Ausstellung Zeit für die Geschichte der Uhr

Seit Jahrtausenden messen Menschen mit verschiedenen Methoden die Zeit. Zahlreiche Uhrenmuseen illustrieren diese Geschichte. In München zeigt Patek Philippe Uhren aus 500 Jahren.

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Star Caliber 2000: 1.118 Einzelteile sind in der Taschenuhr verbaut. Auf der Rückseite ist der Ausschnitt des Sternenhimmels zu sehen, den der Besitzer einmalig festlegt. Der Preis lag 2000 bei 7,5 Millionen Dollar. (zum Vergrößern bitte anklicken) Quelle: Presse

Ein kleines Experiment zeigt, dass wir nur wenig darüber wissen, wie schnell die Zeit vergeht. Bittet man Menschen in einem stillen Raum, ohne dass sie innerlich mitzählen, zu schätzen, wann eine Minute vorüber ist, dann zeigt das bloße Gefühl eine erstaunliche Bandbreite.

Jeder kennt den Effekt: Drei Minuten können mit einem tollen Lied rasend schnell verfliegen, aber unter Wasser beim Luft anhalten ewig wirken. Acht Stunden im Büro oder am Strand – es können Welten dazwischenliegen. Sich auf das eigene Zeitgefühl zu verlassen, kann Überraschungen mit sich bringen.

Die Suche nach den schönsten Uhren
Maurice Lacroix: Seconde MystérieuseDie Sekundenanzeige gehört zu den netten, im Alltag aber eher nicht so wichtigen Anzeigen. Ein Suchspiel damit treibt der Hersteller Maurice Lacroix, der sich gerne mit auffälligen Zifferblättern präsentiert. Der gebläute Sekundenzähler scheint zu schweben und springt wie ein Propeller alle 15 Sekunden weiter. Die Uhr ist in zwei Varianten auf je 125 Stück limitiert. 11.300 Euro Quelle: Presse
Hublot: Classic Fusion Ultra ThinAusgerechnet Hublot - größer, dicker, auffälliger waren die Modelle, die die Marke bekannt machten. Nun die Uhr für den gegenläufigen Trend: schlank und dünn. 24.200 Euro. Quelle: Presse
A. Lange & Söhne: LumenKleine Jungs haben haben früher ihre Uhren mit Leuchtziffern lange mit der Lampe "aufgeladen", um unter der Bettdecke fluoreszierende Glimmern zu bestaunen. Große Jungs kaufen heute das Modell Lumen und lassen das Datum leuchten. Quelle: Presse
Greubel Forsey: Art Piece No.1 von Willard WiganDer britische Künstler Willard Wigan baut seine Skulpturen in einer Größe, die kaum für das bloße Auge zu erkennen sind: Sie passen in ein Nadelöhr und werden mit Mikroskop verkauft. Für den Schweizer Uhrenhersteller fertigt er Skulpturen nach Vorgaben des Käufers an, die dieser dann durch die Lupe in der Krone betrachten kann. Je nach Art der Skulptur etwa 4.000.000 Euro Quelle: Presse
Greubel Forsey: Art Piece No.1 von Willard Wigan Quelle: Presse
Louis Vuitton: Tambour Bijou SecretJemanden einzuwickeln bedeutet üblicherweise, jemanden zu umgarnen. Bei dieser Uhr ist das anders, sie soll den Damenarm dekorativ umschlingen, umwickeln. Und damit es noch mehr nach Schmuck als nach Uhr aussieht, ist das Zifferblatt verdeckt mit einer Platte. 4.100 Euro Quelle: Presse
Parmigiani: Transforma CBFSie sieht silbern aus, ist aber aus Rotgold, hängt an einer Kette, hat aber auch ein Armband und eine Fassung, damit man sie als Tischuhr verwenden kann. Die Transforma ist drei Uhren - und wird im Set mit zwei Werken angeboten. 56.900 Euro Quelle: Presse

Der Wunsch, die Zeit neutral und ebenmäßig zu messen, ist folgerichtig jahrtausendealt. Nicht erst die Moderne, für die Zeit lediglich eine physikalische Größe ist, die sich in der Einheit t misst, suchte nach Standards der Zeitmessung. Schon vor rund 5.000 Jahren begannen die Menschen in Mesopotamien damit, in Kalendern die Abfolge der Monate festzuhalten. 3.000 vor Christus nutzten die Sumerer und Ägypter, ab 2.400 vor Christus auch die Chinesen Stäbe als Sonnenuhr. Dass wir heute eine Minute in 60 Sekunden einteilen, ist den Babyloniern zu verdanken, die das sogenannte Sexagesimalsystem erfanden.

