Anführer oder Verwalter So finden Firmen den richtigen Chef

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CEO als Faktor für den Erfolg

Trotzdem kamen die Forscher zu dem Schluss, dass der Führungsstil des CEOs ein eigenständiger, maßgeblicher und bislang unterschätzter Faktor für den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens ist. Sie schauten sich hierfür die 200 Firmen ihrer Stichprobe näher an, bei denen Geschäftszahlen für die Zeit vor und nach der Ernennung des Chefs vorlagen. Bei der wirtschaftlichen Entwicklung vor der Berufung des neuen CEOs stellten sie keinen Unterschied zwischen Firmen fest, die später einen Leader oder einen Manager an die Spitze beriefen. Anschließend gab es wie erwähnt zwar unter Anführer-Chefs einen deutlichen Anstieg beim Umsatz. Der manifestierte sich aber erst nach geraumer Weile. „Ein neuer CEO benötigt drei Jahre, ehe er Resultate vorweisen kann“, schreiben die Forscher. Sie folgerten daraus, dass neue Anführer erst einmal hart daran arbeiten müssen, die Firma auf ihren Kurs zu bringen.

Das bedeutet jedoch nicht, dass Leader grundsätzlich die besseren Firmenlenker sind. Auch viele von Managern geführte Unternehmen sind sehr erfolgreich, wie die Forscher betonen. Sie haben für die Studie ein Modell entwickelt, um für jede Firma den passenden Cheftypen herauszufinden. Dazu analysierten, ob die Mischung aus „vertikalen“(typisch für Anführer) und „horizontalen“ (typisch für Verwalter) Aufgaben mit dem Führungsstil des Kandidaten harmoniert. Ob ein Chef das Unternehmen voranbringt, hängt demnach in erster Linie davon ab, wie gut beide Seiten zueinander passen: „Einige Firmen fahren besser mit Anführern und andere mit Managern.“

Das schlechtere Abschneiden der Verwalter-geführten Firmen könnte demnach vor allem daran liegen, dass diese Unternehmen in Wahrheit einen Anführer brauchen. Das sei bei 17 Prozent der untersuchten Firmen der Fall, bilanzierten die Forscher. Der Grund sei einfach: Häufig gebe es weniger Leader-CEOs, als gebraucht würden. Dies ist der Studie zufolge vor allem in ärmeren Ländern ein Problem. Dort seien 36 Prozent der Firmen mit dem falschen Typ von Chef besetzt, etwa, weil geborenen Anführern durch schlechtere Bildungschancen der Zugang zum CEO-Jobmarkt versperrt bleibe. In reichen Ländern seien hingegen nur fünf Prozent der untersuchten Unternehmen vom Wettbewerbsnachteil „falscher Chef“ betroffen.



Die Forscher raten Managern aber davon ab, das Verhalten von Leadern nachzuahmen. „Es könnte sein, dass nur CEOs mit bestimmten Charaktereigenschaften wie Charisma oder Weitblick erfolgreich als Anführer agieren können. Wenn ein CEO ohne diese Qualitäten versucht, den Anführer zu 'spielen', könnte die Leistung des Unternehmens sogar schlechter ausfallen als unter einem Manager“, warnte das Team um Bandiera.

Und wie führen Frauen?

Was also macht nun einen guten Chef aus? Die Studie legt den Schluss nahe, dass die Frage anders formuliert werden muss. Eigentümer von Unternehmen sollten prüfen, welche Art von Führungspersönlichkeit am besten zu den Anforderungen ihrer Branche und ihrer Firma passt. Kleine bis mittlere Betriebe mit eher gleichbleibenden Abläufen fahren womöglich am besten mit einem Manager, der sich auf die reibungslose Produktion konzentriert und keine Energie mit unnötigem Sendungsbewusstsein verschwendet. Größere Unternehmen, die im ständigen Wettbewerb um die besten Ideen und Köpfe stehen, entwickeln sich vielleicht unter einem Visionär mit Strahlkraft nach innen und außen besonders gut.

Die Untersuchung hat allerdings einige Einschränkungen: Da ist zum einen das Übergewicht an Teilnehmern aus Indien. Sie stellten mehr als ein Drittel der Befragten. Brasilien kam auf rund ein Viertel. Die restlichen 43 Prozent der Teilnehmer entfielen auf die vier einkommensstarken Staaten USA, Deutschland, Frankreich und das Vereinigte Königreich. Die Verteilung liegt auch daran, dass die Studie 2011 in Indien begonnen und zwei Jahre später auf die anderen Länder erweitert wurde. Es ist möglich, dass Indien als einziges asiatisches Land der Studie und aufgrund seines Kastensystems nicht völlig mit den übrigen Wirtschaftsnationen vergleichbar ist.

Schwerer wiegt aber dieser Faktor: Die Studie ist eine Analyse männlichen Führungsverhaltens. 96 Prozent der befragten CEOs waren Männer, der Altersdurchschnitt lag bei 51 Jahren. Zwar sind Frauen an der Spitze großer Konzerne weiterhin die Ausnahme. 2019 präsentierte SAP als erstes DAX-Unternehmen überhaupt mit seiner Co-Chefin Jennifer Morgen eine Frau im Vorstandsvorsitz. Insofern mag die Untersuchung durchaus die harte Realität abbilden. Ihr Ergebnis wirft aber die interessante Frage auf, ob erfolgreiche Chefinnen sich aufgrund ihres Führungsstils ebenfalls in „Leader“ und „Manager“ unterteilen lassen – oder ob Frauen an der Spitze ganz andere Wege gehen.

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