Rund 20 Jahre lang wurde Bob Dylan mit schöner Regelmäßigkeit für den Nobelpreis vorgeschlagen, doch stets ging der Dauerbrenner unter den Kandidaten leer aus. Zu gewagt erschien es offenkundig der Jury, einem Musiker - und sei es auch der berühmteste Songschreiber überhaupt - die höchste Literaturauszeichnung der Welt zuzuerkennen. Nun hat sie sich getraut. Diesmal haben die favorisierten Romanautoren und Dramatiker das Nachsehen.
Von einigen Skeptikern abgesehen, dürften die meisten gut 50 Jahre nach Dylans Karrierestart anerkennen, dass der Autor von Folk-, Blues- und Rock-Lyrik wie „Masters Of War“, „Like A Rolling Stone“ oder „Visions Of Johanna“ ein würdiger Preisträger ist. Den Pulitzer-Preis für „lyrische Kompositionen von außerordentlicher poetischer Kraft“ hatte er ja bereits.
Seinen Ruf als Revolutionär der Folk- und Rockmusik erwirbt sich Dylan schon Anfang der 60er Jahre, als er die Zeichen einer unruhigen Zeit richtig deutet. Seinen Start als Singer-Songwriter beschreibt er später in der literarisch anspruchsvollen Autobiografie „Chronicles“ (2004) so: „Amerika wandelte sich. Ich ahnte eine schicksalhafte Wendung voraus und schwamm einfach mit dem Strom der Veränderung.“
Der als Robert („Bobby“) Allen Zimmerman geborene junge Mann aus Duluth/Minnesota benennt sich vermutlich nach einem literarischen Idol um, dem walisischen Dichter Dylan Thomas. Der Erfolg stellt sich mit dem Song „Blowin' In The Wind“ (1963) ein. Wütende Lieder wie „Masters Of War“ oder „A Hard Rain's A-Gonna Fall“ qualifizieren Dylan für die weltweite Jugend- und Protestbewegung.
Die wichtigsten Fragen zum Literatur-Nobelpreis
Der Literaturnobelpreis gilt als die wichtigste literarische Auszeichnung der Welt. Er wird nicht nur renommierten Autoren verliehen, sondern verhilft manchmal auch weitgehend unbekannten Schriftstellern zu Ruhm und Ehre. Auch die Verlage profitieren.
Nach dem Willen des Stifters, des schwedischen Chemikers, Erfinders und Industriellen Alfred Nobel (1833-1896), soll den Preis derjenige erhalten, „der in der Literatur das Ausgezeichnetste in idealistischer Richtung hervorgebracht hat“. Das Werk soll von hohem literarischen Rang sein und dem Wohle der Menschheit dienen.
Der Preis wird seit 1901 mit wenigen Ausnahmen jährlich verliehen.
Mit 8 Millionen Schwedischen Kronen (etwa 920.000 Euro).
Die Schwedische Akademie entscheidet über die Preisvergabe. Zusammensetzung und Arbeitsweise richten sich nach Regeln, die auf die Gründung des Gremiums 1786 zurückgehen. Die Akademie hat bis zu 18 Mitglieder. Sie werden von der Akademie selbst auf Lebenszeit gewählt. Bis zur endgültigen Abstimmung über einen Preisträger liegt die Hauptarbeit beim Nobelkomitee mit fünf Mitgliedern. Es wird für drei Jahre gewählt.
Zuletzt war im Jahr 2000 der in Frankreich lebenden Chinese Gao Xingjian der literarischen Öffentlichkeit so gut wie komplett unbekannt. Er ist es trotz des Preises auch geblieben.
2016: Bob Dylan (USA)
2015: Swetlana Alexijewitsch (Weißrussland)
2014: Patrick Modiano (Frankreich)
2013: Alice Munro (Kanada)
2012: Mo Yan (China)
2011: Tomas Tranströmer (Schweden)
2010: Mario Vargas Llosa (Peru)
2009: Herta Müller (Deutschland)
2008: J.M.G. Le Clézio (Frankreich)
2007: Doris Lessing (Großbritannien)
2006: Orhan Pamuk (Türkei)
Bisher haben 13 deutschsprachige Autoren den Preis erhalten, davon 8 aus Deutschland:
Herta Müller (2009), Elfriede Jelinek (Österreich/2004), Günter Grass (1999), Elias Canetti (Großbritannien/1981), Heinrich Böll (1972), Nelly Sachs (Schweden/1966), Hermann Hesse (Schweiz/1946), Thomas Mann (1929), Carl Spitteler (Schweiz/1919), Gerhart Hauptmann (1912), Paul Heyse (1910), Rudolf Eucken (1908), Theodor Mommsen (1902).
Danach mutiert er zum Rockmusiker mit elektrischer Gitarre, komponiert und textet Mitte, Ende der 60er Jahre Album- und Songklassiker in Serie. Seine mit Metaphern, Symbolen und Anspielungen durchsetzten Lyrics sind von beispielloser Qualität.
Nach wechselvollen, künstlerisch oft unbefriedigenden 70er und 80er Jahren kommt Dylans Rehabilitierung 1997 mit dem ersten großen Alterswerk „Time Out Of Mind“ - einer Platte voller düsterer, anspruchsvoller Texte, die zu seinen besten zählen. Seitdem hat er einen Lauf, setzt alle paar Jahre Ausrufezeichen wie „Modern Times“ (2006) oder das erneut von literarischen, geschichtlichen und biblischen Anspielungen wimmelnde „Tempest“ (2012). Rund 100 Millionen Tonträger soll Dylan inzwischen verkauft haben.
Seinem deutschen Biografen Heinrich Detering zufolge beziehen sich die Songtexte des Amerikaners „auf Dichtungen unterschiedlichster Zeitalter und Kulturen: von der Bibel und Homers „Odyssee“ über die Dichtungen der römischen Kaiserzeit (Ovid, Vergil, Juvenal), die mittelalterlichen Mysterienspiele und Shakespeares Dramen bis zur amerikanischen Romantik, den französischen „poètes maudits“ und dem Theater Bertolt Brechts“. Und nicht zuletzt hebt der Literaturwissenschaftler die Geistesverwandtschaft Dylans mit „Beat-Poeten“ wie Jack Kerouac und Allen Ginsberg hervor.