Psychologie Arztkittel machen schlauer

Kleider machen Leute. Das gilt auch für die Berufskleidung von Medizinern, wie eine aktuelle Studie zeigt.

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Kein Arzt ohne Kittel: Mit einer Garderobe, auf der Arztkittel hängen, protestieren Vertreter der Kassenärztlichen Bundesvereinigung 2006 vor dem Reichstag in Berlin gegen die damalige Gesundheitsreform. Quelle: dpa

Die Redensart von den "Göttern in Weiß" hat offenbar einen realen Hintergrund. Ein Arzt im weißen Kittel wirkt nicht nur auf andere Menschen kompetent. Auch den Kittelträger selbst beeinflusst sein Äußeres offenbar positiv, zeigt eine Studie, über die die "Apotheken-Umschau" berichtet.

Psychologen an der Northwestern University in Evanston im US-Bundesstaat Illinois ließen im Rahmen der Studie Testpersonen Aufgaben lösen, die Konzentration und Reaktionsvermögen erforderten. Eine Gruppe wurde in einen Arztkittel gesteckt, die
andere trug Alltagskleidung. Ergebnis: Die Teilnehmer im weißen Mantel machten wesentlich weniger Fehler. In weiteren Experimenten trugen alle Probanden einen Laborkittel, der der einen Hälfte als Arztkittel und der zweiten Gruppe als Anstreicherkittel vorgestellt wurde. Die Aufmerksamkeit der ersten Gruppe beim Lösen von Aufgaben war deutlich größer als die der zweiten.

Angezogene Wahrnehmung

Die Forscher um Hajo Adam und Adam Galinsky sprechen bei diesem Phänomen verallgemeinernd von "enclothed cognition" ("angezogener Wahrnehmung"). Sie meinen damit die gleichzeitige Wirkung von zwei Faktoren: nämlich der symbolischen Bedeutung eines Kleidungsstückes und der körperlichen Erfahrung, es zu tragen.

Frühere psychologische Studien haben unter anderem bereits gezeigt, dass Lehrkräfte in formaler Kleidung für intelligenter aber weniger interessant gehalten werden als solche in weniger formaler Kleidung. Ein anderes Experiment will festgestellt haben, dass Frauen, die sich besonders aufreizend anziehen, für weniger kompetent gehalten werden. Auch dass ordentlich angezogene Verkäufer größere Erfolge verzeichnen als schlampig angezogene, wurde schon experimentell bestätigt.

Die Experimente der Psychologen belegen wissenschaftlich, was in der Alltagserfahrung allgemein bekannt und in der Literatur immer wieder thematisiert wird: "Welch seltsame Kraft liegt in der Kleidung", sagte Literatur-Nobelpreisträger Isaac Bashevis Singer. Von einem weiteren Nobelpreisträger, nämlich Thomas Mann, ist überliefert, dass er selbst seine Romane stets im besten Anzug und mit Fliege um den Hals schrieb.

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