Der Tod soll in seiner ganzen Härte gezeigt werden?
Ja, wir sollen mit ihm konfrontiert werden und ihn in das Leben hineinholen. Deshalb auch die Berührung des Toten, die bei einem offenen Sarg noch möglich ist.
Das ist den meisten sehr fremd geworden. Man schmückt die Trauerhalle lieber mit Blumen und farbigen Bändern…
… und kleidet die Grube mit grünen Matten aus. Wer das nicht will, erntet merkwürdige Blicke. Man versucht, die Härte weg zu retuschieren, den Schmerz in Watte zu packen. Aber das hilft ja nichts. Hilfreicher im Sinne eines Trennungsrituals ist es, den Tod anschaulich zu machen, ihm einen Namen, eine Form zu geben, etwa mit dem dreifachen Erdwurf auf den Sarg.
Aber ist das Begräbnis nicht der legitime Ort der Sentimentalität, der wehmütigen Gefühle?
Sicher, mit dem Wechsel der Perspektive vom Verstorbenen auf die Hinterbliebenen werden die Gefühle zum Hauptfaktor. Das ergibt viel emotionalere Momente als ein kirchlicher Ritus, der standardisiert eine Reihe von überindividuellen Handlungen und Gebeten vollzieht. Emotionalisierung ist das, womit die neueren Bestattungsformen zentral operieren. Man rezitiert das Lieblingsgedicht des Verstorbenen und gibt ihm seine geliebte Tageszeitung mit ins Grab, oder schreibt Abschiedsbriefe.
Das geht heute bis zur Nachbereitung des Todes mit regelmäßigen Treffen von Trauernden.
Ja, die Bestatter haben mittlerweile auch Trauerseminare und Trauerreisen im Angebot, auf denen nachgeholt wird, was die Symbolhandlungen anscheinend nicht leisten: Die persönliche Aufarbeitung des Verlusts.
Aber wäre es nicht denkbar, dass man den Ritus mit individuellen Gestaltungselementen auflädt?
Sicher, die traditionelle Begräbnisliturgie verschließt sich dem nicht. Aber ein Ritus kann nur dann seine Kraft, seine Stärke entfalten kann, wenn er sich auch vollziehen darf. Wenn er nicht zu oft unterbrochen wird, nicht zu viele individuelle Züge trägt. „Junge, komm bald wieder“ oder „Du warst geboren, um zu leben“ gehören nun einmal nicht in den Ritus, auch wenn es die Lieblingslieder des Verstorbenen sind. Sie würden den Ritus durchlöchern. Er würde zu einem leeren Ritual, zu einer Plattform für Erinnerungen.
Was schlagen Sie dann vor?
Die Individualisierung als Signum unserer Zeit anzunehmen und ihr einen Ort im Ritus zu geben, ohne dass er Schaden nimmt. Ich weiß, das ist in vielerlei Hinsicht eine Gradwanderung. Die neuen Rituale in der katholischen Kirche berücksichtigen immerhin individuelle Fälle: Ob ein Mensch lebenssatt gestorben ist oder ob ein Mensch zu Grabe betragen wird, der mitten aus dem Leben gerissen wurde - das sollte man dem Ritus anmerken. Es gibt verschiedene Stationen, wo „angedockt“ werden könnte. Das kann die Predigt in der Messe vor der Begräbnisfeier sein, wo die Bibel gedeutet wird im Hinblick auf das Schicksal des Verstorbenen. Das können Gebetsvariationen sein oder Ansprachen am Grab.
Kosten für eine Bestattung
Für die Kosten vom Todeseintritt bis zur vollzogenen Bestattung müssen Angehörige mit etwa 2500 bis 4000 Euro rechnen.
Für Grabstein, Friedhofsgebühren, Kosten für die Bepflanzung und Grabpflege fallen je nach gewünschtem Aufwand und Umfang zwischen 800 und 8000 Euro an.
Ein einfacher Sarg, der für eine Einäscherung geeignet ist, kostet ab 400 Euro.
Särge für eine traditionelle Erdbestattung sind teurer und kosten ab 2000 Euro.
Diese bieten häufig für unter 1000 Euro Bestattungen an. Die enthaltenen Leistungen decken nur das absolute Mindestmaß der notwendigen Dienste an, oft handelt es sich um anonyme Bestattungen. Diese Angebote sollten höchst kritisch gesehen werden. Oft werden den Angehörigen weitere teure Einzelleistungen aufgeschwatzt. Immer wieder wird den Hinterbliebenen nach einer anonymen Bestattung klar, dass ihnen ein Ort der Trauer fehlt. Dennoch nimmt die Zahl der Discountbestatter zu.
In manchen deutschen Städten sind die Konfessionslosen schon in der Mehrheit. Es sieht nicht gut aus für das Riten-Angebot der Kirchen.
Kommt drauf an. Dass man heute auf einem Markt der Möglichkeiten auswählen kann, könnte auch dazu beigetragen, dass sich die Kirchen wieder stärker auf die besondere Qualität ihrer Riten besinnen. Wer sich heute für ein katholisches Begräbnis entscheidet, der entscheidet sich dezidiert für den katholischen Ritus - und nicht für eine zusammengesetzte Symbolhandlung.
Die katholische Kirche wäre falsch beraten, wenn sie dem Publikum zu sehr entgegenkäme, sich ihm gar anbiedern würde?
Das wäre furchtbar. Sie müsste im Gegenteil ihr Markenprofil schärfen. Wenn ich katholische Kirche buche, sollte ich auch sicher sein, dass ich katholische Kirche bekomme. Das setzt voraus, dass die Kirche ihr Produktversprechen einhält. Kurz: Dass sie ihre Riten beherrscht.