Doch bevor die Mechanik, wie wir sie aus Turmuhren und Armbanduhren kennen, den Takt des Alltags vorgab, waren es Wasseruhren, die sich unabhängig machten von der Beobachtung von Himmelskörpern und vom Sonnenschein. So entwickelte Platon einen Wasserwecker, der ein Gefäß zum Überlaufen brachte: Die oben liegenden Bleikugeln fielen geräuschvoll herunter, und diese Variante der Wasseruhr weckte den durchaus pragmatisch veranlagten Philosophen. Es folgten später Kerzenuhren, bei denen das Runterbrennen des Dochts als Zeitmaß genommen wurde, Räucherstäbchenuhren arbeiteten mit dem gleichen Prinzip.

Erst 300 vor Christus wurde dann Rotationsenergie von den Griechen genutzt, und im 11. Jahrhundert nach Christus ersannen die Araber Uhren, die Wasserkraft und Zahnräder nutzten. Schließlich dauerte es bis etwa 1300, bis in Europa mechanische Uhren ihren Siegeszug begannen.

Uhrenmuseen

Komplizierte Werke

Von den gut 5.000 Jahren Geschichte der Zeiterfassung greift vom 17. Oktober an die Münchner Ausstellung KunstWerkUhr die letzten 500 Jahre auf. Sie widmet sich detailliert der historischen Phase der Uhr, die über Jahrhunderte vor der Verbreitung der Quarzuhr in den Siebzigerjahren das Bild der Zeitmessung bestimmte.

Der Genfer Uhrenhersteller Patek Philippe zeigt auf 1.200 Quadratmetern in der Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung für zehn Tage in einem temporären Museum herausragende Stücke der Uhrmacherkunst.

Museen rund um die mechanische Uhr gibt es reichlich. Das beginnt bei kleinen privaten Sammlungen, die an wenigen Tagen des Jahres für interessierte Uhrenfans geöffnet sind, und reicht über die historischen Exponate des Deutschen Museums in München bis zu den von Herstellern eröffneten Museen, die vor allem das eigene historische Erbe in den Mittelpunkt stellen.

"Wir machen keine l’art pour l’art"

Tickende Kultobjekte
Omega Speedmaster Quelle: Omega
Es gibt weitaus teurere Uhren – doch eine Rolex gilt seit jeher als Inbegriff des Luxus. Ihr gutes Image hat sie mitunter einigen revolutionären technischen Neuheiten zu verdanken So war etwa die Rolex Submariner die erste Armbanduhr, die bis zu einer Tiefe von 100 Metern garantiert wasserdicht war. Und das schon im Jahr 1953. Quelle: Frank Williams
Sie war die Uhr der Achtziger: die Swatch. Mit wilden Farben und innovativem Design zu einem erschwinglichen Preis gehörte sie schon vor fast 30 Jahren ans Handgelenk jedes halbwegs hippen Jugendlichen. Sie ist aber nicht nur bunt, sondern auch von Bedeutung: Der Swatch wird nicht weniger als die Rettung der Schweizer Uhrenindustrie vor der japanischen Konkurrenz zugeschrieben. Quelle: Swatch
Die TAG Heuer Monaco war 1969 die erste Uhr mit einem quadratischen wasserdichten Gehäuse und zugleich der erste Automatik-Chronograph. Berühmt wurde sie im Jahr 1970 durch ihren Kinoauftritt an der Seite – pardon, am Handgelenk – von Hollywood-Legende Steve McQueen im Motorsport-Film „Le Mans“. Quelle: TAG Heuer
Das Modell LANGE  1 stellt für die Uhrmacherdynastie A. Lange & Söhne die erste Uhr der Neuzeit dar. Nach dem zweiten Weltkrieg war die Firma aus Glashütte enteignet worden. Erst nach der Wiedervereinigung nahm sie den Betrieb wieder auf. Die LANGE 1 - ein Zeitzeuge deutscher Geschichte. Quelle: A. Lange & Söhne
Die teuerste Uhr der Welt ist kaum auszumachen. Immer wieder gibt es einen US-Rapper oder einen russischen Oligarchen, der seine Uhr mit Brillanten oder Smaragden besetzten lässt - die Kosten solcher individuellen Verschönerungsaktionen werden nur selten publik. Als eine der teureren Uhren gilt aber sicherlich die RM 056 Felipe Massa Sapphire von Richard Mille, deren Gehäuse komplett aus Saphirglas besteht. Sie soll knapp 1,5 Millionen Euro kosten. Quelle: Richard Mille
Das aus dem Jahr 1931 stammende Wende-Design der Jaeger-LeCoultre Reverso ist nicht nur schön, sondern auch funktionell: Die Uhr kann aus dem Gehäuse gleiten, um sich vollständig zu drehen und so die Vorderseite zu schützen. Dank dieser Wendetechnik konnten britische Offiziere wieder Polo spielen, ohne sich nachher über eine verschmutzte oder ramponierte Uhr zu ärgern.

