Wer Incentives verstehen will, der muss nur mal schnell einen Abstecher in das Fun Office der Berliner Dependence von "Adjust" machen. Dort steht er, ein nigelnagelneuer Airhockeytisch. In Sachen Bürospielzeug hat das Geschicklichkeitsspiel das Kickern längst abgelöst. Zwischen Meetings mal eine Runde um den Puck zocken, das entspannt. Spielen tut mit dem Tisch trotzdem niemand. "Der steht hier schon seit sechs Monaten", winkt Co-Founder Christian Henschel ab. "Ein Hockeytisch und drei Mal die Woche Pizza reichen eben nicht, um die Leute bei Laune zu halten."
Christian Henschel weiß, wovon er spricht. Seit er vor fünf Jahren mit zwei Partnern gegründet hat, spürt er die volle Härte des Arbeitsmarktes. "Adjust" analysiert Kundendaten von Apps. Die Software befindet sich auf jedem zweiten Smartphone der Welt. Um sie zu programmieren und zu vertreiben, suchen Henschel und seine Leute die Besten der Besten. "Wir wollen nur Mitarbeiter, die uns weiterbringen", erklärt Henschel. "Unser Mantra ist: Jeder soll nur die einstellen, die besser sind als man selbst."
Gratis-Obst, Kickertische, Gutscheine, Erlebnis-Events - laut aktueller Belohnungsstudie von Bonago nutzten 2016 über 90 Prozent der über 700 befragten deutschen Personaler so genannte "Incentives", also Anreize oder Boni für Mitarbeiter. Dabei gehören Universalgutscheine zu den beliebtesten Belohnungen, gefolgt von Mitarbeiterevents, flexiblen Arbeitszeiten und Weihnachtsgeld.
Was Vorgesetzte tun können, damit ihre Angestellten zufrieden sind (und bleiben)
Für die Studie „Die Zeit ist reif. Glücklich arbeiten" hat der Personaldienstleister Robert Half gemeinsam mit dem Beratungsunternehmen Happiness works und dem Statistiker Nic Marks 23.000 Arbeitnehmer befragen lassen, rund 2400 davon aus Deutschland.
Arbeitnehmer und Arbeitgeber sind gleichermaßen für das Betriebsklima zuständig, sagen 46 Prozent der Befragten. Mehr als jeder Dritte erwartet allerdings vom Unternehmen, für das Glück am Arbeitsplatz zu sorgen. Vorgesetzte können natürlich nicht dafür zuständig sein, für jeden den persönlichen Feelgood-Manager zu geben. Für ein besseres Betriebsklima sorgen können sie aber sehr wohl.
Ein Veganer wird beim Schlachter nicht glücklich. Auch nicht, wenn er nur im Büro arbeiten muss. Wer dauerhaft zufriedene Mitarbeiter möchte, sollte nur Leute einstellen, die mit Ihren persönlichen und fachlichen Skills gut zum Unternehmen passen. Ihnen fällt es leichter, sich anzupassen, einzugewöhnen und gute Leistungen zu bringen. Das lohnt sich doppelt: Ein ungeeigneter Mitarbeiter kann die Arbeitsmoral eines gesamten Teams schwächen.
Mitarbeiter wollen Verantwortung übernehmen: Wer das Gefühl hat, selbstständig wichtige Entscheidungen im Job zu treffen, wächst an dieser Herausforderung. Vorgesetzte sollten deshalb Verantwortung abgeben und ihren Mitarbeitern vertrauen. Wer sich sinnvoll in das Unternehmen einbringen kann, fühlt sich diesem auch stärker verbunden.
Wer gute Arbeit leistet, will und soll auch gelobt werden. Zeigen Sie Ihren Mitarbeitern, dass Sie ihre Arbeit und ihren Einsatz schätzen. Echte Anerkennung für gezeigte Leistungen schafft ein positives Arbeitsklima und motiviert Ihre Mitarbeiter zu weiteren Höchstleistungen.
Mitarbeiter, die ihre Aufgaben als sinnvoll erachten, sind stolz auf das, was sie tun – und sie sind stolz auf ihr Unternehmen. Die Studie zeigt, dass sinnstiftende Arbeit einer der wichtigsten Treiber für Freude im Job ist: Angestellte, die einen Sinn in ihrem Tun erkennen, sind 2,4 Mal zufriedner als andere. Machen Sie Ihren Mitarbeitern deshalb klar, wie wichtig ihr Beitrag für den Erfolg des Unternehmens ist.
Leben Sie Fairness im Job vor und lassen Sie Ihre Angestellten an Ihren Entscheidungen teilhaben. Dazu gehört eine transparente Kommunikation: Sprechen Sie mit Ihren Mitarbeitern offen über Gehalt, Karrierechancen und Projekte – ohne dabei ein Teammitglied auszuschließen. Zeigen Sie Ihren Mitarbeitern, dass sie sich jederzeit an Sie wenden können, wenn sie sich ungerecht behandelt fühlen.
