Arbeiten nach Corona So klappt Netzwerken aus dem Homeoffice

Virus macht erfinderisch: Seit dem Frühjahr haben sich berufliche Treffen aller Art ins Digitale verlagert. Quelle: imago images

Netzwerken funktioniert auch ohne Meetings. Im Homeoffice kommen Anfänger unter Umständen sogar leichter voran – wenn sie die zentrale Erfolgsbedingung akzeptieren: Netzwerken ist ein Geben und Nehmen.

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Alexis Eisenhofer hat rund 77.900 Follower auf Xing. Damit gehört er laut der Jobplattform zu ihren drei Top-Nutzern. Ob Corona Einfluss auf den Follower-Stand hatte, interessiert den Supernetzwerker weniger. „Ich habe die Anzahl der neuen Kontakte nicht gezählt“, sagt der Mitgründer und Leiter des Münchner Software-Unternehmens Financial.com. Für ihn gilt es, auch im Homeoffice am Ball zu bleiben: „Networking ist unabhängig von der Pandemie immer sehr wichtig. Eine Reputation baut man ein Leben lang auf.“

Weniger professionelle Netzwerker stehen allerdings aktuell vor der Frage, wie man in Zeiten abgesagter Konferenzen und Get-Together vom Homeoffice aus beruflich Kontakte knüpfen soll. Da bietet die Coronakrise nach Ansicht von Tijen Onaran, Autorin des Buchs „Die Netzwerkbibel“, den endgültigen Anstoß für die nötige Digitalisierung.

Online-Profil ersetzt Visitenkarte

„Wer digital noch nicht präsent ist, sollte dies schnellstmöglich nachholen“, rät die Geschäftsführerin des Unternehmens Global Digital Women, das Frauen in der Digitalbranche vernetzt. „Gutes Networking lebt von der Mixtur aus Online und Offline.“ Viele Menschen würden ihre digitalen Profile aber vernachlässigen und sich auf den „analogen“ Austausch konzentrieren. 

Theoretisch ist es nicht schwer, im Internet neue berufliche Kontakte zu finden. Angestellte, Selbstständige oder Unternehmer können auf Xing Kontaktanfragen annehmen, den Kontaktvorschlägen der Plattform folgen oder auf sich aufmerksam machen, indem sie Online-Gruppen zu passenden Themen beitreten. Twitter zeigt in der Timeline Beiträge an, die Followern gefallen haben, und weist damit den Weg zu neuen Verbindungen. Oder man durchforstet schlicht die „Folge ich“-Liste erfolgreicher Vertreter der Branche.

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Selbst abgesagte Konferenzen helfen in Zeiten von Abstandsregeln beim Knüpfen neuer Kontakte. Alisa Cohn und Dorie Clark raten in der „Harvard Business Review“ dazu, bei Veranstaltern die Liste von Rednern und Teilnehmern anzufragen. Aus denen sollen fünf bis zehn Kontakte herausgefiltert werden, bei denen es gemeinsame Interessen oder Punkte im Lebenslauf (etwa die Hochschule) gibt. Die Autorinnen empfehlen dann die Kontaktaufnahme via E-Mail oder soziale Netzwerke, im Sinne von „Haben Sie Lust, sich auf einen Kaffee oder auf Zoom zu treffen?“

Networking per Videochat beschränkt sich nicht auf Vier-Augen-Gespräche. Virtuelle Get-Together und Minikonferenzen werden in der Coronakrise immer beliebter. 

Linus Dahlander von der privaten Wirtschaftsuniversität ESMT Berlin besucht dieser Tage ebenfalls virtuelle Business Lunches, Meetings und Workshops. „Aber daran nehmen fast ausschließlich Menschen teil, die ich bereits kenne“, schränkt der Inhaber des Lehrstuhls für Innovation ein. Selbst der Netzwerkexperte musste in der Coronakrise feststellen: „Es ist schwieriger, neue Verbindungen zu knüpfen.“

Denn jemandem auf Twitter zu folgen oder Kontaktanfragen zu versenden, ist beim digitalen Netzwerken der mit Abstand einfachste Teil. Damit das tatsächlich etwas bringt – mehr Reputation, neue Aufträge oder einen besseren Job – ist Engagement gefragt. Diese vier Faktoren sind nach Ansicht der Experten ausschlaggebend für erfolgreiches Online-Netzwerken.

1. Was habe ich beim Networking zu bieten?

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Für Onaran ist die Mixtur aus Geben und Nehmen das Erfolgsrezept: „Zunächst müsse man sich darüber werden, was man in einer Netzwerkbeziehung geben kann, bevor man etwas in Anspruch nimmt. Was sind Talente, Fähigkeiten, was meine Expertise, die ich mit Anderen teilen kann?“ Nach Ansicht von Eisenhofer hilft es beiden Seiten, wenn Kompetenzen klar umrissen sind. „Wenn jemand Fragen zum Thema Börse hat, ist die Chance groß, dass er mich fragt“, sagt der Finanzexperte. Bei anderen Themen hält er sich hingegen zurück. „Ich will nicht vom Kern ablenken und mein Profil schärfen.“

Im Umkehrschluss gilt für Eisenhofer: „Wer ständig Themen und Branchen wechselt, kann eigentlich auf Netzwerken verzichten.“ Mangelnde Fachkenntnisse können nach Ansicht von Dahlander auch beim Netzwerken den Ruf schädigen: „Man will nicht als der soziale Schmetterling bekannt sein, der von nichts eine Ahnung hat.“

2. Mit wem will ich mich vernetzen?

Manche Menschen sind mit 50 Twitter-Followern glücklich. Für Andere ist es Ehrensache, mindestens eine virtuelle Kleinstadt um sich versammelt zu haben. Ein berufliches Netzwerk, das sich auf ehemalige und aktuelle Kollegen beschränkt, ist besonders stabil und einfacher zu pflegen. Der Austausch ist persönlicher, Kontakte stehen eher mit ihrer eigenen Reputation für einander ein, etwa, wenn Kandidaten für eine offene Stelle vorgeschlagen werden.

