




Persönliche Eigenschaften fallen selten vom Himmel. Eher sind sie das Ergebnis natürlicher Anlagen und sozialer Prägungen. Und so scheint es auch mit der Aggressivität von Führungskräften zu sein. Wer seine Mitarbeiter häufig herabsetzt und anschreit, kommt oft aus einem zerstrittenen Elternhaus, wie eine Studie zeigt.
Patrick Garcia, Managementprofessor an der University of Vermont, forscht zu aggressivem Verhalten bei der Arbeit. Zusammen mit Kollegen hat er nun die familienbiografischen Ursprünge feindseligen Führungsverhaltens erforscht, worüber jetzt die Fachzeitschrift „Wirtschaftspsychologie Aktuell“ berichtet.
Mit feindseligem Führungsverhalten („abusive supervision“) sind aggressive Handlungen eines Chefs gegenüber Mitarbeitern gemeint, allerdings keine Handgreiflichkeiten. Das kann zum Beispiel ein Wutausbruch mit lautem Geschrei sein oder auch die Herabwürdigung eines Angestellten im Kollegenkreis.
Wege aus der Mobbing-Falle
Das Problem nicht ignorieren, sondern ernst nehmen und sich in vertraulichen Gesprächen Rat bei Kollegen oder beim Betriebsrat holen. In manchen Unternehmen gibt es Mediatoren, die bei zwischenmenschlichen Konflikten vermitteln.
Wann kommt es zu schwierigen Situationen? Was ist der Auslöser? Und was macht der Angriff mit mir? Manchmal hilft es schon, wenn man eine andere Haltung zu Personen oder Situationen entwickelt.
Wenn sich eine schwierige Situation über mehrere Monate hinzieht, lohnt es sich auch, über einen beruflichen Wechsel nachzudenken: Vielleicht läuft es in einer anderen Abteilung oder einem anderen Unternehmen besser.
Manchmal wirken sich berufliche Sorgen am Arbeitsplatz auf das ganze Leben aus und alles wirkt plötzlich trist und trüb. Wenn die Schmerzgrenze erreicht ist, können auch Psychotherapeuten wichtige Hilfestellungen geben.
Manche Mitarbeiter überlegen, ob sie ihre Kollegen oder Vorgesetzten, von denen sie sich gemobbt fühlen, verklagen. Der Rechtsanwalt Stephan Dreismann rät davon ab: In den meisten Fällen lässt sich Mobbing nur schwer nachweisen.
Um seine Hypothese, dass dieses Verhalten mit dem eigenen Elternhaus zu tun habe, zu überprüfen, lies er in vier Einzelstudien neben insgesamt 649 Führungskräften und 649 Mitarbeitern (einen je Führungskraft) auch je einen Vater oder eine Mutter von 134 der Chefs interviewen. Die Führungskräfte und Mitarbeiter kamen von den Philippinen und arbeiteten i Callcentern oder im Einzelhandel.
Die Vorgesetzten sollten aus ihrer Kindheit berichten, ob sich ihre Eltern häufig stritten, und ob sie selbst oft wütend waren oder hasserfüllte Gedanken hatten. Die Angestellten dieser Chefs sollten die Aggressivität ihres Vorgesetzten einschätzen. Die Eltern gaben im Fragebogen an, wie häufig sie sich mit ihrem Partner oder anderen Familienmitgliedern stritten, bevor ihr Kind, also der heutige Vorgesetzte, 18 Jahre alt war.
Es zeigte sich in der Analyse ein deutlicher Zusammenhang zwischen familiärer Aggression („Einer von meinen Eltern schrie den anderen häufig an.“) und Feindseligkeit der Chefs. Die Chefs aus streitenden Elternhäusern stimmten zum Beispiel oft der Aussage zu: „Wenn man sich ärgert, ist es okay, gemeine Dinge zu anderen zu sagen.“ Sie hatten offenbar auch unbewusstes Aggressionspotential. In einem Versuch mit Lückenwörtern ergänzten sie zum Beispiel häufig „expl_ _e“ zu „explode“ (explodieren), statt zu „explore“ (erforschen). Vor allem bejahten ihre Untergebenen oft den Satz: „Mein unmittelbarer Vorgesetzter demütigt mich vor anderen.“
Aggressives Grübeln in den Griff bekommen
Rollenmodelle in der Herkunftsfamilie sind nach Ansicht von Garcia eine wichtige Ursache für aggressives Führungsverhalten: Chefs, deren Eltern sich häufig befehdeten, übernahmen langfristig deren wutentbranntes Verhalten in Konfliktsituationen.
Aber was erlernt wurde, kann möglicherweise auch wieder verlernt werden. Die Forscher raten daher aggressiv auftretenden Chefs zu einem Training, um ihre aggressiven Gedanken und Gefühle in den Griff zu bekommen. Vor allem das allzu lange Grübeln über Ereignisse, die Zorn verursachen, könne man mit einfachen psychologischen Tricks selbst eindämmen, zum Beispiel mit Gedankenreisen. Personalabteilungen raten Garcia und Kollegen zu psychologischen Tests bei Bewerbungsverfahren, um allzu aggressive Manager erst gar nicht einzustellen oder nicht zu befördern.