Präsentationen Der skurrile Kampf der Anti-Power-Point-Partei

Am Sonntag ist in der Schweiz Nationalratswahl. Unter die Parteien hat es auch die Anti-Power-Point-Partei geschafft. Sie steht auf Platz acht der Liste. Dahinter steckt wahrscheinlich nur eine gute PR-Kampagne für Rhethoriktrainer Matthias Pöhm. Seine Theorien sind dennoch nicht uninteressant.

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Frau bei einer Powerpoint-Präsentation Quelle: dpa

Skurrile Gruppierungen und reine Spaßparteien treten auch bei Wahlen in Deutschland immer wieder an, doch in der Schweiz kandidiert am Wochenende eine ganz besondere Ein-Themen-Partei. Es ist eigentlich auch eine Ein-Personen-Partei, Kopf und Spitzenkandidat ist Matthias Pöhm, Rhethoriktrainer und Coach für Selbstständige, Manager, Angestellte. Er hat die Partei gegründet, die eigentlich keine ist. Denn die Anti-Power-Point-Partei (APPP) versteht sich mehr als Bewegung, Mitglied werden  sei so, als ob man bei Facebook den "Gefällt mir-Button" drücke, sagt Pöhm. 2.702 haben das schon getan, 33.000 sollen es werden. Damit zöge die APPP an der Sozialdemokratischen Partei vorüber. Pöhm betrachtet sich als Vertreter von "monatlich 250 Millionen Bürgern weltweit, die zwangsweise bei langweiligen Präsentationen anwesend sein müssen."

Schüler sollen nicht mehr mit Punktabzug bestraft werden, wenn sie kein PowerPoint benutzen und sich dafür nicht rechtfertigen müssen. "Wir wollen nicht PowerPoint abschaffen, sondern den PowerPoint-Zwang", sagt er.  Ein großspuriges Ziel hat der charismatische Sprechtrainer ausgerufen: "Wenn wir viertstärkste Partei der Schweiz werden, dann kann man dieses Thema nicht mehr ignorieren." Obwohl bereits drei Prozent der Stimmen für einen Einzug ins Parlament reichen, wird er sein Ziel wohl kaum erreichen. Zumindest liegt die APPP durch Losglück bei den Stimmzetteln auf Platz acht der Liste des Kantons Zürich - nach den Etablierten wie der Schweizerischen Volkspartei, der Sozialdemokratische Partei, den Liberalen oder den Grünen.

Ein bisschen wie Werbefernsehen

Immerhin 805 Unterschriften bescherten der kuriosen Partei die Wahlzulassung. Wenn die Wahl für die APPP gut ausgeht, will Pöhm angeblich eine Volksabstimmung für ein Verbot von PowerPoint und vergleichbarer Software während Präsentationen anstreben. Das sollte ihm die gewünschte Aufmerksamkeit sichern.

Dass das Parteiprogramm Pöhms Buch “Der Irrtum PowerPoint” ist, das "Parteimitglieder" natürlich zum Sonderpreis bekommen, hinterlässt den fiesen Nachgeschmack einer gut organisierten PR-Kampagne. 26 CHF (17 €) statt 43 CHF (27 €) kostet das Werk für APPPler. Dafür wird kein Mitgliedsbeitrag fällig. Wer sich entscheidet, die Bewegung zu unterstützen, wird außerdem mit Pöhms spirituell angehauchtem Buch "Sie wollen keinen Erfolg - Sie wollen glücklich sein" - gegen Versandkosten - beschenkt. Das klingt nach amerikanischem Werbefernsehen - aber Pöhms Ideen für eine bessere und lebendigere Präsentation sind trotzdem nicht schlecht.

Faszinierst du schon?

"Powerpoint verleitet zur Substantivierung und zum Formulieren von Wortmonstern, die nur noch vom Verstand verarbeitet werden, aber das Gefühl nicht mehr ansprechen", heißt es auf der Homepage der Partei, die Rede werde in Häppchen geteilt. So spricht niemand und so hört auch niemand zu. Ein Flipchart sei wesentlich besser, weil dort tatsächlich etwas passiere. Der Redner malt, spricht, deutet - und klickt nicht nur. "Die Wirkung der Darstellung wird nicht durch das Ergebnis erzeugt, sondern durch den Akt des Erschaffens des Ergebnisses", sagt er. Pöhm behauptet, dass bei einer Gegenüberstellung der beiden Methoden ein Flipchart in 95 Prozent der Fälle eine wesentlich bessere Wirkung habe.

Darüber hinaus richte Power Point - indirekt - auch wirtschaftlichen Schaden an. Wer seine Angestellten zu Powerpoint-Vorträgen schickt, bei denen sie eine Stunde lang 40 Folien betrachten, verbrenne Geld. Spätestens nach Folie fünf ist die Aufmerksamkeit weg, der Arbeitnehmer bekommt aber trotzdem sein Geld. "Zusätzlich noch Anfahrt, Übernachtung und Verpflegung. Das kostet der Schweizer Wirtschaft Milliarden pro Jahr."

Auch Folien, die zum Kauf eines Produkts animieren sollen, könne sich der Vertreter schenken. Verkaufsverhinderungsfolie nennt Pöhm sie.

Was kostet und was bringt es?

Argumente, Zahlen und technische Details sind redundant, wenn sie nicht zwei Fragen beantworten: Was kostet das und welchen finanziellen Erfolg bringt es? Nichts anderes sei kaufentscheidend. Wie viel Newtonmeter auf das kleinste Rädchen im Getriebe wirken, ist für die erste Vorstellung unerheblich. Wer all diese Details zuerst hört, hat beim Preis - dem entscheidenden Kriterium - schon abgeschaltet.

Lebendige Vorträge

Auch wer nichts verkaufen möchte, sollte auch das Gefühl und nicht nur den Verstand ansprechen. Lieber eine Geschichte erzählen, das Diagramm selber malen und dabei erklären, als auf einen Klick zig Sätze und Diagramme auf die Wand zaubern. "Bessere Präsentationen werden die Menschen im Grunde nicht glücklich machen, das ist so sicher, wie das Amen in der Kirche", sagt Pöhm. Aber Vorträge werden so lebendiger - und eventuell steigen dann auch die Verkaufszahlen.

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