Ein großes Netzwerk ist anonymer, die Verbindungen schwächer. Dafür eröffnen sich mehr Chancen für neue Geschäftspartner oder Einladung zu renommierten Events, deren Prestige auf die Gäste ausstrahlt. Eisenhofers große Zahl von Followern ist seiner Branche geschuldet. „Für meine Veranstaltungen brauche ich ein großes Netzwerk“, erklärt der Unternehmer. Außerdem wächst mit der Zahl der Follower seine Reputation bei Kunden. „Anders als bei Angestellten großer Unternehmen bin ich für meine Karriere selbst zuständig“, erklärt der Finanzexperte sein Engagement.

Für den Forscher Dahlander hingegen besitzen Hunderte unverbindlicher Kontakte keinen Mehrwert. „Networking war für meine Karriere extrem wichtig, aber nicht als Strategie oder Mittel zum Zweck.“ Er rät in der Krise zum Motto „Klasse statt Masse“: „Zehn großartige Kontakte sind viel wertvoller als Tausend LinkedIn-Verbindungen, die nichts für Sie tun würden.“ Anstatt neue Follower zu rekrutieren, sollten Berufstätige lieber erst alte Kontakte reaktivieren, beispielsweise zu Freunden aus Kindertagen.

3. Die richtige Netzwerk-Plattform

Wie man erfolgreich netzwerkt, hängt nicht zuletzt von der Plattform ab. „Twitter ist beispielsweise ein Medium, das Meinungsstärke erfordert. Xing und LinkedIn sind Plattformen, die die Kombination aus digitalem Adressbuch und Content-Plattform bieten, wohingegen Instagram den Blick hinter die Kulissen meiner Arbeit ermöglicht“, erklärt Onaran.

Eisenhofer nutzt die Netzwerke ebenfalls für unterschiedliche Zwecke und Follower-Gruppen. LinkedIn dient mehr der internationalen Kontaktpflege. Seine knapp 21.900 Follower dort stammen laut dem Unternehmer in erster Linie aus Nordamerika und Indien. Tweets an die über 55.000 Follower gehen auf Englisch und Deutsch raus, auf Instagram zeigt sich der Münchner als Privatmensch. Was auffällt: Keiner der Netzwerkexperten erwähnt in diesem Zusammenhang Facebook.

4. Authentisch, verlässlich, ansprechbar

Für Onaran ist es in Ordnung, nicht auf allen Plattformen vertreten zu sein. „Nicht jeder Kanal muss bespielt werden, aber wenn ich präsent bin, dann muss mein digitales Profil gepflegt sein“, warnt die Unternehmerin. Ein gutes Online-Profil beschreibe die beruflichen Stationen sowie Fähigkeiten und Interessen. Damit und gelegentlichen Beiträgen sei es allerdings nicht getan. „Ich muss nicht jeden Tag mehrfach posten, aber regelmäßig aktiv zu sein, entscheidet über die Langlebigkeit eines Netzwerks“, meint die Unternehmerin. Viel Zeit sei dafür nicht nötig: „Ein Like oder Kommentar ist auch eine Form der Netzwerkpflege.“

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Viele Menschen scheuen sich davor, weil sie das Versenden von Kontaktanfragen oder E-Mails als aufdringlich empfinden. Hier hilft es, aufrichtiges Interesse für den potenziellen Netzwerkpartner zu entwickeln und zu demonstrieren. „Ich erhalte sehr häufig Anfragen von Menschen, die sich nur auf einen Kaffee treffen und mir etwas verkaufen wollen“, berichtet Dahlander. Solche Anfragen lehne er höflich ab. Wer sich aber mit der Arbeit des ESMT-Professors beschäftigt hat, darf immer auf Antwort und Hilfe hoffen. So hat er sich kürzlich zwei Stunden Zeit genommen, um dem Studenten einer anderen Universität Fragen zu seinem Forschungsgebiet zu beantworten. Netzwerken kann auf diese Weise sogar zu einer Form von Online-Mentoring werden.

Trotzdem hat Networking hierzulande oft noch einen schlechten Ruf. Für Onaran liegt das daran, „weil das Bild der Vetternwirtschaft und des Gemauschels vorherrscht. Dabei ist ein gutes Netzwerk das Gegenteil und lebt von Transparenz, Offenheit und Beständigkeit“. Für die Unternehmerin ist beim Networking der Weg das Ziel. Selbst ohne ambitionierte Karrierepläne helfe es dabei, ständig etwas Neues zu lernen und den eigenen Job gut zu erledigen. Gut gepflegte Kontakte sind nach Ansicht Onarans geradezu eine Berufsversicherung: „In Krisen zeigt sich die Kraft eines guten Netzwerks. Entscheidend ist doch: Wer ist an meiner Seite, wenn ich Hilfe brauche? Wer nimmt den Hörer ab, wenn ich anrufe?“

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