Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, meinte zumindest Hermann Hesse. Weit weniger magisch kommen oft Starts von Arbeitsprozessen daher und so verwundert es kaum, dass sich Managementlehren mit der Frage beschäftigen, was man zu allererst tun sollte. Der gängigste Tipp stammt von einem prominenten amerikanischen Managementguru und geht ungefähr so: Wenn du beginnst zu arbeiten, mach zuerst das, was am Schwierigsten ist oder dich am meisten belastet.
Also: Eat the Frog first! Bücher und Apps proklamieren das mit wilder Entschiedenheit.
Für Feinschmecker aus südlichen Ländern mag das vielleicht eine verlockende Arbeitsperspektive sein, für Motivationskolumnistinnen gilt das allerdings weit weniger (über die tierquälerische Art des Fröschetötens schreibe ich hier nichts; schon bei der Recherche war mir schlecht). Jedoch wiegt die Frage motivationstheoretisch schwer: Sollen wir tatsächlich mit dem Mühevollsten beginnen? Hier schon ein klares Nein! Es gibt viel Besseres.
Echte Arbeitsfreude statt mantraartiger Selbstmotivation - so geht's
Wenn wir etwas Neues in Angriff nehmen, sind wir hellwach und lebendig. Herausforderungen stellen deshalb eine ausgezeichnete Glücksquelle dar. Wir können Zusammenhänge erforschen, wir lernen, wir gehen Risiken ein, müssen improvisieren, erfinderisch sein, Hindernisse aus dem Weg räumen usw. Das Erleben steht im Vordergrund. Wer so arbeitet, denkt nicht daran, zwischendurch auf die Uhr zu sehen und der Feierabend kommt überraschend.
Quelle: Diplom-Psychologin Marion Lemper-Pychlau
Das, womit sich der Geist beschäftigt, das wächst. Konzentrieren wir uns auf all die Faktoren, die Anlass zur Unzufriedenheit geben, dann wächst unweigerlich die Unzufriedenheit. Empfinden wir hingegen Dankbarkeit für die Dinge, die in Ordnung sind, wächst die Zufriedenheit. Alles nur eine Frage der Wahl...
Als soziale Wesen sind wir auf nährende Beziehungen angewiesen. Gerade im beruflichen Stress tut es gut, öfter mal ein Lächeln und ein aufmunterndes Wort geschenkt zu bekommen. Eine lockere Plauderei, gemeinsames Lachen, ein bisschen Anteilnahme – es braucht nicht viel, um Verbundenheit herzustellen. Jeder kann damit anfangen, solch eine Kultur der Freundlichkeit und des gegenseitigen Wohlwollens zu etablieren. Ein wenig Wärme im rauen Tagesgeschäft ist ein wertvoller Wohlfühlfaktor.
In der Arbeitswelt geht es den meisten um Gewinn und groß ist die Befürchtung, man könnte zu kurz kommen. Dahinter steht die unreflektierte Überzeugung, dass wir um so glücklicher sein werden, je mehr wir bekommen. Diese Überzeugung ist falsch. Denn wir sind alle Opfer des Gewöhnungseffekts: Was auch immer wie bekommen, wir gewöhnen uns daran und wollen dann um so mehr. So werden wir zu Getriebenen.
Beständiger hingegen ist das Glück des Gebens, ebenfalls eine Erfindung der Evolution. Wenn wir etwas für andere tun, nutzt das häufig mehr uns selbst als dem Empfänger unserer Wohltaten. Die Natur belohnt Selbstlosigkeit mit Glücksgefühlen, weil sie früher einmal unmittelbar dem Überleben der Art diente. Der Mechanismus funktioniert auch heute noch hervorragend. Und ganz nebenbei erweist sich großer Einsatz oft auch als sehr förderlich für die eigene Karriere...
Fremdbestimmung ist der Arbeitsfreude abträglich. Das Gefühl, nur ein Befehlsempfänger zu sein, lässt kein Glück zu. Wir können in solch einer Situation jedoch zum versierten Detektiv für Spielräume werden. Kleine Spielräume finden sich immer. Es ist sehr beglückend, sie auf persönliche und eigenwillige Weise zu nutzen. Wir wollen gestalten und der Welt unseren eigenen Stempel aufdrücken – das liegt in unserer Natur. Auch wenn es nur im Kleinen geschieht, so fühlt es sich doch sehr gut an.
"Eat the Frog first" ist die falsche Strategie
Aus pragmatischer Perspektive ist die Sache allerdings nicht ganz so abwegig: Wenn der Frosch erst mal gegessen ist, wird argumentiert, haben wir an dem Tag schon etwas erreicht und alles Nachfolgende könne leichter fallen. Motivational allerdings stoßen wir auf ein Problem: Wer beispielsweise ein Instrument spielt, weiß, dass jedes Üben mit Tonleiterstudien beginnen soll - was eine quälende und langweilige Sache ist. So bedeutet diese Art der Übeplanung, dass wir uns zwingen müssen zu beginnen. Das Gleiche gilt auch für Arbeitsprozesse: "Eat the Frog first" provoziert, dass wir bereits bei jedem Arbeitsstart ein hohes Maß an Willenskraft aufbringen müssen, um mit etwas anzufangen, das energetisch in Abwärtsspiralen führt.
Würden wir die Situation hören, wäre es als Kette von absteigenden Halbtönen eine typische Schmerzmetapher der Musik, ein Passus duriusculus, ein harter, schwerer Gang.
Zudem konditionieren wir uns bei schwierigen Starts nach und nach darauf, Arbeit als anstrengend zu erleben und emotional abzulehnen - wir entwickeln Aversionen und zögern den Beginn hinaus - manchmal bis hin zur Prokrastination - dem massiven Aufschieben. In leichteren Formen erscheint der Widerstand als vorübergehende Reaktanz - also einem Verhalten das auftaucht, wenn unsere Entscheidungsfreiheit bedroht scheint und wir genau das Gegenteil von dem tuen, was gefordert ist. Facebook statt Bilanzen. "Eat the Frog first" verschärft also die Startschwierigkeiten - wir kommen noch schwerer in Bewegung.