Psychologie Das Geheimnis der Autorität

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Schiedsrichter Deniz Aytekin Quelle: dpa

Aber um als kompetent, nervenstark oder kreativ wahrgenommen zu werden, reicht es heute beileibe nicht mehr, dies nur zu sein. Man muss es auch verkörpern. So müssen Politiker die Kunst beherrschen, ihre Expertise auch in einem TV-Schnipsel von wenigen Sekunden darzustellen. Inhalte machen dabei nur einen Bruchteil der Wirkung aus. "Der große Rest verteilt sich auf Stimme und Körpersprache", sagt die Hamburgerin Angela Michael, Kommunikationstrainerin für Politiker. "Klare Worte aus dem Bauch heraus, nicht nuscheln", rät sie ihren Kunden. Dabei selbstsicher zu wirken, könne man trainieren: "Wenn ich mich gut und sicher hinstelle, signalisiere ich, dass ich zum Thema stehe – ich werde als authentisch wahrgenommen."

Vielleicht sind die Fußballschiedsrichter das extremste Beispiel verkörperter Autorität. Gute, sagt der Sportpsychologe Ralf Brand von der Universität Potsdam, seien Meister der Selbstpräsentation. Ihr Inneres müssen sie verbergen, von ihren Emotionen dürfen sie höchstens die positiven zeigen – "nie jedoch die negativen". Längst schulen Fifa und DFB ihre Referees, in Konfliktsituationen nicht mit aggressiver Gestik zu agieren. "Man kann einem die gelbe Karte ruhig auch mal aus der Distanz zeigen, wenn man es in der Situation nicht nötig hat, Macht zu demonstrieren."

Wer Autorität anstrebt muss das Räderwerk der Gesellschaft kennen

Zum Können muss das Handeln passen. Nur mit Klugheit allein ist Angela Merkel nicht Kanzlerin geworden – und geblieben. Auch Einfühlungsvermögen ist nötig, die Kunst, Verbündete auf seine Seite zu ziehen, und das gewisse Quäntchen Glück, zur richtigen Zeit an der rechten Stelle zu sein.

Karl-Theodor zu Guttenberg dagegen profitiert von seinem gewinnenden Äußeren, seiner überlegten Rhetorik, dem Adelstitel und der geschickten Inszenierung im Feld. Kurzum: Wer Autorität anstrebt, muss sich im Räderwerk der Gesellschaft auskennen und wissen, wann er an welcher Stellschraube drehen muss.

Autorität gilt als ansteckend: Alles drängt sich bei Gruppenfotos um die Kanzlerin oder den Präsidenten, gerade so, als ob deren Glanz auf einen selbst abfärben würde.

Umgekehrt fürchten die Menschen den Autoritätsverlust wie eine ansteckende Krankheit. Als im September Gustav Mahlers Sinfonie der Tausend im Landschaftspark Duisburg intoniert wurde, hatte der frisch vereidigte Bundespräsident Christian Wulff vorgesorgt. Im Vorfeld waren die Protokollverantwortlichen darüber informiert worden, dass Wulff keinen Kontakt zum Duisburger Oberbürgermeister wünsche – zu jenem, dem der Makel der Loveparade-Katastrophe anhaftet. OB Adolf Sauerland lauschte dem Konzert folglich in großer Distanz zur Politprominenz. Weder Wulff noch Nordrhein-Westfalens neue Ministerpräsidentin Hannelore Kraft ließen sich zusammen mit ihm fotografieren.

Wenn sogar der höchste Repräsentant des Staates seine Autorität hüten muss, wie ergeht es dann erst Eltern und Lehrern angesichts aufmüpfiger Kinder – in Zeiten jenseits von Rohrstock und Backpfeife? Beste Belege für eine breite Verunsicherung sind die Auflagenerfolge des Pädagogen Bernhard Bueb mit Büchern wie Lob der Disziplin oder Von der Pflicht zu führen. Mit seiner aufgewärmten Version des Zuckerbrot-und-Peitsche-Konzepts ("vorbehaltlose Anerkennung von Autorität") rief er, so kommentiert es der Schriftsteller Matthias Altenburg, "einen kollektiven Erlösungsseufzer unter den ratlosen Erziehern hervor".

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