Privatuniversität Witten-Herdecke am Tropf

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Die Wirtschaftsfakultät mit ihren guten Drähten zu Sponsoren aus der Industrie wird den Uni-Betrieb stützen müssen, bis es mit den Medizinern wieder aufwärts geht. Schon jetzt ist die Wirtschaftsfakultät (334 Studenten im Sommersemester 2005) der Humanmedizin (306 Studenten) zahlenmäßig überlegen. Und der Bewerberstrom ist nach Auskunft der Universität trotz der Schelte des Wissenschaftsrats anhaltend hoch. Zusätzliche Studienplätze soll es jedoch zunächst nicht geben. Die Pläne trägt Uni-Präsident Wolfgang Glatthaar bereits seit Wochen mit sich herum. Sein Ziel: Die Zusammenarbeit der Mediziner mit den Wirtschaftswissenschaftlern soll wachsen. Welches Qualitätsmanagement braucht ein Krankenhaus? Wie lassen sich Traumapatienten kostengünstiger behandeln? Schon jetzt bietet die Universität eine Hand voll Seminare im attraktiven und zukunftsweisenden Bereich der Gesundheitsökonomik an. Damit will Witten-Herdecke wie andere Business Schools verstärkt im profitablen Geschäft der berufsqualifizierenden Bildung mitmischen, der so genannten Executive Education. Geplant sind etwa weiterbildende Masterstudiengänge für Ärzte. Fürs Aufatmen ist es dennoch zu früh. Der chronisch klammen Hochschule fehle die solide Finanzbasis, moniert der Wissenschaftsrat. Anders als viele andere Privatunis kann Witten-Herdecke nicht auf einen üppigen Eigenkapitalstock zurückgreifen. Das Stiftungsvermögen beträgt derzeit rund 30 Millionen Euro, doch versagen immer mehr langjährige Förderer die Unterstützung. Sie wollen die Uni endlich auf eigenen Füßen stehen sehen. Schon Ende 2004 zog sich die Bertelsmann-Stiftung nach mehr als 15 Jahren aus dem Spendengeschäft zurück. Auch die Deutsche Bank sieht nach der Stiftung des „Instituts für Familienunternehmen“ keinen akuten Anlass für weitere Spenden. Eine Haltung, die viele Förderer angesichts der zunehmenden Konkurrenz auf dem Bildungsmarkt vertreten. 69 private Hochschulen gibt es inzwischen in Deutschland und immer stärker betreiben auch die öffentlichen Unis Fundraising. „Der Wettbewerb um Mittel der Wirtschaft hat zugenommen“, sagt Ulrich Hommel, Rektor der European Business School und Vorstandsmitglied im Verband der Privaten Hochschulen. „Unternehmen fördern heute lieber konkrete Projekte und einzelne Lehrstühle, als allgemein Geld zu stiften.“ Die Studenten taugen ebenfalls kaum, um die Kassen zu füllen. Die Einnahmen aus Studienbeiträgen machen gerade mal sieben Prozent des Gesamtbudgets aus. Eine weitere Erhöhung gilt als unwahrscheinlich. Erst im vergangenen Jahr hatten die Studenten beschlossen, freiwillig mehr zu zahlen. Wirtschaftswissenschaftler, denen bessere Verdienstaussichten unterstellt werden, zahlen nun 30.000 Euro fürs gesamte Studium, Mediziner 25.000 Euro.

Noch hängt die Uni außergewöhnlich stark am Tropf des Landes. 14 Prozent des Budgets speist sich aus Landesmitteln, rund 3,5 Millionen Euro. Andere Privatunis wie die International School of Management in Dortmund oder die Zeppelin University in Friedrichshafen wirtschaften völlig unabhängig vom Staat. Zwar hofft die Privathochschule auf weiteres Geld vom Land, doch auch NRW will seine Unterstützung weiter drosseln. Ob und wie viel Geld Düsseldorf im nächsten Jahr zuschustern wird, steht derzeit zur Debatte. Fest steht: Witten braucht Geld. Rund zwei Millionen Euro hatte die Uni für die anstehende Reform veranschlagt. Ursprünglich. Aber jetzt muss das Konzept nachgebessert werden. Das dürfte die Kosten abermals in die Höhe treiben. Am Schauplatz des Dramas aber ist von trüber Stimmung nichts zu spüren. „Kein Geld haben wir immer schon gehabt!“ Den Leitsatz von Uni-Gründer Schily hör man häufig in diesen Tagen. Und überhaupt: Da steht Thomas Middelhoff, KarstadtQuelle-Chef und bestens vernetzt. Gerade erst hat er zugesichert, das neue Institut für Corporate Governance finanziell zu fördern und weitere Spender anzuschleppen. 1,5 Millionen Euro soll das Projekt pro Jahr kosten und langfristig satte Erträge abwerfen. Und der Wissenschaftsrat? Die Krise? Middelhoff hat es eilig, er muss seinen Flieger nach London erwischen. „Wissenschaftsrat? Tut mir Leid, keine Ahnung.“ Er ruft es hastig, halb im Gehen, so als gäbe es wirklich Wichtigeres.

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