seine Finanzen zu prüfen: Sind temporäre Einbußen drin? Kommt ein Umzug infrage? Oder sollte man den Sprung in die Selbstständigkeit wirklich wagen?
Wohlgemerkt: Nicht jeder muss beruflich wechseln, um im Job glücklicher zu sein. Vor diesem Trugschluss warnt zum Beispiel die Berliner Psychologin Birgit Permantier. Sie hat in den vergangenen Jahren viele Klienten gecoacht, die sich in der Midlife Crisis befanden. „Manchmal reichen auch kleine Veränderungen, die aber eine riesige Wirkung haben können“, sagt Permantier. Wer jeden Tag ins Büro pendeln muss, kann zum Beispiel das Fahrrad mitnehmen und wenigstens einen Teil des Weges radeln – um sich die vollen Züge zu ersparen. Außerdem kann es helfen, wichtige Fragen zu beantworten.
Aber unbedingt in aller Ruhe.
Doch egal wie schwer die Midlife Crisis auch sein mag, zumindest eine Erkenntnis ist tröstlich: Mit diesen Sorgen ist niemand allein.