Arbeitswelt Enterprise 2.0

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Führungsrollen

Mit der Einführung einer Blogsoftware oder einem sozialen Netzwerk allein ist es aber nicht getan. Damit ein Enterprise 2.0 seine Potenziale ausschöpfen kann, müssen vor allem zuerst die Führungskräfte deren Einsatz vorleben. Das Management ist in 76 Prozent der Fälle die treibende Kraft bei der Umstellung auf Enterprise 2.0. Zudem sollten die Manager nicht zu viel auf einmal erwarten. Denn die Praxis hat gezeigt: Die Transformation in ein Enterprise 2.0 dauert zwischen zwei und drei Jahren.

Larissa Haider, Autorin, WirtschaftsWoche; Quellen: Centrestage; Harald Kiehle, Leiter Geschäftsfeld Smarter Work IBM

„Der SWR hat vor drei Jahren Wikis eingeführt. Seitdem sind rund 300 davon eröffnet worden. Anfangs hatte ich ein flaues Gefühl im Magen, als ich ein Dokument im Wiki veröffentlichte. Man gibt eine Information preis, ohne zu wissen, was damit passiert. Inzwischen arbeite ich intensiv damit. Wenn ich morgens in mein Büro komme, sehe ich schon in meinem Maileingang, was sich in den für mich relevanten Wikis verändert hat. Täglich stelle ich dort Dokumente ein und schreibe Kommentare zu den Beiträgen meiner Kollegen.

E-Mails sind mir inzwischen lästig geworden. Wenn ich im Anhang ein Word-Dokument sehe, packt mich das Grausen. Die Kollegen sollen die Dokumente lieber in das Wiki stellen. Dort finde ich sie schneller, und sie gehen nicht verloren.“

Gerhard Östermann, Unternehmensstratege, SWR

Investitionen in Enterprise 2.0

Die größte Hürde ist allerdings die bestehende Hierarchie: Wer gibt welche Informationen frei? Welches Wissen darf vom Mitarbeiter uneingeschränkt geteilt werden? Vor allem die Führungskräfte brauchen ein neues Rollenverständnis. Wissen bedeutet in den kollaborativen Unternehmen keine Macht mehr. Vorsprungs- oder gar Herrschaftswissen darf es nicht geben.

Larissa Haider, Autorin, WirtschaftsWoche

„Vor zwei Jahren habe ich bei uns intern damit begonnen zu bloggen. Im ersten Moment kostete mich das sehr viel Überwindung, mich dort öffentlich zu äußern. Als Manager war ich es gewohnt, eine neue Idee erst einem kleinen Kreis von vertrauten Führungskräften zu präsentieren. Innerhalb der vergangenen zwei Jahre aber habe ich gelernt, meine Ideen weniger korrekt, dafür spontaner in der Gemeinschaft zu publizieren. Das Arbeiten und Entwickeln bindet in kurzer Zeit mehr Menschen ein und verbessert das Ergebnis. Es erfordert jedoch auch mehr Mut.“

Thomas Spreitzer, Leiter Marketing, T-Systems

Der Chef des mittelständischen IT-Dienstleisters Synaxon unterzog sein Unternehmen gleich einem vollständigen Wandel zum Enterprise 2.0. Rund 99 Prozent aller Unternehmensdokumente, das entspricht rund 45 000 Stück, stehen seitdem im internen Wiki zur Verfügung. Jeder Mitarbeiter kann jedes dieser Dokumente einsehen und ohne Freigabe Inhalte editieren oder neue ergänzen. Das wird kräftig genutzt: Die 130 Synaxon-Mitarbeiter erzeugen mittlerweile zwischen 3500 und 5000 Seitenabrufe pro Tag im Intranet. Auch der Chef musste sich daran erst gewöhnen.

Larissa Haider, Autorin, WirtschaftsWoche

„Einer meiner Mitarbeiter löschte einen Textabschnitt aus dem Unternehmensleitbild, den ich selbst geschrieben hatte. Der Absatz handelte von Disziplin, Fleiß und Demut. Als dann plötzlich die automatisch erstellte E-Mail in meinem Postfach landete, dass ein Mitarbeiter die Passage gestrichen hatte, wusste ich im ersten Moment überhaupt nicht, wie ich reagieren soll. Letztendlich unternahm ich aber nichts. Das war, als ob jemand die Handbremse gelöst hätte. Seitdem sind das Engagement und die Veränderungen in den Wikis exponentiell angestiegen. Die Mitarbeiter erkannten, dass wir es in der Führungsetage ernst damit meinen. Und ich muss sagen, dass bis heute noch kein Mitarbeiter die Veränderungsmacht missbraucht hat, indem er falsche Informationen im Wiki einschleuste.

Ich könnte mir heute nicht mehr vorstellen, ohne Wiki und Blog zu arbeiten. Lediglich in Ausnahmesituationen wird die absolute Transparenz im Unternehmen gefährlich. Wir sind beispielsweise bei einer Akquisition durch das Aktienrecht zu absolutem Stillschweigen gezwungen. Seit zwei Monaten läuft zudem ein wichtiger Vertragsabschluss, den wir vom Wiki fernhalten müssen. In diesem Fall bündele ich alle Informationen in einem separaten, virtuellen Raum. Meine Kollegen und ich arbeiten in diesem Fall mit Google Docs. Die Mitarbeiter haben dafür natürlich Verständnis.“

Frank Roebers, Vorstandsvorsitzender, Synaxon

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