Es wird ablaufen wie immer: Vor dem Hotel werden Limousinen mit abgedunkelten Scheiben vorfahren und Leibwächter für Sicherheit sorgen. Kein Außenstehender wird in die Nähe des Gebäudes gelangen. In den Autos werden gekrönte Häupter sitzen, Politiker und Manager. Der Anlass: das jährliche Treffen der Bilderberg-Gruppe, die wie mehrere Medien berichten vom 31. Mai bis 3. Juni im US-Bundesstaat Virginia stattfinden soll. Sicher, die Reichen und Einflussreichen haben mehr als einen Treffpunkt. Doch die Einladung in den Bilderberg-Zirkel gilt heute als ihr wichtigstes Forum.
Den Namen verdankt der Zirkel seinem Gründungsort, dem Hotel de Bilderberg in der Nähe des niederländischen Arnheim. Dort versammelte der polnische Politikberater Joseph Retinger 1954 erstmals Eliten aus Politik und Wirtschaft. Doch was genau tut sich hinter den verschlossenen Türen?
Wo sich die Mächtigen noch treffen
Seit 1982 trifft sich dort die Elite der US-Medien- und -Softwarebranche
CEOs multinationaler Konzerne versammeln sich zu halbjährlichen Treffen
Besteht seit 1978 aus Führungskräften aus Europa, Nordamerika und Asien
Startete 1978 als Treffen der globalen Elite im Schweizer Örtchen Davos
Andrew Kakabadse gehört zu den wenigen Außenstehenden, die die Frage beantworten können. Der Managementprofessor der britischen Cranfield-Universität hat im vergangenen Jahr ein Buch veröffentlicht: „Bilderberg People – Elite Power and Consensus in World Affairs“. Dafür befragte er 13 Mitglieder des Netzwerks und liefert Einsichten, wie sich die einflussreichsten Leute der Welt ihre Meinung bilden – unter Ausschluss der Öffentlichkeit.
Kein Durchdringen in die Öffentlichkeit
Die Geheimniskrämerei trägt zum Mythos des Zirkels bei. 2011 wollte das Luxushotel Suvretta House in St. Moritz nicht zugeben, Austragungsort der Konferenz zu sein. Dumm nur, dass der Ständerat des Kantons ausplapperte, auf der Gästeliste zu stehen. Weitere Teilnehmer: Königin Beatrix, der ehemalige US-Außenminister Henry Kissinger und Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann.
Wer dieses Jahr wiederkommt und wo das Treffen stattfindet, ist unbekannt. Dass das so bleibt, liegt derzeit in der Verantwortung von Henri de Castries, hauptberuflich Vorstandschef des Versicherungskonzerns Axa, nebenberuflich seit einem Jahr Chef der Bilderberg-Gruppe.
Im Führungskomitee sitzen auch die Deutschen Klaus Kleinfeld, Chef von Alcoa, und Airbus-CEO Thomas Enders. Politiker wie Angela Merkel und Wolfgang Schäuble sollen ebenfalls schon bei den Treffen dabei gewesen sein. Doch nie dringen Interna der Debatten nach außen.
Die heimliche Weltregierung
Die Verschwiegenheit kommt den Kritikern entgegen: Die einen beschuldigen die Bilderberger, die Interessen skrupelloser Kapitalisten zu vertreten, die anderen fürchten den Aufbau einer globalen Diktatur. Verschwörungstheoretiker munkeln, der Zirkel sei die heimliche Weltregierung.
Unklare Ziele
Machtforscher Kakabadse vergleicht den Einfluss der Gruppe mit einem Medizinerkongress. Auch dort seien einige Teilnehmer aktiver als andere, und plötzlich bewege sich das Denken in eine bestimmte Richtung – bis kaum jemand mehr nach einer Alternative frage. So ähnlich sei das in der Welt der Führung auch.
Dennoch stellt sich die Frage: Welche Ziele verfolgt Bilderberg? Was haben so verschiedene Menschen wie russische Stahlmagnaten, Mitglieder der US-Regierung, Gewerkschaftsführer und Mitglieder der britischen Königshäuser miteinander zu besprechen?
„Da trifft sich eine Gruppe von Leuten, die ihre Weltsicht und Philosophie durchsetzen wollen“, sagt Kakabadse. Einrichtungen wie Bilderberg seien der Grund, warum die jüngste Finanzkrise nicht zu vernünftigen Reformen genutzt worden seien.
Wie eine Droge
Durch die Teilnahme an einer Bilderberg-Konferenz können sich viele Türen öffnen. „Mit einigen der wichtigsten Leute in der Welt zu fraternisieren, ist wie eine Droge“, sagt Kakabadse. „Es befördert die Teilnehmer in die am meisten bewunderten Zirkel der Macht.“
Das gelang im Jahr 1991 auch dem damaligen Gouverneur von Arkansas, den zu diesem Zeitpunkt außerhalb der USA kaum jemand kannte. Angeblich wurde er auf dem Bilderberg-Kongress vom nordamerikanischen Freihandelsabkommen überzeugt – das im Jahr 1994 tatsächlich in Kraft trat, kurz nach seinem Dienstantritt als US-Präsident. Der Name des damaligen Gouverneurs: Bill Clinton.