Mittelstand "Das entwickelt Ihnen kein Yuppie"

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Wieso sollte sich überhaupt etwas ändern?

Der Mittelstand läuft doch prächtig. Wieso sollte sich überhaupt etwas ändern?
Carsten Hentrich: Was heute passiert, passiert sehr schnell. Wir haben kürzlich mit einem Baumaschinenhersteller gesprochen. Der sagte: In fünf Jahren werden seine Umsätze aus dem Verkauf einbrechen. Seine Kunden werden Maschinen nicht mehr kaufen, sondern über Plattformen leihen. Er steigt nun in das Geschäft ein. Wenn man sich aber nur momentan den Markt anschaut und nicht die Weitsicht hat, dass der aktuelle Erfolg endlich ist, kann das schnell das Geschäft zerstören.

Das heißt aber auch: Nur das beste Produkt zu haben reicht womöglich nicht mehr. Ein Angriff auf viele Weltmarktführer.
Hentrich: Der beste Ingenieur ist nicht genug. Innovation in einer digitalen Welt ist immer multidisziplinär.

Große: Wir haben unsere laparoskopischen Kamerasysteme gerade von einer 2-D- auf eine 3-D-Optik weiterentwickelt. Ein Riesenfortschritt, wenn der Arzt das Operationsfeld dreidimensional sieht. Das entwickelt Ihnen kein Yuppie mit einer Idee für ein neues Uber, für diese Art von Innovationen brauchen Sie weiterhin Ingenieure. Dann aber kommt in der Tat die Frage Wie vermarkte ich das und wie kann ich einzelne Produkte und Dienstleistungen verbinden, um einen Mehrwert für Patienten und Anwender zu schaffen?

Die zehn größten Familienunternehmen Deutschlands
Bertelsmann-Logo Quelle: dpa
Logo von Phoenix Pharmahandel Quelle: dpa
Logo von Fresenius Quelle: dpa
Ein Reifen von Continental Quelle: dpa
Dunkle Wolken über Bosch Quelle: dpa
Ein Mann mit Aldi-Tüten in der Hand Quelle: dpa
Kunden vor einer Metro-Filiale Quelle: dapd

Hentrich: Wir schauen oft auf das Produkt, wenn wir uns mit Innovation beschäftigen. Die großen Plattform- und Internetkonzerne denken viel freier: Die schauen, wo ihre Kompetenzen Wertschöpfung schaffen können, egal, in welcher Industrie. Google wird wahrscheinlich nie selbst hochwertige Medizintechnik herstellen können wie Sie, Herr Große. Aber Google kann vielleicht aus medizinischen Daten Services für Ihre Therapiefelder entwickeln. Da vermisse ich die richtige Einstellung bei vielen Mittelständlern. Digitalisierung bedeutet oft, das eigene Geschäftsmodell infrage zu stellen.

Große: Das ist aber kein Dilemma des Mittelstands allein. Denken Sie mal das Geschäftsmodell von Uber und die Entwicklung zum autonomen Fahren weiter: Dann ist in 15 Jahren unsere Autoindustrie in der heutigen Form nicht mehr denkbar. Heute Morgen haben ein paar Tonnen Auto meine 75 Kilo hier nach Melsungen gebracht. Jetzt stehen diese Tonnen zehn Stunden auf einem Platz, und heute Abend fahren die mich wieder 22 Minuten nach Hause. Irre, oder? Die Frage ist nur, wie schnell sich etwas Neueres durchsetzt.

Wo droht Ihrem Geschäft denn ein Uber, Herr Große?
Große: Ich glaube, dass wir in sensiblen Märkten unterwegs sind. Das Versuch-und-Irrtum-Prinzip der Start-up-Szene funktioniert hier nur teilweise. Sie können kein neues Produkt zur Anwendung am Patienten bringen, wenn Sie nicht 100 Prozent von dessen Qualität überzeugt sind – das Risiko ist einfach zu groß. Ein zentrales Thema für uns ist aber die Frage der Vernetzung und Datennutzung. Da müssen wir die Entwicklung als Chance begreifen und nicht aus Datenschutzbedenken vieles verhindern.

Pachmajer: Die Frage an Sie ist: Wo entsteht künftig Wertschöpfung, für die Ihre Kunden bereit sind, zu bezahlen? Bieten Sie weiterhin nur OP-Instrumente an oder versorgen Sie die Patienten stationär und ambulant mit allen medizinischen und therapeutischen Leistungen, die ihnen ein besseres Leben mit der Krankheit ermöglichen? Das definieren Sie am besten für sich, indem Sie die Kundenperspektive einnehmen.

Große: Henry Ford hat mal gesagt: Wenn ich meine Kunden gefragt hätte, was sie wollen, hätten sie sich schnellere Pferde gewünscht. Sie brauchen sicherlich eine Einbeziehung des Kunden, aber auch die eigene Idee.

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