200 Jahre Fahrrad Für die Straße oder eher fürs Wohnzimmer?

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Maßgeschneiderte Zweiräder

Die ersten Käufer ließen die in Werkstätten gefertigten Zweiräder oft maßschneidern; in vielen Städten bildeten sich elitäre Rad-Clubs: Das Veloziped reüssierte als Distinktionsmerkmal. In England schuf der Wagenbauer Denis Johnson das Pedestrian Curricle, das als hobby horse oder dandy horse bezeichnet wurde. Kurzum: Der Dandyismus umarmte damals die Möglichkeit, sich mit dem Veloziped von der Masse abzuheben. Er war in der Verknüpfung von modischer Kleiderwahl und avantgardistischem Transportmittel ein Vorbild für das, was dem heutigen Hipster sein Fixie ist.

Fixie, das kommt von fixed gear und steht für die starre Achse, die New Yorker Radkuriere nutzen, um sich mit schmal gesägten Lenkern durch den Autostau zu schlängeln. Gebremst wird beim Fixie allein durch die Rückwärtsbewegung der Pedale (kein Rücktritt!): Rollt das Rad, drehen die Pedale automatisch mit. Die alltagstauglichere, modische Version ist das Singlespeed, das hippe Ein-Gang-Fahrrad (mit Rücktritt und/oder Handbremse), das heute bevorzugte Fortbewegungsmittel von Großstadtbewohnern.

Die Kultur des Fixies mit seinem schlichten schlanken Stahlrohrrahmen ist so erfolgreich, dass auch moderne E-Bikes für mehrere Tausend Euro sich auf sein Design beziehen. Optische Reduktion mit elektrischem Doping – das ist die postmoderne Welt des Fahrrades, der Code für urbane Unabhängigkeit: Tatsächlich beugen sich heute Menschen in Straßenkleidung auf dem Weg zur Arbeit tief in den Untergriff wie einst Eddy Merckx, der Kannibale aus Belgien, wenn er auf den Zielkilometern einer Tour-de-France-Etappe seine Gegner vernichtete.

Wie ein Trend die Wirtschaft fördert
Im Trend: Radfahren Quelle: dpa
Wie gut ist es eigentlich um die Radwege in Deutschland bestellt? Quelle: dpa
Wie sicher ist das Fahrradfahren? Quelle: dpa
Reisen mit dem Rad - ist das noch zeitgemäß? Quelle: dpa
Unterstützen Radler die lokale Wirtschaft? Quelle: dpa

Warum aber ist das Fahrrad zur Ikone der Metropolenmoderne geworden? Weil Autos nicht mehr Schnelligkeit und Fortschritt, sondern Stau und Stillstand versinnbildlichen? „Es ist jedenfalls nicht die Werbung, die versucht, einen Gegenstand zu pushen“, sagt Rüdiger Goetz von der Designagentur kw43, die zwei deutsche Mountainbike-Produzenten betreut, sondern umgekehrt: „Die Werbung ist nur der Spiegel eines gesellschaftlichen Trends.“

Aber was ist es dann? Das Rad wird schließlich nicht nur als emissionsfreier mobiler Musterknabe gefeiert, sondern steht auch in der Kritik, vor allem seit Renn- und E-Biker dem Radeln alle Gemütlichkeit geraubt haben. Einerseits hat die Bewegung der Critical Mass, die mit Radkolonnen für die Rechte von Radfahrern demonstriert, viele Teile der westlichen Welt erobert: Städte wie Kopenhagen sind Vorreiter bei der Förderung des radkonzentrierten Innenstadt-Verkehrs. Andererseits gerät das Fahrrad neuerdings als Gefährt rücksichtsloser Rüpel in Verruf.

