Aus Liebe zum Geld Eine Typologie der Reichen

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Die IT-Gründer

Andreas von Bechtolsheim Quelle: Laif

Kein anderer Sektor außerhalb der Finanzbranche hat in den vergangenen 30 Jahren so viele Superreiche und mit ihnen verbundene Konzerne hervorgebracht wie die Computer- und Softwareindustrie. Da die Branche jung ist und man zum Start wenig Kapital und keine alteingesessenen Familien-Netzwerke benötigt, sind ihre Multimilliardäre Reiche der ersten Generation. Sie haben von unten angefangen, sind ehrgeizig, ja getrieben. Größte Erfolgsstory in Deutschland ist SAP – das Unternehmen ist nur deshalb noch deutsch, weil die Gründer es als ihr Lebenswerk ansehen. Ralph Dommermuth hat es mit United Internet zum einzigen deutschen Internet-Milliardär geschafft. Doch er ist die Ausnahme. Die deutsche Internet-Branche wird von Unternehmern wie den Samwer-Brüdern geprägt, die sich gern schnell mit Gewinn von den von ihnen hochgezogenen Startups trennen.

Die IT-Gründer

1,92 Meter groß, leuchtend blaue Augen, wehendes, graues Haar, unter dem Arm sein iPad oder eine Hängetasche mit Macbook über der Schulter – auf einer Party im Silicon Valley ließe sich Andreas von Bechtolsheim schon wegen seiner Größe leicht ausmachen. Meist trägt der Edelmann vom Bodensee abgetragene Jeans, Shirts und Sandalen. Protzen ist ihm fremd. Lange wohnte er in einem kleinen Apartment im kalifornischen Palo Alto. Seine einzigen teuren Hobbys sind schnelle Autos und Segeln. Bechtolsheim hasst Rummel um seine Person. Mittlerweile wird der 57-Jährige oft von Leuten verfolgt, die ihre Ideen von ihm finanziert haben wollen. Als höflicher Mensch fällt ihm das Ablehnen schwer. Ideen hat er selbst viele. Noch mehr Geld braucht er nicht. Nur an Zeit mangelt es dem Workaholic.

Der Gewinner des Bundeswettbewerbs „Jugend forscht“ von 1974, der ein Jahr später mit 19 zum Studium in die USA ging und dort blieb, ist selbst für amerikanische Maßstäbe einer der erfolgreichsten IT-Unternehmer der Welt. Eine Handvoll von Computer-Hardwarefirmen hat er gegründet, davon mit Sun Microsystems einen IT-Konzern, der heute zu Oracle gehört. Die von ihm entwickelten Großrechner und Datenzentren haben die Branche geprägt. Seine unternehmerischen Aktivitäten – Google eingeschlossen – haben ungefähr 90.000 Arbeitsplätze hervorgebracht. Er war dabei immer der Produkt-Guru. „Andy ist der Ferdinand Porsche des Computerdesigns“, schwärmt der einflussreiche Wagnisfinanzierer John Doerr.

Technik fasziniert von Bechtolsheim, seit er als Sechsjähriger den Telefunken-Kassettenrekorder seines Vaters zu dessen Schrecken erst in alle Einzelteile zerlegte und dann zu dessen Verblüffung wieder zusammensetzte.

Heute kann der Mann, der Englisch mit leicht bayrischem Akzent in atemberaubendem Tempo spricht, stundenlang mit Begeisterung über Rechenleistung, Prozessoren, Datenzentren und die Vernetzung von Alltagsgegenständen dozieren. An seinem Reichtum genießt er, dass er Ideen wie sein jüngstes Unternehmen Arista Networks selbst finanzieren kann, ohne Zeit mit dem Werben um Geldgeber verplempern zu müssen. Geld ist für ihn Unabhängigkeit. Sein Studium finanzierte er sich mit dem Programmieren von Schaltungen für einen deutschen Mittelständler.

Lange genoss er, dass ihn selbst im Silicon Valley kaum jemand kannte. Das änderte sich mit Google. Ein befreundeter Stanford-Professor hatte ihm Sergej Brins und Larry Pages Suchmaschine schmackhaft gemacht. Die beiden Gründer überzeugten ihn. Bechtolsheim stellte einen Scheck über 100.000 Dollar zum Starten der Firma aus und schoss später noch einmal die gleiche Summe nach. Daraus sind etwa 1,5 Milliarden Euro geworden, die das Gros seines geschätzten Vermögens von drei Milliarden Euro ausmachen.

Von Bechtolsheim könnte sogar noch reicher sein: Freunde behaupten, dass er für sein Startkapital wesentlich mehr Anteile an Google hätte fordern können – was er aus Fairness gegenüber den jungen Gründern nicht tat.

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