Hand aufs Herz: Telefonieren Sie im Auto? Surfen Sie im Netz, während Sie Fernsehen gucken? Typische Fälle von Multitasking.
Der Begriff ist in den vergangenen Jahren zu einer Art Modewort der Effizienzgesellschaft geworden. 2004 hat er es sogar in den deutschen Duden geschafft. Das Lexikon versteht darunter das "gleichzeitige Verrichten mehrerer Tätigkeiten". Ein heikler Spagat.
Befürworter des Multitasking sagen: "Ist doch klasse, so kann ich mehrere Sachen gleichzeitig erledigen – und habe dabei sogar mehr Abwechslung als mit einer Aufgabe allein!" Skeptiker warnen vor den Nachteilen: Die Konzentration sinkt, die Leistung leidet, die Fehlerquote steigt. Deshalb ist Multitasking bei Psychologen mindestens umstritten – viele halten es sogar für heikel.
Forscher um Eyal Ophir von der Universität Stanford fanden in einer Studie 2009 heraus, dass Multitasker mehr Zeit verschwenden und sich schneller ablenken lassen als jene, die sich immer nur einer Aufgabe widmen. Sie meinen es zwar gut, schaden sich damit aber letztendlich selbst.
Aber wie schätzen Menschen ihre eigene Fähigkeit zum Multitasking ein? Und hat diese Einschätzung etwas mit ihrer tatsächlichen Fähigkeit zu tun? Diesen Fragen widmeten sich Psychologen um David Strayer von der Universität Utah in einer neuen Studie.
310 Personen im Alter zwischen 18 und 44 beantworteten zunächst einige Fragen. Darunter: Nutzen Sie ihr Handy, während Sie am Steuer sitzen? Und wenn ja, wie oft? Wie gut schätzen Sie Ihre eigene Fähigkeit zum Multitasking ein – eher schlecht, durchschnittlich oder hervorragend? Bereitet Ihnen das Probleme oder schaffen Sie locker mehrere Aufgaben gleichzeitig? Außerdem sollten sie einige Angaben zu ihrer Persönlichkeit machen. Darunter: wie impulsiv sie waren oder wie wichtig ihnen Abwechslung war.
"Operation Span task"
Nun legte David Strayer ihnen einen speziellen Test vor, die "Operation Span task". Vereinfacht gesagt: Psychologen messen damit, wie gut Menschen sich auf mehrere Aufgaben gleichzeitig konzentrieren können. Dafür bitten sie die Freiwilligen darum, eine Reihe von zwei bis fünf Buchstaben zu merken. Nun sehen sie einige simple Rechnungen und sollen sagen, ob die Lösung richtig oder falsch ist. Mit anderen Worten: Sie müssen sich sowohl darauf konzentrieren, die Buchstaben zu memorieren als auch die Rechnung zu überprüfen. Ein klassisches Beispiel für Multitasking also.
Hinterher wertete Strayer die Ergebnisse aus – und fand heraus: Die Selbsteinschätzung unterschied sich erheblich von der tatsächlichen Leistung. Jene Testpersonen, die sich selbst für große Multitasker hielten und das im Alltag oft taten, schnitten in der Gedächtnisaufgabe am schlechtesten ab.
Mehr noch: Die Leistung im Test stand in negativem Zusammenhang zur Selbsteinschätzung. Wer angab, selten mehrere Aufgaben gleichzeitig zu erledigen, erhielt im Test die höchsten Punktzahlen.
Ein weiteres Indiz dafür, dass der Mensch ständig zur Selbstüberschätzung neigt – was im Falle des Multitaskings bisweilen echte Konsequenzen haben kann.
Außerdem bemerkte Strayer, dass die Persönlichkeit der Freiwilligen ebenfalls eine Rolle spielte. Wer sich selbst große Neugier und Lust auf ständige Abwechslung attestierte, gehörte ebenfalls zu den häufigsten Multitaskern.
Die Studie legt also nahe: Wer im Alltag dazu neigt, mehrere Aufgaben gleichzeitig zu erledigen, ist dafür womöglich charakterlich prädestiniert. Aber das heißt noch lange nicht, dass er sich damit einen Gefallen tut – eher im Gegenteil.
Quelle:
David Strayer et al (2013). Who Multi-Tasks and Why? Multi-Tasking Ability, Perceived Multi-Tasking Ability, Impulsivity, and Sensation Seeking. PLoS One.