Diese E-Bikes werden von Experten empfohlen
Radler mit Elektrorädern sollen künftig Radwege nutzen können Quelle: dpa
Kategorie: CitybikeTestsieger: Centurion E-Fire Sport 408 Details: 2.149 Euro, Getriebenabe, Mittelmotor, 24,4 Kilo. Sehr ergonomischer und bequemer Rahmen. Dank hoher Rahmensteifigkeit läuft das Rad ruhig und spurstabil. Der starre Hinterbau schränkt den Fahrkomfort etwas ein. Federgabel und Tektro-Scheibenbremsen verrichten ihre Arbeit sehr gut. Ein Pedelec, das viel Spaß macht! Antrieb: Bosch Active Line 400 Wh Quelle/Getestet in: E-Bike 2/15, Note: 1,6 Quelle: PR
Kategorie: CitybikeTestsieger: Meridia E-spresso Sport 400 Details: 3.099 Euro, Getriebenabe, Mittelmotor, 25,6 Kilo. Antrieb: Bosch Active Line 400 Wh Sauber verarbeiteter Rahmen mit kompakter Geometrie. Die Sitzposition ist leicht sportlich, der Schwerpunkt liegt angenehm zentral. Das Fahrverhalten ist ausgewogen und gut kontrollierbar - ein echtes Spaßbike. Der kräftige Bosch-Performance-Motor und die stufenlose Nuvinci-Getriebenabe passen zum sportlichen Charakter des Testsiegers. Quelle/Getestet in: E-Bike 1/15, Note: 1,5 Quelle: PR
Kategorie: TiefeinsteigerTestsieger: Bergamont E-Ville C-N360 Details: 2.999 Euro, Getriebenabe, Mittelmotor, 26,5 Kilo. Neu definierter Tiefeinsteiger mit sportlichen Genen. Mustergültiges Fahrverhalten durch den sehr steifen Rahmen, aber der Komfort könnte höher sein. Die Antriebskombination aus kräftigem Motor und stufenloser Nuvinci-Nabe arbeitet einwandfrei. Ansprechendes Design, toll verarbeitet, hochwertig ausgestattet. Antrieb: Bosch Performance Line 400 Wh Quelle/Getestet in: E-Bike 1/15, Note: 1,5 Quelle: PR
Kategorie: TiefeinsteigerTestsieger: Falter E 8.8 Wave Details: 2.399 Euro, Getriebenabe, Mittelmotor, 25,3 Kilo. Zuverlässiger, sauber verarbeiteter Tiefeinsteiger, der spurtreu geradeaus rollt, dafür aber nicht maximal wendig ist. Die Kombination aus Antrieb und elektrisch schaltbarer Nexus-Getriebenabe funktioniert tadellos. Das Pedelec ist aufgeräumt und sauber verarbeitet. Antrieb: Shimano Steps 418 Wh Quelle/Getestet in: E-Bike 2/15, Note: 1,7 Quelle: PR
Kategorie: TiefeinsteigerPreis-Leistungs-Tipp: Corratec E-Power 2 Details: 2.399 Euro, Getriebenabe, Mittelmotor, 24,9 Kilo. Wendiger 26-Zöller mit tadellosen Fahreigenschaften. Bei Federgabel und Sattelstütze wurde zu sehr gespart: der Komfort leidet unter der wenig sensibel Gabel, auch wenn die 47 Millimeter breiten Reifen etwas von der Härte schlucken. Tadellos verarbeitet und alltagstauglich ausgestattet. Antrieb: Bosch Active Line 400 Wh Quelle/Getestet in: E-Bike 1/15, Note: 1,8 Quelle: PR
Kategorie: TourenräderTestsieger: Bergamont E-Line C XT Nyon Details: 3.199 Euro, Kettenschaltung, Mittelmotor, 22,7 Kilo. Dank des sehr steifen Rahmens wird die Kraft von Fahrer und Motor gut in Vortrieb umgesetzt. Trotz schmaler Reifen, aber dank toller Federgabel und entspannter Sitzposition, fährt sich das Rad komfortabel, das Fahrverhalten ist tadellos. Das Nyon-Display von Bosch bietet neben den üblichen Infos ein vollwertiger Navigationssystem und Fitnessfunktionen. Antrieb: Bosch Performance Line 400 Wh Quelle/Getestet in: E-Bike 1/15, Note: 1,6 Quelle: PR

Neuerdings? Nun, tatsächlich erteilten die Behörden in Deutschland erste Fahrverbote schon im 19. Jahrhundert. Im New Yorker Central Park waren zwischenzeitlich Hochräder verboten. Kutschfahrer bekämpften Radler. Vielleicht hat es seinen guten Grund, dass das Fahrrad heute zunehmend viel Zeit in deutschen Wohnzimmern verbringt?

Senad Sarac jedoch möchte mit den Unikaten seiner Marke Le Vélo keine Museumsstücke bauen. Er verlegt Kabel in alte Rohre für moderne LEDs in historischen Leuchten und erzählt davon, dass er bei Bedarf auch Akkus einbaut, damit seine Kunden auf dem Rad ihr Smartphone laden können. „Ich baue die Fahrräder für die Straße“, sagt Sarac, „und nicht fürs Museum."

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