Moderne Arbeitswelt Warum wir im Team verdummen

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Eher Kreis- als Weltklasse

Der Begriff der Schwarmintelligenz stammt aus dem Umfeld des Internets. Dort ist es unter weltweiter Vernetzung von untereinander unbekannten Personen zu erstaunlichen Problemlösungen gekommen. Im Internet trafen sich Menschen und arbeiteten an Erfindungen, schufen gemeinsam Open-Source-Software oder stürzten Diktatoren. Viele Pioniere schwärmen von kollektiver Intelligenz, wie man die Schwarmintelligenz auch nennt. Diese Intelligenz kann natürlich über das Medium des Internets viel einfacher aktiviert werden. In der Wikipedia heißt es dazu: „Das Internet vereinfacht wie nie zuvor, dezentrales Wissen der Menschen zu koordinieren und deren kollektive Intelligenz auszunutzen.“ Aus den Einzelintelligenzen erwächst, so kann man erwarten, die „Weisheit der Masse“.

Wer in Deutschland zu viel verdient - und wer zu wenig
Die Gehaltsfrage rührt an das Gerechtigkeitsempfinden: Wer darf wie viel verdienen, wenn es nach allen ginge? Eine repräsentative Umfrage des Online-Befragungsunternehmens SurveyMonkey unter 1.270 Deutschen hat jetzt ergeben, welche Berufe als überbezahlt empfunden werden. Mit einem durchschnittlichen Bruttolohn von 5.657 Euro im Monat hält eine Mehrheit von 53 Prozent der Befragten die Gruppe der Fondsmanager für zu hoch entlohnt Quelle: Fotolia
Geschäftsführer, die mit einem durchschnittlichen Brutto-Monatslohn von 12.117 Euro fast doppelt so viel verdienen, halten dagegen nur 45,1 Prozent für überbezahlt. Platz zwei geht also an die CEOs - vom Konzernlenker bis zum Chef des Handwerksbetriebs nebenan. Quelle: Fotolia
Unternehmensberater verdienen im Schnitt pro Monat 5.637 Euro brutto. Das empfanden 39,37 Prozent der Befragten als zu viel. Quelle: Fotolia
Und auch die Chefärzte sind in den Augen vieler Befragter eindeutig überbezahlt. Deren durchschnittlicher Brutto-Monatslohn von 12.971 Euro wird von 34,09 Prozent der befragten Deutschen als zu hoch empfunden. Quelle: Fotolia
Etwas anders werten die Amerikaner die Gehälter: Laut einer Umfrage, die SurveyMonkey in den USA durchgeführt hat, gelten Finanzmanager mit einem durchschnittlichen Bruttolohn von 10.271 US-Dollar im Monat als eindeutig überbezahlt. Quelle: Fotolia
Knapp dahinter folgen Vorstandsmitglieder mit einem Brutto-Monatslohn von 14.736 US-Dollar im Durchschnitt. Quelle: Fotolia
Finanzanalysten mit im Durchschnitt 7.186 US-Dollar vor Steuern im Monat landen bei den Amerikanern auf Platz drei der überbezahlten Jobs. Quelle: Fotolia

An diesen Ideen ist aber ein großer Haken! Wenn ich ein Problem mit Schwarmintelligenz lösen möchte, suche ich mir in Foren des Internets Leute zusammen, die begeistert zur Lösung meines Problems beitragen wollen. Ein wechselnder (!) Schwarm von Enthusiasten geht zur Sache. Dabei entsteht aber niemals die Weisheit einer großen Masse, sondern die Weisheit dieses einen speziellen Teams, das sich genau für diesen einen bestimmten Zweck zusammengefunden hat. Niemand hat hier Nebeninteressen – es geht ausschließlich darum, gemeinsam das Problem zu knacken. Und wenn das Problem gelöst ist – das ist ein wichtiger Punkt –, gehen alle wieder ihre Wege. Neues Problem – neuer Schwarm. Dann hat jeweils dieser Schwarm oder dieses spezielle Team Schwarmintelligenz. Solch ein Ad-hoc-Team kann gemeinsam aufbrechen, etwas genial Einfaches zu kreieren. Das kann gelingen, weil in einem solchen Team alle Mitglieder diesen Sinn für das Ganze, Klare und Vollendete mitbringen, weil sie alle den gleichen Traum träumen.

Keine Spur von Schwarmintelligenz

Im realen Leben aber funktioniert das nicht. Denn in der Unternehmenswirklichkeit treffen nicht für jedes spezielle Problem die jeweils besten Experten in immer neuen Teams zusammen, sondern wir haben sehr gemischte Abteilungsmeetings mit immer denselben Zusammensetzungen und eher Kreisklasse- als Weltklasseexperten. Im Internet schwärmen vielleicht die intelligenten Weltmeister, aber auf dem Flur stoppeln wir uns wieder einmal eine nicht ganz ausgereifte Lösung zusammen.

Ich will sagen: Im wirklichen Leben löst man die verschiedensten Probleme in immer gleicher Umgebung, in Unternehmen, in der Familie, in der Partei oder in Abteilungsmeetings. Neues Problem – alte Abteilung. Da erlebt man nicht so oft die Weisheit der Masse, wenn überhaupt je! Gemeinschaften und Teams sehen sich unter vielen verschiedenen Interessenlagen gelähmt und änderungsunwillig. Meetings oder Streitigkeiten, die um die immer gleichen Streitpunkte kreisen, lassen uns verzweifeln. Keine Spur von Schwarmintelligenz – hier herrscht die Schwarmdummheit.

Ich habe die Mehrzahl von Meetings wie gestohlene Lebenszeit empfunden. Denn im Meeting treffen sich eben nicht nur Leute, die voller Freude ein Problem lösen wollen und sich extra deshalb zusammengefunden haben. Nein, es kommen fast niemals Sieben Samurai zusammen. Nein, es treffen sich immer dieselben Streithähne, die ein (meist durch eigene Schuld) entstandenes Problem lösen müssen – und dafür sind sie nicht Experten, sonst wäre das Problem nicht da.

Der Text ist ein Auszug aus Gunter Duecks neuem Buch „Schwarmdumm“ (Campus)

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