Teamgeist, Kollegialität und gelebter Zusammenhalt sind der soziale Klebstoff in jedem Unternehmen. Führungskräfte müssen deshalb mit gutem Beispiel voran gehen: Wenn Sie einen positiven Umgang vorleben, beeinflussen Sie damit Ihr Team, Ihre Kunden und sogar die Kunden Ihrer Kunden.
Gefragt, wann sie im Berufsleben zufrieden oder glücklich sind, sagten Teilnehmer unter anderem: „Ich fühle mich wohl, wenn ich und meine Arbeit geschätzt werden. Wenn meine Meinung ernst genommen wird und ich mich einbringen kann.“ Oder: „Ich habe mich da am wohlsten gefühlt, wo nur Rahmenbedingungen angegeben wurden und ich mich selbst und meine Gedanken einbringen konnte.“ Ein anderer war dann besonders zufrieden, „als wir nach einem sehr stressigen und anstrengenden Vormittag eine Runde Eiscafé von der Chefin spendiert bekommen haben und diesen gemütlich zusammen genießen konnten.“
Ohne geht es nicht mehr. Digitalisierung, New Work und der so genannte Brain Drain zwingen die Unternehmen, kreativer im Recruiting, aber auch bei der Bindung von bereits Angestellten zu werden. "Gleichzeitig stellen nachrückende Arbeitnehmergenerationen besonders hohe Ansprüche an eine individuell sinnstiftende und erfüllende Arbeit", erklärt Klara Rother von Bonago, die jährlich die Belohnungsstudie im Auftrag der Fresenius-Stiftung herausgeben. "Loyalität zum Arbeitgeber entwickeln sie oft unter ganz anderen Prämissen als ihre älteren Kollegen im Unternehmen."
Wer Leistung will, der muss auch Leistung erbringen. Das haben viele Unternehmen bereits verinnerlicht. Doch nicht jeder Anreiz verspricht langfristigen Erfolg.
Erzählt man Kindern eine bildgewaltige Geschichte von blutrünstigen Piraten und riesigen Schiffen und der weiten See und bittet sie hinterher, ein Bild zu malen, setzen sie sich eifrig als Werk. Befeuert durch ihre Fantasie malen sie aus purer Freude. Bittet man sie aber, Bilder zu zeichnen und belohnt sie pro Bild mit einem Gummibärchen, trennt sich die Spreu vom Weizen.
Die intrinsische Motivation weicht der extrinsischen, nicht Freude motivierte die Kinder dann mehr, sondern Belohnung. Die Unternehmergeister unter ihnen beginnen, primitive Bilder zu zeichnen, nur um möglichst schnell viele Gummibärchen zu bekommen. Zwar werden die Künstler unter ihnen auch weiterhin tolle Bilder malen - doch schon bald werden sie frustriert sein, weil sie bei besserer Arbeit, weniger Lohn erhalten als ihre unternehmerischen Kameraden. Wirtschaftswissenschaftler nennen dieses Phänomen den Gummibärchen-Effekt.
Die beliebstesten Dienstwagen
28,3 Prozent der deutschen Dienstwagen sind von Volkswagen.
Quelle: „Firmenwagen-Monitor“ der Vergütungsberatung Compensation Partner
18,7 Prozent der Firmenwagen sind Audi-Modelle
13 Prozent der Dienstkarossen sind von BMW.
Mercedes kommt auf 8,3 Prozent.
Skoda liegt mit 8,3 Prozent gleich auf.
Ford ist mit 5,9 Prozent vertreten.
5,5 Prozent der Dienstwagen sind von Opel.
Von Seat sind 1,6 Prozent der Firmenautos.
Auch die Managementberater von Bain and Company beobachten, wie Incentives falsche Effekte herbeiführen. Sie unterscheiden Mitarbeiter in drei Kategorien: "Verschiedene Mitarbeiter reagieren unterschiedlich auf eine vor ihnen stehende Mauer", so die Autoren. "Zufriedene Mitarbeiter initiieren ein Meeting, bei dem sie darüber sprechen, wie sie die Mauer loswerden. Engagierte Mitarbeiter nehmen eine Leiter. Und inspirierte Mitarbeiter - die reißen die Mauer einfach ein."
Doch wie schafft man Inspiration? Inspiriert ist, wer nicht nur den Inhalt seines Jobs liebt, sondern auch seine Kollegen und die Firma, so Bain and Company: "Gute Unternehmen machen das Ziel der Firma zum Inhalt ihrer Mitarbeiter, sie fördern inspirierende Chefs und gut arbeitende Teams, die jedem einzelnen helfen, sein Potenzial voll auszuschöpfen."
