
Herr von Schmettow, die Doktorarbeit von Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg hat Bundesbürger tagelang erregt. Hat das generelle Ansehen der Promotion darunter nachhaltig gelitten?
Schmettow: Kurzfristig ja, mittelfristig eher nicht. Dafür haben wir zum einen schon zu oft Dinge dieser Art erlebt.Zum anderen unterliegt die Promotion schon seit rund 15 Jahren einem Justierungsprozess.
Welcher Art?
Der Promotion wurde gerade in Deutschland eine Bedeutung und Funktion zugeschrieben, die ihr nicht angemessen ist: Es handelt sich um einen akademischen Grad, der etwas über die wissenschaftlichen Fähigkeiten einer Person aussagt. Ob jemand damit auch als Top-Manager geeignet ist, lässt sich daraus nicht ableiten.
Warum finden sich dann in den Vor-ständen deutscher Unternehmen so oft Doktoren?
Wer in der Industrie zu den Besten gehört, war oft auch an der Universität hervorragend. Das korreliert, hängt aber nicht kausal zusammen. Zudem hat in Deutschland der Titel eine starke Standeskonnotation – noch. Diese Eitelkeiten haben aber bald ein Ende, sie verschwinden zugunsten einer deutlicheren Orientierung an Kompetenzen.
Braucht man den „Dr.“ denn, um Karriere zu machen?
Er gibt heute allenfalls noch den Ausschlag, wenn die Kompetenzen mehrerer Kandidaten auf gleichem Niveau sind. Brauchen wird ihn künftig aber eher nur noch jemand, der eine akademische Laufbahn oder tiefe Erkenntnis in einem hoch spezialisierten Feld anstrebt.
In der Regel gilt der Doktortitel, vor allem in den Geisteswissenschaften, als Beleg für große Ausdauer. Ist diese Eigenschaft nicht mehr gefragt?
Doch, sicher. Aber wer eine Managerkarriere anstrebt und mit 35 Jahren noch keine erste Führungsposition inne hatte, wird es schwer haben. Und Ausdauer kann man auch anders nachweisen als über einen Doktortitel. Gerade heute kommt es zunehmend darauf an, was einer im Job geleistet hat. Natürlich kann auch ein frisch Promovierter, der sich mit Ende 20 um die Stelle eines Vorstandsassistenten bewirbt, seine Sache hervorragend machen. Aber bei einem Kandidaten im gleichen Alter, der nach dem Studienabschluss schon fünf Jahre Erfahrung in diesem Unternehmen gesammelt hat, ist es einfacher zu prognostizieren, wie gut er den neuen Job bewältigen wird.
Hohes intellektuelles Potenzial hat noch keinem Vorstand geschadet.
Schon, aber das allein genügt nicht. Gute Manager zeichnen sich durch starke emotionale Fähigkeiten aus. Und die werden mit keiner Promotion trainiert. Wer eine frühe Karriere im Management anstrebt, sollte sein Regelstudium exzellent abschließen – die Fachrichtung ist zweitrangig –, Berufspraxis sammeln und einen MBA dranhängen.
Einen MBA? Der ist doch im Zuge der Finanzkrise stark in die Kritik geraten.
Meiner Meinung nach zu Unrecht. Wer einen MBA macht, bekommt in einem internationalen Umfeld hoch kondensiert eine praxisrelevante Ausbildung über ein oder zwei Jahre. Die meisten MBA-Absolventen sind im Schnitt über 30. Die Grundlagen für ethisches Verhalten aber werden viel früher gelegt – das ist eine Frage der Kinderstube.