Beschwerden beim Fliegen Warum wir im Flieger zum Miesepeter mutieren

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"Die Schiene versprich Bodenhaftung"

Was würde passieren?

Die Leute würden quasi in die Sitze getrieben. Dabei braucht jeder Mensch eine gewisse Zeit, um sich zu verorten, wie der Hund, der sich dreimal im Kreis dreht, bis er im Körbchen liegt. Der Platz will, auch auf engstem Raum, erobert werden – im Mikroraum des Flugzeugs gibt es eine Reihe interessanter Befunde dazu: Manche schmeißen die Zeitung auf den Sitz, hängen die Jacke auf, gucken sich um und versuchen, das Gepäck über dem Sitz zu verstauen. Das Handgepäck ist unser „material me“, ein Minimum an Eigenem, ein letztes Stück Verortung, das zu uns gehört, in einer Situation, in der wir uns der Expertise des Piloten anvertrauen, aber handlungslogisch betrachtet ausgeliefert sind.

Der Passagier versucht, sich im Exterritorialen einzuhausen?

Ja, die Platznahme verweist auf ein anthropologisches Bedürfnis nach Verortung. Weil uns das Flugzeug räumlich wie zeitlich im Nirgendwo zwischen A und B platziert, weil wir weder „hier“ noch „dort“ sind, und dieses insbesondere in sozialer Hinsicht, also „lost in translation“, werden wir zu Entwurzelten, die eine Ersatzverortung brauchen – zum Beispiel in Form des Handgepäcks, das in Reichweite ist.

Da haben es die Bahnkunden besser.

Sicher, die Schiene verspricht Bodenhaftung. Vor allem: Der Gast kann im Zug mit seinem Gepäck wandern, das ist zwar manchmal lästig, auch für die anderen Gäste, aber es stärkt das Selbstgefühl.

...oder er guckt aus dem Fenster.

Das kann er im Flugzeug auch. Beides, Fenster- oder Gangplatz, der Blick nach draußen oder die schnelle Fluchtmöglichkeit, ist eine Antwort auf die Krise der Verortung.

Zehn goldene Regeln für günstiges Fliegen
Beachten Sie die Anzahl der Tage vor ihrem geplanten Abflug. Denn: Je früher Sie buchen, desto billiger wird der Flug sein. Quelle: Fotolia
Gleiches gilt für die Uhrzeit: Sind Sie bereit früh morgens oder erst spät abends zu fliegen, auch dann werden Sie Kosten sparen. Quelle: Fotolia
Wer es sich zeitlich leisten kann, sollte sich überlegen statt am Sonntagabend, doch lieber Montagmorgen zu fliegen. Noch besser: Fliegen unter der Woche ist generell billiger als am Wochenende - vielleicht ist es statt dem nächsten Wochenendtrip lieber mal eine mehrtägige Reise mitten in der Woche. Das ist garantiert billiger. Quelle: dpa
Meiden Sie Schulferien oder auch Sport- oder Kulturveranstaltungen - denn auch das spiegelt sich im Ticketpreis wieder. Ansonsten müssen Sie den teureren Preis in Kauf nehmen. Quelle: dpa
Auch wenn die Anfahrt schwieriger sein kann, sollten Sie kleinere Flughäfen als Start- und Zielflughafen wählen. Denn dort sind die Tickets billiger, vorausgesetzt Sie bringen die notwendige zeitliche und örtliche Flexibilität mit. Wie kommt es zu der Kostenersparnis? Die Kosten für den Erhalt des Flughafens sind schlichtweg geringer. Außerdem: Sie werden weniger Zeit in Warteschlangen verbringen, weil weniger Gedränge herrscht. Quelle: dpa
Haben Sie schon mal darüber nachgedacht, statt einem Hin- und einem Rückflugticket, zwei einfache Flüge zu buchen - mit verschiedenen Airlines. Bei geschicktem Kombinieren, kann damit viel Geld gespart werden. Quelle: dpa
Sollten Sie die Zeit haben, versuchen Sie mehrmals am Tag die gleiche Strecke zu suchen. Denn Flugpreise ändern sich laufend, so dass Sie irgendwann Glück haben werden, den günstigsten Flugpreis zu finden. Der Nachteil: Sie müssen flexibel sein und sich die Zeit nehmen. Quelle: Fotolia

Gilt das auch für die Kommunikation an Bord?

Unbedingt. Ich bin viel unterwegs, meistens mit der Bahn, und setze mich dann immer ins Restaurant. Was ich vor allem feststelle, ist erhöhte Gesprächsbereitschaft. Die Leute reden gern miteinander. Warum? Weil die Begegnung im Zug flüchtig, so fluid ist. Weil wir unseren Gesprächspartner mit hoher Wahrscheinlichkeit nie wieder sehen werden. Das folgt der Logik der Reisebekanntschaft: Die Kommunikation ist umso stimulierender, je weniger Verpflichtungen sie erzeugt und je entlasteter sie von Verpflichtungen ist.

Ihre Folgenlosigkeit beflügelt die Fantasie...

...und reduziert das Selbstdarstellungsrisiko: Es ist wie beim Seemannsgarn, man kann alles Mögliche erzählen, ohne gleich auf Beweise festgelegt zu werden.

Das ist im Flugzeug doch ganz ähnlich.

Sicher, es ist vergleichsweise unwahrscheinlich, dass man vom Sitznachbarn gefragt wird: „Stimmt das eigentlich, was Sie da sagen?“ Im Flug bleiben die Dinge in der Schwebe. Gerade das „In-between“ der Passage, die wir als eine Art Auszeit des Lebens wahrnehmen, weckt unsere Abenteuerlust. Unbewusste Vorgänge, die sich der Wahrnehmung entziehen. Nehmen wir zum Beispiel den Unterschied zwischen Orangensaft und Tomatensaft an Bord.

Wie bitte?

Ja, der Orangensaft steht für die Antizipation des Abenteuers, für das Außergewöhnliche, das ich im Urlaub erleben möchte, der Tomatensaft ist gleichsam gesundheitsnäher, quasi als Medikament, als Vorsorge: Damit reagiere ich auf die Gefahrensituation des Fliegens.

Das Unterwegssein fördert überhaupt die Konsumfreude – warum eigentlich?

Weil uns mit der häuslichen Verortung auch das rationale Kalkül abhanden kommt: „Können wir uns das noch leisten? Ist das noch durch unser Konto gedeckt?“ Am Flughafen, erst recht im Flugzeug, sind wir in einem Zustand abgeschwächter verinnerlichter Sanktionen – und kaufen gleich mehrere Parfüms. Plötzlich werden wir reich, weil unsere Abwesenheit uns von dem Sozialraum entfernt, der uns zu realitätsgerechtem Handeln verpflichtet.

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