Andrea Illy "Kaffee ist gesund und hält den Körper in Balance"

Der CEO der Espressomarke, Andrea Illy, über den Segen des Kaffees, den Erfolg von Kapselsystemen und die richtige Milch für Cappuccino.

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Andrea Illy, CEO von Illycafé, im Gespräch mit der WirtschaftsWoche Quelle: Presse

WirtschaftsWoche: Herr Illy, zunächst: Zucker in den Espresso oder besser schwarz?

Andrea Illy: Ich trinke ihn ohne Zucker, danke, aber nehmen Sie ruhig welchen.

Ich möchte es aber gern richtig machen. Gehört Zucker nun in den Espresso oder nicht?

Es geht nicht um Kennerschaft bei der Frage, ob man Zucker nimmt oder nicht. Zudem sind die Menschen unterschiedlich empfindlich, wenn es um Bitterstoffe geht. Unser Kaffee ist zum Beispiel von Natur aus süßlich. Die Süße schmecken Sie nicht, wenn Sie den Espresso auf der Zunge haben, erst danach. Ich bin damit glücklich. Aber mein Vater, der meines Erachtens größte Connaisseur weltweit, nahm immer wieder auch Zucker zum Espresso.

So trinkt die Welt ihren Kaffee

Sie haben 1995 Ihr erstes wissenschaftliches Buch zum Espresso veröffentlicht, 2005 den zweiten Band. Sieben Jahre sind vergangen. Was gibt es für neue Erkenntnisse über Espresso?

Die wichtigste Frage, die wir zu beantworten versuchen, heißt: Wie gut ist Kaffee für die Gesundheit?

Der Ruf von Kaffee als Gesundmacher ist noch nicht überall vorgedrungen.

Dabei ist Kaffee ein wichtiger Träger von Antioxidantien, die helfen, den Körper in Balance zu halten. Wenn Sie alle Getränke und Nahrungsmittel, die wir zu uns nehmen, vergleichen, steht Kaffee auf Rang eins der Dinge, die Antioxidantien enthalten. Dazu zählen Mineral- oder Pflanzenstoffe, bei Gemüsen auch die Vitamine. Sie haben vorbeugende Wirkung bei diversen Krankheiten. Untersuchungen bezogen sich zum Beispiel auf die neurologischen Aspekte, insbesondere auf die Auswirkung von Koffein bei der Krankheit Alzheimer.

Kaffee trinken hilft gegen Alzheimer? Das klingt zu schön, um wahr zu sein.

Es ist noch nicht wissenschaftlich erwiesen, aber es gibt Indizien für die Vermutung, dass Koffein und ein weiterer Bestandteil von Kaffee Alzheimer verhindern, gar therapieren können. Der Zeitpunkt des Ausbruchs der Krankheit kann offenbar hinausgeschoben werden.

Das kommt Ihrem Unternehmen natürlich gelegen.

Es ist das Ergebnis von mehr als 200 medizinischen Studien, die sich mit Kaffee beschäftigen.

Und morgen rettet Kaffee die Welt?

Nun – zumindest beschäftigen sich andere Studien mit dem Zusammenhang von Klimawandel und Kaffeeanbau. Unglücklicherweise sind zunehmend Gebiete ungeeignet für den Anbau der Bohnen. Als Präsident der Association Scientifique Internationale pour le Café kümmere ich mich auch um diese Fragen.