In Glashütte erinnert seit 2008 das Deutsche Uhrenmuseum Glashütte an die Geschichte des mechanischen Uhrenbaus in dem Ort – finanziert von der Schweizer Swatch Group, zu der die Marke Glashütte Original gehört. In dem romantisch gelegenen Musée d’Horlogerie du Locle im Schweizer Juratal werden wieder die technischen Entwicklungsschritte im mechanischen Uhrenbau von der Renaissance bis in die heutige Zeit dokumentiert. Der Saal Maurice Yves Sandoz zeigt Stücke aus der Privatsammlung des Gründers des gleichnamigen Pharmakonzerns. Die Sandoz-Familie pflegt auch heute noch ihre Verbindung zur Uhr und baute mit dem Restaurateur Michel Parmigiani gar eine nach ihm benannte Luxusuhrenmarke auf. Und wer zurück möchte zu den Anfängen der Turmuhrentechnik, der kann in Bern die Mechanik der im 16. Jahrhundert fertiggestellten Zytglogge im ehemaligen Wehrturm der Stadt bewundern. Neben der Zeitanzeige besitzt sie eines der frühesten Figurenspiele in der Geschichte des Turmuhrenbaus.

In München öffnet nun mit der Ausstellung KunstWerkUhr eine Schau, die sich ebenfalls mit den Feinheiten der mechanischen Zeitmessung befasst. 2012 war die Ausstellung in Dubai zu sehen, die nächste Station ist London im Jahr 2015. „Die Liste der Städte zeigt, wie sehr wir uns als Familie unseren Partnern und Kunden in Deutschland verbunden fühlen. Der Mittelstand ist eine der großen Stärken Deutschlands, was sich in der europäischen Krise sehr deutlich gezeigt hat. Zudem weiß man in Deutschland Handwerk und Tradition zu schätzen“, sagt Thierry Stern, Präsident von Patek Philippe.

Neben den großen Marken aus den Reichen der Luxuskonzerne wie Richemont, PPR oder LVMH sind es mit Rolex, Audemars Piguet und Patek Philippe auch unabhängige Hersteller, die die Branche bestimmen. Zahlreiche Auktionsrekorde erzielten Stücke aus dem Hause Patek Philippe, darunter mit 17 Millionen Franken im Jahr 1999 die Taschenuhr Henry Graves aus dem Jahr 1933.

Eine Uhr, die ähnlich kompliziert ist wie die Henry Graves, kann auch in München bewundert werden. Die Star Caliber 2000 ist die drittkomplizierteste Uhr, die das Unternehmen je hergestellt hat. Wie ihr Name sagt, wurde sie im Jahr 2000 vorgestellt und vereint 21 Komplikationen. Unter Komplikationen verstehen Uhrmacher Funktionen, die über die Anzeige von Minute, Stunde und Sekunde hinausgehen. Acht Jahre konstruierten die Uhrmacher am Uhrwerk, bis sie neben den Standards wie der Uhrzeit auch Sonnenzeit, Tages-, Wochen- oder auch Schaltjahranzeige auf der Vorderseite unterbrachten. Auf der Rückseite ist ein Sternenhimmel abgebildet. Die Uhr zeigt darauf die Sternenstellung an, von dem Standpunkt aus, den der Besitzer einmalig wählen kann.