Google, Facebook und Twitter konkurrieren um Mitarbeiter
Nirgendwo hat man das so gut verstanden wie im Silicon Valley. Google, Facebook und Twitter haben hier ihren Sitz, aber auch deutsche Unternehmen wie SAP. Und alle konkurrieren sie um junge, ehrgeizige Mitarbeiter, die reich werden und ganz nach oben kommen wollen und deren Anzahl sehr begrenzt ist.
Allen voran Google. Mutterkonzern Alphabet Inc. hat 72.000 Mitarbeiter, über 10.000 davon im Googleplex in Mountain View. Ihnen schnürt der Internetgigant ein Rundum-Sorglos-Paket: Kostenloses Essen in 30 Restaurants, Massagesessel und Ruheräume, außerdem eine campuseigene Reinigung, ein Friseur und ein Psychologe. Zur Arbeit werden die Mitarbeiter im vollklimatisierten Shuttlebussen mit WLAN gebracht. Es gibt Weiterbildungen, Zeit für eigene Projekte und Yoga. Zuletzt baute Google sogar Wohnungen für seine Angestellten. Nicht zu reden von den exorbitanten Gehältern und Aktienoptionen, die der Suchmaschinenhersteller an seine Mitarbeiter zahlt.
Wer bei Google arbeitet, der hat keine Sorgen mehr. Doch das Leben im Schlaraffenland hat einen Preis: Überstunden, nahezu kein Privatleben. Der Shuttle-Bus fährt morgens zwischen sieben und acht Uhr Richtung Valley, erst zwölf Stunden später geht's zurück. "Es ist wichtig, dass das Unternehmen eine Familie ist, dass die Menschen sich als Teil des Unternehmens fühlen und das Unternehmen wie eine Familie für sie ist", sagte Larry Page, CEO von Alphabet Inc., einmal in einem Interview.
"Neben der lockeren Art und vielen unternehmensinternen Privilegien stehen die USA und deren bekannte Unternehmen für einen rigorosen Leistungsdruck", erklärt Klara Rother von Bonago.
Aber auch Deutschland sei nicht gerade ein Vorbild in Sachen Incentives. "Deutsche Unternehmen verharren meist noch auf einem leistungsbezogenen, monetären Boni der einmal im Jahr nach Steuerabzug ausgeschüttet wird", sagt Rother. Dies betreffe vor allem bestimmte Branchen wie Autobauer oder die Wirtschaftsprüfung.
Wie in den USA wird die Gretchenfrage, wie hältst du es mit der Arbeitszeit, auch hierzulande noch viel zu oft gemieden - anders als beispielsweise in Schweden. Hier hätten viele Unternehmen die Regelarbeitszeit auf sechs Stunden beschränkt und profitieren so von gesünderen und leistungsfähigeren Mitarbeitern. "Auch wenn insgesamt unter Umständen mehr Mitarbeiter eingestellt werden müssen und die Kosten damit zunächst steigen, scheinen die Vorteile, wie geringe Fluktuation und eine gesunkene Anzahl an Krankmeldungen, insgesamt klar zu überwiegen."
Christian Henschel von "Adjust" hat für sich und seine Mitarbeiter einen eigenen Weg gefunden. Nicht so übertrieben wie Google und trotzdem geht es um mehr als nur um Tankgutscheine. Henschel folgt dem Prinzip "Teile und herrsche": Eine Leadership Academy, ein Fitnessstudio und die Finanzierung von MBAs sind ein Teil davon. Kostenloses Obst gibt es sowieso.
Das Highlight der Incentives aber ist die einwöchige Reise, die die 160 Mitarbeiter aus den 12 Büros weltweit jährlich gemeinsam unternehmen - leistungsunabhängig und natürlich auf Kosten ihrer Chefs. 2016 ging es in die Dominikanische Republik, 2017 ist noch geheim.
Bis zu 2000 Euro pro Kopf lässt "Adjust" sich das kosten. Es sei eine Investition, keine Ausgabe. "Leute in einem gefestigten Unternehmen mit konstanter Belegschaft kennen das nicht", erklärt der CEO. "Aber wir wachsen und verändern uns so schnell, da müssen wir sowas machen, damit wir nicht auseinander fallen."
Es ist eine Win-Win-Situation. Im gemeinsamen Urlaub wächst das Team enger zusammen, man mag sich, lernt sich besser kennen. Gleichzeitig fühlen sich die Mitarbeiter wertgeschätzt. Die Reisen tun ihnen gut, Freundschaften und Nähe entstehen. "Wir sehen starke Unterschiede im Teamwork und in der Energie der Mitarbeiter, vor- und nachher", sagt Henschel. Die Effekte seien enorm. Kein Airhockeytisch der Welt kann das.