Biotechnologie für den Kaffeeanbau

Kaffee in der Kapsel
Der Siegeszug der Kaffeekapselsysteme ist ungebrochen. Vor allem der Marktführer Nespresso konnte mit der Palette an bunten Kapseln die Verbraucher überzeugen. Wurden 2005 in Deutschland etwa 400 Tonnen Kaffee in Kapseln verkauft, waren es 2010 bereits 5100. Alle führenden Produzenten bieten inzwischen Systeme an, zuletzt kam in Deutschland die italienische Marke Illy mit ihrem Iperespresso hinzu. Quelle: dapd
Der Vorzug der Kapselmaschinen gegenüber klassischen Siebträgern ist die spielend leichte Bedienung, der geringere Stromverbrauch und die geringere Größe der Maschinen; zudem kann das Kaffeemehl nicht oxidieren. Die Nachteile: ein deutlich höherer Kilopreis des Kaffees von mindestens 37 Euro, die geringere Vielfalt an Bohnen und die nicht kompatiblen Systeme. Die Kunden müssen sich für eine Marke entscheiden, die Kapseln der Anbieter passen nicht in die Maschinen anderer Anbieter. 4 Kaffeesysteme im Vergleich: Quelle: dpa
IllyPreis der Maschinen: 155 bis 500 Euro je nach AusstattungPreis pro Kapsel: 42 bis 45 CentVielfalt der Sorten: Vier Espressoröstungen, davon eine entkoffeinierteBesonderheiten: Die Kunststoffkapseln werden über die gelbe Tonne entsorgt Quelle: Presse
CafissimoPreis der Maschinen: 49 bis 89 Euro je nach AusstattungPreis pro Kapsel: 25 bis 40 CentVielfalt der Sorten: Neun Röstungen für Espresso bis Caffè Crema für große TassenBesonderheiten: Neben den Standartröstungen regelmäßig Editionen für kurze Zeit Quelle: Presse
TassimoPreis der Maschinen: 110 bis 200 EuroPreis pro Kapsel: 30 bis 33 Cent (für die Kaffeevarianten)Vielfalt der Sorten: 26 Kaffees von Jacobs Krönung bis Café Hag. Dazu Tees, Schokoladen und MilchkaffeeBesonderheiten: Sehr große Auswahl an Heißgetränken bis hin zum Milchschaum Quelle: Presse
NespressoPreis der Maschinen: 100 bis 500 Euro je nach AusstattungPreis pro Kapsel: 35 bis 42 CentVielfalt der Sorten: 16 Röstungen, zusätzlich regelmäßig SondereditionenBesonderheiten: Große Geräteauswahl verschiedener Hersteller Quelle: Presse

Wo liegt das Problem?

Einige Regionen sind zu trocken und zu heiß, andere werden zu feucht. Beides ist schlecht für den Anbau. Schlimm ist auch, dass die natürliche Vielfalt der Pflanze verloren geht wegen der Erderwärmung.

Was können Sie ändern?

Es ist höchste Zeit, in die Biotechnologie zu investieren, um die Sorten zu konservieren. Außerdem müssen wir neue Pflanzen und Sorten entwickeln, die den gewandelten Klimabedingungen standhalten. Gleichzeitig forscht die Branche, wie der CO2-Ausstoß bei Anbau und Produktion reduziert werden kann.

Ihre Forschungen in Ehren – aber den Markt können Sie kaum ändern. Sie sind mit einem Umsatz von etwa 340 Millionen Euro im Jahr ein Zwerg im Vergleich zu anderen Kaffeemarken.

Wir sind eine Nischenmarke, wir sind klein und exklusiv und das ist auch unsere Strategie. Unser Ziel ist nicht Quantität, sondern Qualität. Wir können also mit den Mengen, die wir kaufen, keinen Druck auf den Markt ausüben. Aber wir können unser Modell übertragen auf andere Produkte wie Kakao oder Tee. Wir wollen die sein, die den besten Kakao und Tee machen – und schließlich Wein. Wir betreiben bereits ein kleines Weingut, das Brunello di Montalcino produziert.

Keine dieser Branchen wartet auf Sie.

Nein, aber unser Unternehmen wurde vor 80 Jahren mit einer Vision meines Großvaters gegründet, und die führt uns noch heute. Wir haben in dieser Zeit mehrere grundlegende Dinge für den Espresso festgelegt, wie die präzisen Angaben zu Menge, Wasserdruck, der Temperatur des Wassers und der Durchlaufzeit eines Espressos. Diese Formel entwickelte mein Großvater, sie gilt heute als Standard.

Gilt die goldene Regel heute noch?

Wir haben sie weiterentwickelt. Unser Kapselsystem verändert die Technik grundlegend. Bislang dringt das Wasser mit dem Druck von etwa neun Bar durch das Kaffeemehl, und unten läuft der Espresso aus dem Siebträger. Dabei sucht das Wasser den Weg des geringsten Widerstandes, es entstehen ungewollte Kanäle, nicht alle Kaffeekörner werden unter Umständen extrahiert. Wir haben das umgedreht. Das Wasser verbleibt in der Kaffeekapsel, bis ein Druck aufgebaut ist. Erst dann, bei etwa acht Bar, öffnet sich unten eine Membrane und gibt den Kaffee frei, und am Ende steht ein einzigartiger Espresso.

Eine vor allem ökonomisch notwendige Entscheidung, um nicht an die Wand gedrängt zu werden von den sehr erfolgreichen etablierten Kapselsystemen?

