„Kinder, wenn ihr alt werden und lange gesund bleiben wollt, lernt! Seid neugierig, experimentiert, macht Fehler – aber hört nicht auf zu lernen.“ Mit diesem Satz beendete mein damals fast 70-jähriger, vor Agilität strotzender Haustechnikprofessor seine Vorlesungen. Was haben wir ihn karikiert, imitiert und unsere Witze darüber gemacht.
Heute - 25 Jahre später - denke ich, es war vielleicht der wichtigste Satz des gesamten Studiums. Er ist aktueller denn je, denn genau diese Eigenschaften innerer Haltung benötigen wir für den Prozess der Digitalisierung: Offene Neugierde, Mut zu experimentieren, Fehler zu machen, daraus zu lernen und Wandel zu gestalten.
Dieses Fehler machen, das Experimentieren und die Geschwindigkeit, in der wir leben und arbeiten, verlangen uns aber auch viel ab. Und so hat sich beinahe schleichend eine Gegenbewegung gegen Stress und Arbeitsdruck etabliert: Im Silicon Valley geben sich Digitalisierung und Meditation bereits seit Jahren die Hand.
Zur Autorin
Kun Ya Andrea Schmidt ist Architektin und Unternehmerin und arbeitet seit mehr als 25 Jahren als Meditationslehrerin.
Mit ihrem 2016 gegründeten Unternehmen Integrale Vision bietet sie Meditationsworkshops und Onlinetrainings für Unternehmen an.
In der Tech-Schmiede meditieren so viele Menschen und Firmen, dass man inzwischen von einer Achtsamkeitsbewegung spricht. Darunter Unternehmen wie Google, Microsoft, Facebook und Co. Es funktioniert, weil die neue Bewegung auf eine Unternehmenskultur trifft, die eine offene, experimentierfreudige, lernbereite und mutige Lebenseinstellung fördert.
Den amerikanischen Unternehmen, die Meditation für ihre Mitarbeiter einsetzen, geht es um erfolgreiches Arbeiten, um inneres Wachstum, Zufriedenheit und ein Gleichgewicht von persönlicher und betrieblicher Entwicklung. Dies zeigen die Beiträge der Wisdom 2.0 Conference, die Ende Februar 2015 in San Francisco stattfand und sich genau mit dieser Thematik befasste.
In Deutschland sind die positiven Effekte von Meditation auf die Produktivität und die Innovationskraft noch wenig bekannt. „Zum Ein- und Ausatmen haben wir jetzt keine Zeit“, heißt es immer wieder. Arbeitgeber sollten dennoch versuchen, einen Weg finden, den Stress ihrer Angestellten zu reduzieren. Denn der steigt mit jedem Jahr weiter an, weil mit der zunehmenden Digitalisierung auch das Arbeitspensum und die Arbeitsdichte steigen. Rund 61 Prozent aller Arbeitnehmer sind laut TK Stressreport 2016 gestresster als noch vor drei Jahren. Vor allem die ständige Erreichbarkeit macht einen großen Teil der Mehrbelastung aus.
Die Folgen sind auch für Arbeitgeber nicht zu ignorieren: 33 Prozent brauchen regelmäßige Behandlung aufgrund chronischer Erkrankungen und 21 Prozent der Gestressten leiden an Depression.
Der Kostendruck, der durch Krankheiten erzeugt wird, beschleunigt gerade auch in Deutschland die Einführung von Achtsamkeitsseminaren und Meditationskursen in Unternehmen. Rückenschule allein genügt heute nicht mehr, um Mitarbeiter ein Arbeitsleben lang fit und gesund zu erhalten.