Diese Komplikation wie auch die Minutenrepetition, die per Klangfedern akustisch die Uhrzeit angibt, haben kaum Nutzen. „Wir machen keine l’art pour l’art“, sagt Stern zwar. Dennoch sind es solche technischen Finessen, die die Fans von mechanischen Uhren begeistern. 1.118 Einzelteile sind in der Star Caliber 2000 verbaut.

Die Brücke aus der Vergangenheit in die Zukunft

Edelchronometer für Liebhaber und Anleger
Cartier Quelle: Pressebild
Große Lange 1 Quelle: Pressebild
Big Bang Tutti Frutti Caviar
Montblanc GreyTech
BrückenschlagEin Tourbillon ist mehr Zierde als Notwendigkeit. Schön, dass die Brücken der Girard Perregaux Laureato den Blick darauf nicht versperren.Preis: 176 000 Euro
Calendrier Chinois Quelle: Pressebild
Patek Philippes Ref. 5940 Quelle: Pressebild

51 Teile reichen – wenn es nur darum geht, die Zeit anzuzeigen. Das bewies Anfang des Jahres die Swatch Group, die das Automatikwerk Sistem51 vorstellte, das, so Swatch, mit der Hälfte der sonst üblichen Teile für ein Automatikwerk auskommt. In München hingegen wird geschwelgt.

Es sind neben den technischen Lösungen aus 500 Jahrhunderten historisch wichtige Uhren aus Deutschland zu sehen, die als Geschenke oder Erinnerungsstücke eine Rolle spielten. Und es soll gerade auch um die Feinheit und Schönheit gehen, die sich selbst genügen – denn dank Gravuren und Verzierungen ist die schönste Uhr der Welt noch nicht genauer gegangen.

Für zehn Tage Ausstellungsdauer nehmen mehrere Handwerker aus dem Unternehmen ihre Werkbänke mit nach München und zeigen dort den Besuchern, wie ihre Gewerke funktionieren. So ist zu sehen, wie von Hand mit Sticheln, Graviernadeln und anderen Werkzeugen die feinen Gravuren in den Bauteilen entstehen, die der Träger oftmals nie zu Gesicht bekommt, wenn er eine Uhr mit verschlossenem Rückdeckel kauft. Des Weiteren ist auch die Marqueterie zu sehen. Dabei werden aus winzigen Holzfurnierstücken Motive für das Zifferblatt zusammengestellt. Beim Emaillieren wiederum erhalten Weltzeituhren ihr farbiges Zifferblatt.

Schritt in die Moderne

Dass die Hersteller von Luxusuhren gleichwohl nicht allein in der Vergangenheit leben, zeigen sie bei jeder Gelegenheit. Carbon und Keramik sind als Gehäusematerial inzwischen weit verbreitet. Die Keramik wird dank neuer Verfahren inzwischen sogar in einem Goldton gefärbt. Aber auch um die präzise Ganggenauigkeit, die eigentliche Idee einer Uhr, machen sich die Ingenieure mechanischer Uhren weiter Gedanken, wenngleich allen Beteiligten klar ist, dass die Präzision selbst des einfachsten Quarzwerks oder gar einer Funkuhr nicht erreicht werden kann. Geforscht wird dennoch, wie die Ausstellung zeigen möchte.

In Partnerschaften mit Universitäten entwickeln mehrere Hersteller wichtige Bestandteile der Uhrwerke wie die Unruh oder die Hemmung weiter. Solche Bauteile werden inzwischen aus einem Silizium hergestellt, das sowohl leichter ist als auch präziser verarbeitet werden kann als Metall. Der größte Vorteil für die Uhrmacher: Die bislang noch immer verwendeten Schmierstoffe im Uhrwerk sind dann nicht mehr nötig.

So schlägt KunstWerkUhr die Brücke aus der Vergangenheit in die Zukunft und will zeigen: Die Geschichte der Zeit wird fortgeschrieben.

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