Die Kapselsysteme, die auf dem Markt sind, haben Komfort, Bequemlichkeit und Konsistenz für eine große Zahl von Kunden ermöglicht. Das ist gut. Zuvor waren die Hürden für die Privathaushalte sehr hoch, einen Espresso so zuzubereiten, wie sie ihn aus guten Cafés kennen. Illy war das erste Unternehmen, das mit Pads ein Portionssystem auf den Markt brachte. Dann waren wir vielleicht ein wenig zu verliebt in unser Produkt und etwas spät dran zu verstehen, dass der Markt etwas anderes verlangte.

Mehr Qualität in der Tasse

Welcher Kaffeetyp sind Sie?
Ohne kommen die Deutschen nicht aus dem Bett: Eine Tasse Kaffee gehört für fast zwei Drittel der Bundesbürger (63,6 Prozent) zum Start in den Tag. Laut dem Deutschen Kaffeeverband verbrauchten die Deutschen vergangenes Jahr 6,4 Kilogramm Rohkaffee - im internationalen Vergleich liegen sie damit auf Platz sieben. Die Finnen haben es mit 12,01 Kilogramm Kaffee auf Platz eins geschafft. Grund genug für die Redaktion von brandeins Wissen, das Magazin "Kaffee in Zahlen" herauszugeben. Demnach gibt es verschiedene Kaffeetypen, wie beispielsweise den... Quelle: dpa
Mit Kaffee, Filtertüte und Filter wird eine Tasse Kaffee aufgebrüht Quelle: dpa
Paar in einem Schlafzimmer Quelle: gms
Zuckerverpackungen mit der Aufschrift "Suedzucker" l Quelle: dapd
two cats sitting in the Cats Coffee House 'Neko' in Vienna, Austria, Quelle: dpa
Mit Elvis zum Frühstück: WMF rockt die IFA und bringt Entertainment in die Küche! Neben zahlreichen neuen Serien rund um Frühstück und Kaffee ist das besondere Highlight bei WMF die Only you! Quelle: obs
 A cappuccino is prepared at a Nairobi Java House outlet in Nairobi Quelle: REUTERS

Wie konnte Ihnen das passieren bei all den Untersuchungen? Haben Sie keine Marketingforscher?

Wir waren sehr zögerlich und sind es auch immer noch wegen des vielen Mülls, der bei Kapselsystemen anfällt. Aber so ist es nun mal. Espressozubereitung ist eine komplexe Angelegenheit. Als wir uns entschlossen, Kapseln herzustellen, brauchten wir einen komplett neuen Ansatz, um mehr Qualität in die Tasse zu bekommen.

Sie müssten doch eigentlich schon alles gewusst haben.

Nein, wir haben einen vier Jahre andauernden Forschungsprozess gestartet, der alle Parameter neu untersuchte.

Die Deutschen waren früher stolz auf ihren Filterkaffee. Stattdessen gibt es heute überall Espresso und Co. Fühlen Sie sich ein wenig schuldig?

Gar nicht. Wir sind sehr froh darüber.

Sie sprechen viel von Kultur. Unsere wurde massiv verändert.

Zum Besseren.

Meine Oma zelebrierte noch Kaffeekultur mit Handmühle und Handfilter. Das kann heute kaum noch einer.

Ich geben Ihnen ein Beispiel dafür, was besser geworden ist in Deutschland. Bis vor etwa 20 Jahren wurden in Ihrem Land die besten Kaffeesorten zubereitet. Die besten Bohnen wurden importiert aus Westafrika, vor allem die hochwertigen Arabica-Sorten. Die Röstung war heller und der Kaffee sehr typisch für das Land. Dann wurde der Kaffeemarkt umgewälzt. Die Einkäufer begannen, nach preiswerteren Bohnen zu suchen, mehrheitlich Robusta. Die Technik des Röstens wurde so verändert, dass ungewünschte Aromen herausgedämpft werden konnten. So wurde der Verbrauch gesteigert, nicht jedoch die Qualität. Nun kommt sie zurück. Auch wegen der Qualität von Espresso.

Den wir hier gern auch als Cappuccino trinken, inzwischen nicht länger mit Sahne. Welche Milch sollen wir nehmen? Frische? Haltbare? Vollfettstufe? Fettarme?

Wir sind Experten für Kaffee. Aber so viel kann ich sagen: Entscheidender als die Milch selber ist, dass sie nicht zu stark erhitzt wird. Wird sie zu stark erhitzt, verändert sich das Eiweiß, und der Milchschaum wird zu fest, um sich noch cremig mit dem Espresso zu verbinden.

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