Automatisierung Lernen, was die Roboter nicht können

Roboter Quelle: obs

Automatisierung wird Millionen von Menschen arbeitslos machen, befürchten Ökonomen. Wer sich weiterbildet, kann dem zuvorkommen – sofern man etwas lernt, das die Maschinen nicht können.

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Wer für seine berufliche Zukunft schwarz sehen möchte, muss dafür nicht viel tun. Ein Blick auf eine der zahlreichen Prognosen, an der man ablesen kann, wann der eigene Beruf wertlos sein wird, genügt. So schätzt der Analysedienstleister Oxford Economics, dass jeder neue Industrieroboter 1,6 Menschen in der Fertigung ersetzen wird. Die Unternehmensberatung McKinsey sagt voraus, dass bis 2030 bis zu 800 Millionen Arbeitende durch Automatisierung aus ihren Jobs verdrängt werden. 

Und der aktuelle „Future of Jobs“-Report des Weltwirtschaftsforums geht davon aus, dass in den 26 untersuchten Industrieländern bis zum Jahr 2025 rund 97 Millionen Jobs entstehen, aber gleichzeitig 85 Millionen Stellen wegfallen. Die Hälfte aller Angestellten benötige deshalb eine Form der Umschulung, 94 Prozent der befragten Führungskräfte erwarteten von ihren Mitarbeitern, neue Fähigkeiten zu lernen. 

Das Problem an diesen für viele beunruhigenden Prognosen: Was soll die wegautomatisierte Buchhalterin oder der bald überflüssige Finanzanalyst tun, damit sie auch in Zukunft noch arbeiten können? 

Fragt man Simon Janssen, ist die Antwort eindeutig: „Man muss sich weiterbilden, sonst ist man schnell abgehängt“, sagt der Ökonom, der am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung untersucht, wie der technologische Wandel die Entwicklung des Arbeitsmarkts beeinflusst. Unter dem Begriff Weiterbildung versteht er dabei ein ganzes Spektrum an möglichen Schritten, die Arbeitnehmer gehen können. Informelle Weiterbildung geschehe oft schon bei der Arbeit, etwa, wenn sich Kollegen gegenseitig eine neue Maschine erklären. Formaler seien Kurse zu bestimmten Themen oder ganze Umschulungen und Ausbildungen zum Meister oder weiterführende Studiengänge. 

Hoffnung auf mehr Geld

Doch in welche Fähigkeiten man konkret investieren soll, um davon langfristig zu profitieren, ist nicht immer klar. Der Ökonom Janssen unterscheidet zwei Arten von Wissen. Die eine Form ist nur in einer Firma oder kleinen Branche nützlich, etwa eine bestimmte Steuerungssoftware, die nur für die Maschinen eines Unternehmens eingesetzt wird. Die zweite Form ist universeller und wird von einer größeren Zahl an Arbeitgebern geschätzt, etwa bestimmte Methoden des Projektmanagements oder das Beherrschen einer Programmiersprache wie Python. 

Aus dieser Unterscheidung ergeben sich für Arbeitnehmer verschiedene finanzielle Überlegungen. Und die sind entscheidend, denn aus der ökonomischen Forschung wisse man, so Janssen, dass sich Menschen gar nicht unbedingt deshalb weiterbilden, weil sie sich spannende Einblicke versprechen - sondern vor allem, weil sie sich mehr Geld davon erhoffen. Seine Empfehlung: Wer eine sehr firmenspezifische Fähigkeit lernen möchte, sollte die Weiterbildungskosten mindestens mit dem Arbeitgeber teilen. Die Firma profitiere sehr stark davon, so Janssen, und dieser Produktivitätsgewinn könnte auch das eigene Gehalt steigern. Sollte man aber den Job verlieren, ist das sehr spezifische Wissen auf dem Arbeitsmarkt weniger wert. Bei allgemeineren Fähigkeiten sieht er die Situation umgekehrt: In der Theorie haben Unternehmen keinen direkten Anreiz, ihre Mitarbeiter darin zu schulen, weil sie dadurch auch attraktivere Kandidaten für die Konkurrenz werden. In der Praxis tun sie es dennoch, verlangen aber das Geld anteilig zurück, sollten Mitarbeiter wirklich wechseln. 

Nicht jeder muss programmieren können

Doch egal, wer zahlt: Weiterbildungen sind für Menschen auch deshalb wichtig, weil sie durch sie ihre Laufbahn immer wieder nachjustieren können, ohne in eine berufliche Sackgasse zu gelangen. Zum Beispiel, indem sie sich Fähigkeiten aneignen, die nicht so leicht automatisiert werden können. Aber auch hier stehen lernwillige Arbeitnehmer vor schwierigen Fragen, die erste lautet: Was kann ich überhaupt? „Es ist extrem schwer, sein eigenes Humankapital abzuschätzen“, sagt Simon Janssen. Und die Digitalisierung mache es nochmal schwerer. „Wir wissen nicht, ob Dinge, die wir heute können müssen, morgen noch hilfreich sind.“

Zum Beispiel gebe es das Totschlagargument, dass jeder Mensch IT-Skills lernen müsse. „Das stimmt auch zu einem gewissen Grad“, so Janssen. Aber man müsse auch bedenken, dass Software wie Hardware immer leichter zu bedienen würde. Auf einem iPad brauche man nicht einmal mehr die rudimentärsten Befehle, alles sei intuitiv zu steuern. Und die besonders spezialisierten Fähigkeiten, etwa selbstlernende Algorithmen programmieren, brauche auch nicht jeder Mensch. 

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Stattdessen sieht der Ökonom Janssen andere Talente im Wert wachsen: Soziale Fähigkeiten, wie das Koordinieren großer Gruppen in einem interdisziplinären Großprojekt oder das gezielte Kommunizieren mit Menschen mit ganz unterschiedlichen fachlichen Hintergründen. „Das lässt sich extrem schwer digitalisieren, deshalb wird es vergleichsweise wertvoller“, sagt Janssen. Doch auch diese Entwicklung lässt sich nur für wenige Jahre absehen. Der Ökonom rät Arbeitnehmern deshalb, ihre Aufmerksamkeit zu schärfen für technologische Entwicklungen. „Man muss Augen und Ohren stets offen halten“, sagt Janssen, „damit man nicht irgendwann da steht und ersetzt wird.“

Mehr zum Thema: Wer seine Fähigkeiten passgenau entwickeln will, sollte seine Fortbildung genau planen. Diese Tipps helfen, die richtigen Inhalte und Anbieter zu finden.

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