



Das Bietergefecht zog sich über vier Minuten am Telefon. In 100.000-Dollar-Schritten jagten die beiden Sammler den Preis mit fernmündlichen Geboten nach oben, bis schließlich einer der beiden Kontrahenten die Waffen streckte und das Werk für 4,98 Millionen Dollar – rund 3,7 Millionen Euro – in die Kollektion eines prominenten europäischen Sammlers ging. Das zwei mal mehr als drei Meter große Strickbild von Rosemarie Trockel in Rot und Gold kostete damit mehr als das Dreifache des ursprünglich vom Auktionshaus Sotheby’s veranschlagten Schätzpreises. Es zeigt in der linken Hälfte Wollknäuel und rechts Bunny-Köpfe und gehörte bisher dem renommierten amerikanischen Sammler und Hedgefondsmanager Adam Sender. Das ist Weltrekord für ein Werk der deutschen Künstlerin, die zu den Lieblingen der Kunstszene avanciert: Erst im Oktober hatte eines ihrer Bilder erstmals mehr als eine Million Euro erzielt. „Ein fantastisches Ergebnis“, sagt Philipp Herzog von Württemberg, Europachef des Auktionshauses Sotheby’s. „Das Geschäft läuft auf Hochtouren.“
Und das weltweit: Höchstpreise wie bei Trockel werden von den Auktionshäusern derzeit fast im Tagestakt gemeldet. Allein in New York wurden bei Auktionen der führenden Häuser Christie’s und Sotheby’s Mitte Mai zeitgenössische Kunstwerke im Wert von anderthalb Milliarden Dollar versteigert. 18 Arbeiten waren teurer als 20 Millionen Dollar, ein Gemälde von Gerhard Richter, im Herbst 2012 noch für 17,4 Millionen Dollar zugeschlagen, wechselte nun für 29,3 Millionen Dollar den Besitzer – ein Plus von knapp 70 Prozent, innerhalb von 18 Monaten. Und auch für die bevorstehende Art Basel (19. bis 22. Juni), die weltweit wichtigste Messe für zeitgenössische Kunst, stehen Händler und Sammler längst in den Startlöchern, um sich die nächsten Bietergefechte um die begehrtesten Arbeiten zu liefern.
Welche Top-100-Künstler die größten Sprünge gemacht haben
*1933
Land: Japan
Rang: 59
Veränderung: +48
Medium: Video/ Film
*1957
Land: China
Rang: 48
Veränderung: +37
Medium: Installation
*1927
Land: USA
Rang: 78
Veränderung: +21
Medium: Malerei
*1948
Land: Deutschland
Rang: 51
Veränderung: +19
Medium: Installation
*1965
Land: GB
Rang: 45
Veränderung: +18
Medium: Video/ Film
*1929
Land: USA
Rang: 43
Veränderung: +17
Medium: Skulptur/ Plastik
*1945
Land: GB
Rang: 63
Veränderung: +17
Medium: Installation
*1957
Land: Schweiz
Rang: 73
Veränderung: +14
Medium: Installation
*1946
Land: Deutschland
Rang: 65
Veränderung: +13
Medium: Video/ Film
*1964
Land: Deutschland
Rang: 61
Veränderung: +12
Medium: Fotografie
Der Preis spielt kaum eine Rolle
Entsteht eine neue Blase auf dem Kunstmarkt? Ähnlich wie die Überhitzung zu Beginn der weltweiten Finanzkrise? Damals fiel der Zusammenbruch der US-Investment Bank Lehman Brothers am 15. September 2008 symbolträchtig zusammen mit einer Rekord-Versteigerung bei Sotheby’s von knapp 300 Werken des britischen Künstlers Damien Hirst, in deren Folge der Markt zumindest eine kurze Atempause einlegte. „Für Spitzenwerke spielt Geld eine untergeordnete Rolle“, sagt von Württemberg. „Anders als 2008 ist der Kunstmarkt intakt.“
Die Gründe: Zum einen sind Kunstfans heute längst nicht mehr nur auf der Suche nach Arbeiten einer bestimmten Epoche. Statt sich etwa auf Werke des Impressionismus oder der Klassischen Moderne zu konzentrieren, strecken etablierte Sammler dieser Epochen auch ihre Fühler aus nach Spitzenwerken zeitgenössischer Künstler. Oder ergänzen ihre Sammlung um rare, hypermoderne Möbel an der Grenze zwischen Design und Kunst.